Was in fremdem Land alleingelassene Sklavinen nicht brauchen können

Autoren: Julia Richling, Oliver H. Herde und andere

OHH

Um Zulhamina herum schwirren neben Stimmen auch allerlei andere Eindrücke, die sie kaum zu verarbeiten vermag. Selbst der Tisch, dem sie sich nähert, wird ihr gar nicht so recht bewusst. Er ist noch etwas dunkler als die anderen, da hier nur eine der Kerzen brennt. Es stört sie nicht. Ohne großes Nachdenken gleitet sie auf jenen Platz, von dem aus sie den Raum und die zu erwartende Herrin am besten beobachten kann. Selbst das Festhalten an der Tischplatte erfolgt unwillkürlich.
Anstatt aber zurückzuschauen, von wo sie hergekommen ist, starrt sie einmal mehr auf die immerhin neue Maserung eines vor ihr gelegenen Möbelstückes. Weit leiber würde sie in einer Ecke warten, denn hier oben kommt sie sich noch viel untätiger vor - und wie auf einem Präsentierteller.

Herrschaften haben es schwer: Sie müssen sich ständig für oder gegen irgend etwas entscheiden, sich in Politik und Gesellschaft auskennen, mit Geld und Schlüsseln achtsam hantieren, Reisewege kennen und finden und bei alledem auch noch ein aufrechtes Bild auf diesen fürchterlichen Hochsitzen abgeben. Nun soll all dies Zulhamina zufallen, soweit es das nicht ohnehin schon ist.
Anstatt sich zu fragen, wie sie diese Anforderungen erfüllen könnte, überlegt sie lieber strohhalmklammernd, was mit Fadim ibn Shahasan geschehen sein mag. Vielleicht gibt es ja noch Hoffnung. Räuber mögen ihn einfach nur ein bisschen niedergeschlagen haben. Dann taucht er morgen früh bestimmt wieder auf.
Oder war ihm gar nicht unwohl, und er ist vielmehr zu einer heimlichen Verabredung geeilt? Mit einer Dame vielleicht? Oder Geschäftspartnern? Hauptsache, er verschachert sie nicht soeben an irgendwen! Was sollte sie da ihrer Herrin sagen! Und wie?!
Jedenfalls hätte man Fadim ibn Shahasan bestimmt gefunden, wäre er in den Brunnen gefallen. In das Loch im Abort werden sie darüber hinaus wohl als erstes geschaut haben.
Wilde Tiere vielleicht? So recht kennt sich Zulhamina damit nicht aus. Selbst in der Heimat wüsste sie dazu wenig zu sagen. Immer waren Häuser die Zentren ihres Lebens.
Grübelnd setzt sie einen Ellenbogen auf den noch immer betrachteten Tisch, die Wange in die Hand zu stützen. Auch die andere klammert sich nicht mehr an der Kante fest, sondern lässt selbstvergessen die Finger über das Holz trippeln.
Ereignisse wie Wirbelstürme, aufbrechende Erdspalten und marodierende Dschinne kann man vermutlich ausschließen - aber was weiß sie schon über dieses Land!

JuR

Was hatte Joallas Bruder in Rahja heute Nachmittag noch gesagt? Dass Menschen dann glücklich sind, wenn sie bekommen, was sie brauchen? Und dass es ihre Aufgabe als Geweihte sei, den Unterschied zu vermitteln? Bei dem Mädchen ist sie sich nicht sicher, ob sie ihn kennt.
Natürlich würde sie aus ihrer Perspektive und in Bezugnahme auf das, was die von ihrem Begleiter Verlassene vorhin über Diener gesagt hat, behaupten, dass sie jemanden möchte, der ihr Anweisungen und Schutz gibt, wogegen sie tatsächlich Freiheit und die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen braucht. Das ist zumindest das, was ihre kulturelle Herkunft sagt.
Aber kann sie diesem Gefühl vertrauen? Oder drückt sie damit ihren eigenen idealen Lebensentwurf anderen auf, die ihn gar nicht teilen? Ebenso wie scheinbar viele einen Traviabund als erstrebenswert betrachten, der ihrem Empfinden nach einer Beziehung die Freiheit nimmt?
Ist sie arrogant, wenn sie annimmt, dass es für jeden wünschenswert sei, sich der Realität der Unsicherheit bewusst zu sein, anstatt sich auf den trügerischen Schein der Sicherheit zu verlassen?
Eine gute Herrschaft kann sterben oder verarmen und durch eine grausame ersetzt werden. Ein Traviabund schützt nicht vor einer Beziehung, in der sich beide einsam fühlen oder vor Lüge und Betrug.
Aber es kann gutgehen. Manchmal auch ein Leben lang. Ist es wirklich ihre Aufgabe, Pferde scheu zu machen, die sich im heimatlichen Stall zu wohl fühlen? Noch immer in Richtung des Geweihten blickend werden die Bewegungen der in Gedanken Versunkenen zunehmend traumwandlerischer.

