# Vorgeschehen: Köchin Sarina hat bereits seit Stunden Migräne. Hinzu kommen die Aufregungen wegen Ümräumung von Sarinas Küche und ein Fassabtransport durch jene hindurch hinaus, welcher itzt erledigt ist. Wegen eines erregten Rufes aus dem Schankraum sind die Männer mitsamt der gusseisernen Garnisonssuppenkelle dorthingestürmt. #
Dass der Capitano und Alrik nun zum Durchgang hinaus sind, nimmt von Sarina nicht in dem Ausmaße die Anspannung, wie sie es noch vor Augenblicken erwartet hätte, weiß sie doch nicht, was sie von alledem halten soll. Gibt es etwa eine bedrohliche Situation im Schankraum? Dies nachzuprüfen, indem sie etwa einfach den beiden Männern folge, wird nicht allein dadurch ausgebremst, dass sie sich ihrer Hauptwaffe beraubt erkennt. Vielmehr drängt nun ein Gefühl in den Vordergrund, das sich nicht mehr ignorieren lässt: Übelkeit, ein Druck auf Bauch und Brust - fast ein wenig Atemnot, welche aber wohl eher von ihrer allgemeinen Beunruhigung herrührt.
Ihr erster Gedanke ist, den Brechreiz zu unterdrücken; bisweilen in weniger heftigen Fällen hat sie damit schon Erfolg gehabt und alle Leckereien bei sich behalten können. Heute jedoch legt ihr Körper eindeutig nahe, es besser schleunigst hinter sich zu bringen. Von der Köchin unbemerkt, fällt die Zeitung zu Boden. Blick und Körper richten sich zur Hintertüre aus, ebenso die nun freigewordene Rechte.
Da weiß man gar nicht, wo hingucken... Kaum wendet die Wirtsfrau den Blick vom Rücken ihres Mannes, der seinen Schritt merklich entschleunigt - ein gutes Zeichen, wie sie findet - nimmt die Köchin die Bewegung auf - Richtung Tür. Die Züge Sionas, gerade entspannt, zeigen wieder eine merkliche Anspannung.
Mit wenigen eiligen Schritten hat Sarina die Türe erreicht, wobei sie die besorgten Blicke Sionas eher erahnt, als sie wirklich beobachten zu können. Es kommt! Nur soviel dagegen ankämpfen, dass es nicht hier drinnen geschieht! Schon reißt die Köchin die Türe auf, springt hinaus und stößt mit Kopf und Oberkörper schräg nach unten vor. Beim nächsten Augenzwinkern lässt sich auch schon ein Würgen und Plätschern vernehmen.
Nun ist Siona tatsächlich alarmiert. Behende eilt sie der Köchin zur Hilfe, um diese zu stützen. Nicht nur einmal ist sie selbst in solcher Not auch noch ohnmächtig geworden.
Herrje, das schöne Wurzelgemüse!
Dankbar nimmt Sarina die Wirtin als Haltepunkt in Anspruch, wenngleich sie sich ebensogut auf den eigenen Oberschenkeln abstützen könnte. Wobei angesichts ihrer ruckartigen Bewegungen ein Vornüberfallen in den zunehmend unappetitlichen Schnee gar nicht auszuschließen wäre.
Ein Jammer um die Linsen!
Stoß auf Stoß kommt alles wieder zum Vorschein, was die Köchin in den letzten Stunden abgeschmeckt oder gar ganz gewöhnlich gegessen hat.
Der Kräutertee hat vorhin auch besser ausgesehen - und erst recht gerochen!
Siona stützt die Köchin, während sie gleichzeitig überlegt, wie sie schnell an ein Tuch kommen kann, um es der armen Frau gleich zu geben. Keines in der Nähe? Dann ist das so. Das eigene Taschentuch ist leider benutzt. Das möchte sie Sarina nicht antun.