OHH

Allerlei Bewegungen im Schankraum lassen Zulhamina dann doch irgendwann wieder aufblicken. Nichts Besonderes eigentlich, schon gar kein Fadim ibn Shahasan. Lediglich die dienende Herrin Joalla nähert sich eher weniger denn mehr dem Tische. Anscheinend überlegt sie, ob es nicht ein besseres Ziel gäbe, was Zulhamina nicht weiter verwundert.
Es wird Zeit, an der Unterlippe zu kauen und sich zu überlegen, wie das hier alles noch weitergehen soll.

JuR

Unwillkürlich kehrt das Lächeln, das während des inneren Monologs eine kleine Pause gemacht hat, wieder auf seinen Posten zurück. Seinem schiefgelegten Kopf nach hat ihr einfühlsamer Bruder bemerkt, dass sie etwas beschäftigt. Einen Moment lang erwägt sie, ihm ihren inneren Konflikt anzuvertrauen, um ihn um Rat zu fragen.
Dann jedoch fällt ihr auf, dass das Mädchen seinerseits aus seinen Gedanken aufgetaucht ist. Da möchte sie sie nicht warten lassen. Deswegen beschränkt sie sich darauf, den Hilfsbereiten mit einem weiteren liebevollen und dankbaren Blick zu bedenken, ehe sie sich zu seinem Nebentisch begibt.

OHH

Ein wenig stutzt Zulhamina und unterbricht nochmals ihre ohnehin konfusen Gedankengänge, als die Herrin nun wieder zielstrebiger herannaht und tatsächlich ankommt. Unsicher, freundlich, einladend, dienstbereit und abwartend lächelt sie zu der ebenfalls kleingewachsenen Frau empor. Flüchtige Seitenblicke huschen über die wallenden roten Haare.

JuR

Joalla stellt sich hinter den mittleren Stuhl und legt die Handgelenke auf die Lehne. Die Fingerspitzen der Hände berühren sich leicht. "Brauchst du noch ein wenig Nachdenkzeit für dich alleine?" erkundigt sie sich freundlich bei der Sitzenden.

OHH

Gewiss nicht zuletzt dadurch, dass sie nun allein sind, vermag Zulhamina besonnener und vor allem offener über eine Antwort nachzudenken als noch eben. Inzwischen kennt man sich auch besser, zumindest dem Gefühl nach.
"Herrin, ich weiß nicht, ob das zu etwas führt. Bestimmt kommt Herr Fadim ibn Shahasan davon nicht früher zurück." Wie sie sich verhalten soll, wenn sie allein ist, kann sie auch noch überlegen, sobald der Fall wieder eintritt.

VW

Siona wendet der Rahjageweihten das Fragezeichen ihres Gesichtes zu.

JuR

Joalla beschließt, noch ein wenig länger in der Position des Stuhllehnengasts zu verharren. Sich ein wenig vorlehnend fragt sie: "Möchtest du in der Zwischenzeit darüber nachdenken, was du tust, wenn Herr Fadim ibn Shahasan nicht mehr zurückkommt?" Dabei versucht sie einen Tonfall zu treffen, der signalisiert, dass die Antwort keinesfalls als vorgegeben erachtet wird.
Dass der berühmt-berüchtigte Rahjageweihtensinn ihr kleidzipfelziehend mitteilen will, dass sie nicht die einzige Fragezeichenproduzentin ist und die Sekunden ihrer Reibeisenstimme gezählt sind, entgeht ihr dabei völlig.

VW

Siona stellt vorsichtig die Bestellung nahe der Geweihten ab und nickt dem jungen Mägdelein freundlich zu, um sich sodann still zum Rückzug zu wappnen.

OHH

Mehr und mehr verknautschen Zweifel Zulhaminas Gesichtchen. Hat sie diese Frage nicht eben schon beantwortet? Auch für die Magd scheint Herrin Joalla wenig Aufmerksamkeit übrig zu haben. Deren Freundlichkeit wird zart erwidert.
"Ich vermute, vor morgen kann ich sowieso nichts tun, Herrin", erklärt das Mädchen dann. "Oder habt Ihr eine Idee dazu?" Aus irgendeinem Grunde muss sie ja gekommen sein.

JuR

Joallas Konzentration gerät ob des Ellenbogenstoßes der allgemeinen Aufmerksamkeit ins Wanken und reibt sich verdutzt die Augen, als die Geweihte des wie von Geisterhand abgestellten Bechers gewahr wird. Da sie jedoch nicht an Weingeister glaubt, fällt der Verdacht rasch auf die gute speisenbringende Fee des Hauses.
Ein "Was? Äh... danke..." eilt der sich heldenhaft Zurückziehenden hinterher, gefolgt von typischen Stuhlrückgeräuschen, als sich die Rahjani nun doch zum Sitzen entschließt.
"Hmmm", versucht sie nun ein wenig gesetzter den gerade entglittenen Faden wieder aufzunehmen, "na ja, das mit den Ideen kommt ganz auf die Situation an, die ich ja kaum kenne." Sie überlegt kurz, welche Auskünfte sie selbst braucht, um besser helfen zu können und beginnt dann - die traditionelle Wald-, Wiesen- und Kinderreimzählreihenfolge benutzend - mit dem Daumen. "Ist der Verschwundene dein Freund oder ist aus anderen Gründen sein Wiederfinden von besonderer Bedeutung für dich, so dass du ohne ihn nicht weiterreisen möchtest?"
Der Zeigefinger reckt sich nach oben. "Steht bei dem Verschwundenem für dich die Funktion des Beschützers und das Erreichen des Ziels im Vordergrund?"
Der Mittelfinger folgt. "Oder war er ein Wächter und möchtest du sein Verschwinden nutzen, um darüber nachzudenken, was dir im Leben wirklich wichtig ist und ob der bisherige Weg der beste für dich ist?"
Die Pflaumen liegen auf dem Tisch, doch der Ringfinger muss sich zurückhalten, denn heimbringen kann sie nur ihr Gegenüber.

OHH

Herrschaften, die nicht zum Punkt kommen und sich dann wundern, wenn man nicht bis zuende aufgepasst hat, können über die vordergründige Anstrengung hinaus auch gefährlich werden. Zwar wirkt diese hier auf Zulhamina eigentlich eher harmlos und friedfertig, doch stammt sie immerhin aus dem Land, das Verrückte macht und lässt auch ausreichend viele Anzeichen hierfür erkennen.
Kopfschütteln, Kopfwiegen, dann wieder Kopfschütteln, Nicken, Blinzeln und verständnisos größer werdende Augen wechseln in rascher Folge. Ein abschließendes Kopfschütteln unterscheidet sich sichtlich von den vorherigen, soll es doch die durcheinandergeratenen Inhalte des Hauptes wieder zurechtrücken, anstatt etwas zu verneinen. Mit bedingtem Erfolg.
In dem Versuch, sich alle Fragen gleichzeitig ins Gedächtnis zu rufen und zu beantworten, kann man nur scheitern. Ihre daraus folgende Gedankenleere hält Zulhamina noch buchstäbliche drei Augenblicke von einer Erwiderung ab, dann kommt ihr in den Sinn, wie sie sich selbst helfen kann: Sie stellt sich noch einmal die Fingerabzählung vor - etwas versteckt, doch unübersehbar vollzieht sie diese mit den eigenen Händen auf der Tischplatte nach - und erinnert sich somit auch an die zugehörigen Worte deutlich leichter.
Mit der Antwort stolpert sie dennoch ein wenig: "Ja, nein, Herrin, ich meine... Der Herr Fadim ibn Shahasan sollte mich zu meiner Herrin in Brethana" - oder wie war das? - "hm, bringen. Wie soll ich sie denn ohne ihn finden!?"
Ausgesetzt mitten im Wald, könnte man meinen. Oder in der Wüste. Oder am ehesten wohl im Land der Übergeschnappten. Jedenfalls legen die aufgerissenen Äuglein, die erhobene Stimme und die vor Aufregung mal nicht auf der Tischplatte befindlichen Hände beredtes Zeugnis dafür ab.