Ein paar Stöße später werden dieselben unproduktiv. War es das also? Sarina bemüht sich um eine regelmäßige Atmung. Ja, da kommt wohl nicht auch noch das Frühstück raus. Die frische Luft belebt, wenn nun auch das Frieren und entsprechendes Zittern einsetzen. Doch es gibt noch etwas zu tun, diese Angelegenheit abzuschließen.
Da auch die Köchin kein Tuch in ihrer Schürze weiß und es sowieso eine gewissermaßen natürliche Möglichkeit der Reinigung der Atemwege gibt, die nicht spätere Reinigung von Hilfsmitteln benötigt, hält sich Sarina erst das linke, dann das rechte Nasenloch zu und schnaubt beide kräftig aus. Das Klümpchen da könnte Fleisch gewesen sein...
Nun, da die Köchin auch von allein stehen kann, wirbelt Siona herum, nicht ohne der Köchin ein "Warte kurz" zugeraunt zu haben, und stürzt in die Küche, um ein feuchtes Tuch und einen Bescher warmes Wasser zum Ausspühlen zu besorgen.
In Unkenntnis, worauf sie von der Wiederkehr der Wirtin abgesehen warten soll, putzt sich Sarina weiter die unsichtbaren beteiligten Teile frei - diesmal den Hals und die vom Mundraum abgehenden Luftröhren zur Nase, indem sie zünftig vor sich hin würgt und grunzt als wie ein betrunkener Soldat.
Ja, das ist ergiebig! Sie spuckt es aus. Sind das Brotkrumen? Sie sollte vielleicht gründlicher kauen.
Aber da ist noch mehr, also weiter mit der Schweinerei! Ein lebensechter Eber wäre womöglich begeistert.
Siona eilt zur Köchin zurück, in der einen Hand ein nasses Tuch, in der anderen einen Becher mit lauwarmem Wasser. Beides streckt sie der Köchin wortlos entgegen.
Aufblickend nimmt Sarina die Mitbringsel entgegen. "Danke, du Gute!" Das kann sie jetzt gut gebrauchen! Zuerst spült sie mit dem Wasser den Mund aus und spuckt das Resultat ebenfalls in den Schnee - möglichst seitlich neben die Hauswand, dass nicht nachher noch wer auf dem zu erwartenden Eise ausrutscht.
Dann kehrt sie vor Kälte zitternd in die Küche zurück, derweil sie sich mit dem Tuch das Gesicht wischt.
Siona hat die Arme über der Brust gekreuzt und beobachtet die Köchin scharf. "Weißt du was, Sarina?" Die Stimme der Wirtsfrau klingt freundlich. "Ich übernehme mal für eine Weile die Küche, und du ruhst dich ein wenig aus. Setz dich mit einer Tasse heißen Tees rüber in den Schankraum oder, vielleicht noch besser, leg dich mal 'ne Runde mit 'nem heißen Stein ins Bett."
Einer Eingebung folgend tritt Tesden in den Durchgang, um nach Siona und Sarina zu sehen. "Alles in Ordnung bei euch?"
So freundlich Tesdens Nachfrage auch ist, empfindet sich Sarina momentan tatsächlich außer Stande, sie ausführlich zu beantworten. Das kann Siona übernehmen, wenn sie mag. Zwar ist der Kopfschmerz wie weggeblasen - es war gut, einfach mal der Natur ihren Lauf zu lassen! Dennoch...
"Du hast recht", erwidert die Köchin der Wirtin, "ich bin todmüde." So ein heißer Stein in kuscheligem Bette wird jetzt genau das rechte sein. Ein paar Minuten nur, oder vielleicht eine Stunde.
Verlegen lächelnd und mit dem Tuch die Nase wischend, tappt sie auf Durchgang und Wirt zu.
"Geh schon mal zur Kammer", ruft Siona Sarina hinterher, "ich kümmere mich um Stein und alles andere."
Da Tesdens Frage komplett überhört zu werden scheint, steht er nur mit gehobenen Augenbrauen im Durchgang. 'Sarina ist krank? Hatten wir das schon mal?' Offensichtlich ist seine Hilfe jedoch weder benötigt noch erwünscht. Also bemüht er sich lediglich, nicht im Weg zu stehen.