JuR

'Ich überfordere sie', wird auch Joalla recht schnell klar, als das Mädchen mit der Reaktion kaum hinterherkommt. Immerhin wird durch die Antwort deutlich, dass sowohl eine engere Freundschaft mit ihrem - ehemaligen? - Begleiter als auch ein akuter Wunsch nach einer Wegweiserdrehung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können.
Nicht gerade das, was auf dem Rahjageweihten-Wunschzettel ganz oben stünde, aber ein freier Wille ist ein freier Wille - selbst dann, wenn man über seine Freiheit nur allzu trefflich streiten kann.
"Wie würdest du es denn versuchen?" lautet dementsprechend die von einem um Verzeihung bittenden Lächeln begleitete Gegenfrage.

OHH

Es scheint selten besonders hilfreich, eine Frage mit einer anderen zu beantworten. Einen Moment lang verzieht Zulhamina die Lippen aus Enttäuschung und unterdrücktem Ärger, doch dann wird ein nverbissenes Nachgrübeln daraus, bei dem sich die Brauen weiter zusammenziehen.
"Ich würde mich wohl zuerst zu der Stadt durchfragen und dann..." Ja, was dann? Ob die Herrin hier in der Fremde bekannt genug sein mag, um auch nach ihr fragen zu können?

JuR

Joalla beobachtet aufmerksam die Mimik des Mädchens. Sie scheint sich in der Situation nicht besonders wohl zu fühlen, wirkt deutlich verkrampft. Ob sie wohl Angst davor hat, durch die Frage irgendwie geprüft oder beurteilt zu werden? Oder hatte sie irgendwelche Erwartungen, die nicht erfüllt wurden? Möglicherweise ist auch beides der Fall.
Vorsichtig streckt Joalla den Arm aus und legt ihre Hand sanft auf die auf der Tischplatte unruhende der Suchenden. 'Ganz ruhig, du musst keine Angst haben', wollen Geste und ein vorsichtiges Lächeln sagen.
Die Geweihte wartet einen Moment, bis sie sicher ist, dass der Satz sein Ende gefunden hat. "Verstehe", sagt sie schließlich leise. "In dieser Vorstellung... warum reist du da alleine? Bereits hier in diesem Raum hier gibt es viele sehr freundliche Menschen und ich könnte mir vorstellen, dass der eine oder andere ebenfalls auf dem Weg nach Bethana ist."

OHH

Was von der neuerlichen Berührung zu halten sei, stellt Zulhamina einstweilen geistig zurück, erscheint es momentan doch nebensächlich.
"Ja, dann müsste ich wohl jemanden" - sie schluckt - "fragen!" Eine erschreckende Aussicht, hier bettelnd umherzuirren. "Aber ich kenne doch niemanden und weiß nicht, wem ich vertrauen kann", kommt der unumgängliche Einwand, dem sich ein weiterer fast wie über eine unerfreuliche Unterstellung empört notwendig anschließt: "Außerdem will ich doch niemanden belästigen!"

JuR

Der Wunsch, niemanden belästigen zu wollen, ist Joalla natürlich vertraut. Er ist ein wenig wie ein Nachbar, den man freundlich grüßt, wenn man ihm begegnet, dessen Besuch jedoch nur in einem beschränkten Maße erwünscht ist. Deswegen belässt sie die Finger auch erst einmal dort wo sie sind, während sie den Becher mit der freien Hand vorsichtig - um nichts zu verschütten - anhebt.
"Wenn jetzt jemand an diesen Tisch treten und höflich fragen würde, ob eine von uns nach Bethana reist und er oder sie sich als Reisebegleitung anschließen dürfe, was würdest du dann denken oder fühlen?"

LR

"Reist denn eine der beiden Damen nach Bethana?" lässt sich da der langsam Voranschreitende hinter der Rahjani vernehmen, weiter sorgsam darauf achtend, sein Abendbrot nicht zu verschütten. 'Warum nach Wenn und Ob fragen, wenn man den Gedanken in Reinform hervorrufen kann', lächelt er in sich hinein und ein klein wenig sogar aus sich heraus.