Er wendet sich in Alriks Richtung, der ja zuvor in der Küche war. "Was ist denn mit Sarina?" fragt er seinen Knecht mit gedämpfter Stimme.
Alrik, der von den Geschehnissen in und vor dem Küchenausgang außer den Geräuschen nichts mitbekommen hat, zuckt mit den Schultern. "Naja, sie war schon den ganzen Tag so komisch, irgendwie abwesend. Und vorhin... das klang nicht gut. Ich glaube, wir sollten jetzt nicht hinten aus der Küchentür treten."
Dann fällt dem Knecht etwas ein, und er blickt den Wirt alarmiert an. "Es wird doch nicht irgendwas mit dem Essen sein? Sie probiert doch immer alles, bevor es an die Gäste geht... Travia steh' uns bei, nicht dass die Gäste auch..." Alrik bricht den Satz ab, als er den auf die Theke zusteuernden Capitano bemerkt und wendet sich der Speisetafel zu. Was in Travias Namen könnte davon der Übeltäter sein?
"Danke", haucht Sarina der lieben Siona zu, dann schlüpft sie zwischen den beiden Männern am Durchgang hinaus und schlurft hinter dem Tresen entlang auf die gesuchte Kammer zu. Zum Glück bekommt sie von der Theorie des Knechtes nichts mit, sonst müsste sie ja hier verweilen und den Irrtum aufklären, wofür ihr soeben die Kraft ein wenig fehlt.
Der Weg ist ja nicht weit. Unterwegs wird die Schürze abgenommen; damit möchte sie nicht ins Bett steigen. Vom Kochen sieht man darauf zwar kaum ein Fleckchen, doch beim Erbrechen konnte sie eben nicht ganz verhindern, dass sich auch mal ein Spritzer verirrt. Alles andere kann sie auch getrost im Bett anbehalten. Das spart Kraft, ist wärmer, und später hofft sie ja durchaus, heute noch einmal aufstehen zu können. Schlecht ist ihr gar nicht mehr, nur die Erschöpfung ist noch da.
Momente später hat Sarina ihre Kammer erreicht und die Türe hinter sich geschlossen. Obgleich durch die Fensterläden kaum Licht hereindringt, bewegt sich die Köchin auch in diesem Reich fast so sicher, als würde die Abendsonne hereinscheinen.
Die Schürze lässt Sarina gleich auf die Truhe neben dem Bett fallen; aus den Holzschuhen schlüpft sie noch im Laufen heraus. Momente später hat sie sich unter die Decke gekuschelt. Ja, liegen! Sie hätte schon ganz vorhin auf Siona hören und mal eine Pause machen sollen.
Irgendwie niedlich, wie eifrig die Wirtin umrührt! Sie sollte nur vielleicht nicht den Pfannenwender dafür benutzen. Nicht so viel Salz! Rotpüschel in Kastaniensoße? Das mit dem grellroten Wandteppich war übrigens eine blöde Idee - wer hatte die nur? Jedenfalls brauchen sie noch unbedingt Gänseblümchen...
Im blassen Mondlicht schreitet Sarina in den Garten hinaus, dort Gänseblümchen für die Suppe zu pflücken. Doch was ist dort für eine große dunkle Grube zu sehen!
Bang tritt sie näher hinan und schaut hinein. Drunten liegt Tesden - tot!
Erschrocken weicht die Köchin zurück, da bemerkt sie nebenan ein zweites Loch in der Erde. Wieder kann sie nicht anders, als dessen Zweck zu ergründen. Zu ihrem Entsetzen findet sie darinnen die gute Siona ebenfalls bleich und reglos. Was mag sie dahingerafft haben?
Nahebei ein drittes Grab, welches Sarina betrachten muss: Der liebe Alrik starrt ihr daraus hervor aus entseelten Augen entgegen.
Eine vierte Ruhestatt lässt das Grauen entgegen allem, was sie für erdenklich gehalten hätte, noch schlimmer werden. Abermals ist es ihr unmöglich, fern zu bleiben. Am Boden der Kuhle liegt sie selbst!
Mit einem Beben durch den gesamten Körper schrickt Sarina aus dem Schlafe. Verwirrt schaut sie sich im Dunkel um. Nein, dies ist nicht die kühle Erde eines Totenangers; dies ist ihre Kammer im Grünen Eber. Auch nicht eben warm, wenn der Schneesturm wie nun um die Hausecken heult. Schutzsuchend rollt sie sich enger in die beiden Decken ein.
Ein Traum, es war nur ein garstiger Traum! Ein paarmal atmet sie erleichtert durch, was ihre Glieder etwas entspannt, da überfallen sie Zweifel. Was, wenn...? Es ist so ruhig im Schankraume! Sollte sie etwa allein im Hause sein? Ist dies der Traum und das vorige die Wahrheit? Wo steckt der versprochene warme Stein? Angestrengt lauscht sie durch das Windesbrausen auf andere Geräusche.
Ja, dort sind ferne Stimmen! Erneute Erleichterung. Eine davon klingt nach Tesden, welch Glück! Und die anderen beiden? Wenn nun...?
Fast ein wenig zornig über sich selbst zieht Sarina die Stirne kraus. Man kann sich auch Ängste herbeireden! Traum ist Traum, aus der Traum! Befriedigt, über sich selbst gesiegt zu haben, dreht sie sich der Wand zu, schließt die Augen erneut und ist ob ihrer Erschöpfung in Kürze erneut eingeschlummert.
Vorsichtig drückt Siona mit dem Ellbogen die Türklinke hinunter, um dann die Tür mit der Schulter aufzustoßen. "So, Sarina, hier kommt dann auch schon mal der heiße Stein. Wenn du magst, kann ich dir auch noch eine heiße Brühe oder einen heißen Apfelmost bringen", fällt sie übergangslos mit der Tür in die Kammer.
"Mwmh..." Mit emporgeknicktem Haupte blinzelt Sarina ins schwache Gegenlicht. "Ach, Siona, es geht dir wohl!" nuschelt sie verschlafen, doch erfreut. Es ist ja doch schön, wenn man es auch mit eigenen Augen sieht und sich nicht nur verstandesmäßig beweisen muss. Dann erst wird ihr bewusst, was die Gute eben gesagt hat. "Danke dir!" Für den Stein und die weiteren Angebote. "Ich mag jetzt nichts, nur schlafen." Sie lächelt, die Wirtin zu beruhigen: "Es geht mir schon viel besser; ich bin nur noch so müde." Von Schmerz und Übelkeit ist nun nichts mehr übrig.
"Dann machen wir das so", kommt es von der Wirtsfrau, die vorsichtig den Stein positioniert und anschließend die Bettdecke wieder richtet. Fast wie früher bei den Kindern... Ein bisschen wehmütig wird ihr nun doch ums Herz. "Schlaf gut", flüstert sie noch, dann schließt sie vorsichtig die Türe.
Gerührt schaut Sarina Siona bei deren Tun zu und fühlt sich tatsächlich wie ein umsorgtes Kind - oder aufgrund der ungewohnten Unpässlichkeit fast eher wie eine Greisin. Ob die Wirtin das nochmalige, diesmal gehauchte "Danke" mitbekommt? So geschwind, wie sie wieder fort ist, könnte man beinahe schon wieder an einen Traum denken. Nun bloß nicht wieder alles schlechtreden! Alles ist gut! Der wohlig warme Stein ist Beweis genug, dass Siona eben wirklich hier war. Noch eine Mütze voll Schlaf, dann ist alles ausgestanden.
Zufrienen beendet Sarina ihr Starren auf die Türe, schließt die Augen und ist alsbald wiederum ins diesmal friedliche Land der Träume hinfortgesunken.