OHH

Noch bevor Zulhamina unüberlegt drauflosplappern kann, sie wäre dann ja wohl nicht gemeint, um dann den Irrtum noch während des Sprechens einzusehen, mischt sich dankenswerterweise ihr voriger Tischnachbar ein. "Ja, ich!" platzt sie unwillkürlich hervor. "Ich meine..." Erstmal muss sie nach Luft schnappen.
"Ich, ich muss da jetzt wohl irgendwie allein hinfinden, Herr."

JuR

Joalla lässt die Hand des Mädchens los und dreht sich auf dem Stuhl, um den kaum unerwarteten Ankömmling anzusehen. Auch ihre zweite Hand verlässt das Objekt ihrer bisherigen Aufmerksamkeit und drückt mit einem einladenden Lächeln mit dem Fuß gegen das Stuhlbein der noch freien Sitzgelegenheit, so dass dieser nun wie von Geisterhand ein wenig vom Tisch abrückt.

LR

Wenn die Geister einem gewogen sind, sollte man die Gunst der Stunde nutzen. So tut es der Kartenleger und steuert den ihn willkommenheißenden Stuhl an. Dabei setzt er wieder mit offenbar größter Konzentration einen gestiefelten Fuß vor den anderen, als fürchte er, sein Eintopf könne bei Erschütterung erwachen und sich flugs aus der Schüssel davonstehlen.
Endlich aber finden Schüssel und Träger beide ihren Platz und der Blick des Neuankömmlings die junge Frau mit offenbar weitreichenden Findungsschwierigkeiten. Begleiter, Orte, Ziele - wäre sie reich, könnte einer wie er mit einer wie ihr gewiss seinen Lebensabend bestreiten. Aber klingende Münze reizte ihn noch nie. Dennoch: Sitzt vor ihm die, die seine zweite Karte am Vormittag bezeichnete? Heilung oder Ernte...
"Die Stadt ist groß", bemerkt er. "Es wäre wohl gelacht, wenn dir niemand sagen könnte, wo sie liegt. Aber Bethana zu finden, ist nicht die größte Sorge, die einen Menschen umtreiben kann, hm?" Den vergleichsweise wenig ermutigenden Worten zum Trotz bleibt das Gesicht des Mannes ausgesprochen freundlich. Als er zu einem hölzernen Löffel greift, mischt sich gar eine Spur Tatendrang in seine Züge.

OHH

"Ja, nein, genau." Zulhamina merkt gleich, mit was für einem klugen Menschen sie hier zu tun hat. Dies lässt sie auch sogleich offener ihm gegenüber werden, was sich bereits in einem direkteren und festeren Blick ausdrückt.
"Ihr habt recht, Herr, denn ich muss dort meine Herrin finden. Wenn die Stadt so groß ist, wird sie als Fremde wohl nicht so bekannt dort sein." Zuletzt wird sie etwas leiser. Keine schönen Aussichten, durch irgendwelche schmutzigen Gassen zu irren und allerlei Dieben - oder auch 'nur' den üblichen Verrückten - ausgesetzt zu sein.
Die Hände haben wieder an die Tischkante gefunden.

JuR

Dem Motto 'Zuhören und Lernen' folgend, lehnt sich die Geweihte zurück und folgt der Annäherung des Gestiefelten und der Reaktion hinter dem Schleier. Zudem wartet noch etwas auf sie. Ein Becher, den es zu leeren gilt. Die Kehle ist so rauh, dass sie wohl nur noch zum Süßholzraspeln taugt, und doch sind die Bewegungen langsam und bewusst. Die Finger fühlen das Gewicht, das Auge betrachtet den Kerzenschein im Dunkel der Flüssigkeit. 'Wein auf Bier' rät der Volksmund, doch der von Joalla verzieht sich eine Wenigkeit, ehe er Rahjas Gabe empfängt.

LR

"Manchmal sind es gerade die Fremden, die im Gedächtnis bleiben. Wer ist denn deine Herrin, und aus welcher Fremde kommt sie... in diese?" Fast beiläufig ist der Tonfall, als ginge es ums morgige Reisewetter.
Erfreut fischt Nestario gleich darauf ein Stück Hühnerfleisch aus dem Eintopf und kaut den Bissen glücklich.

OHH

Ob der Mann wohl recht hat? In diesem Lande mag die Herrin schon durch ihre Ausstrahlung auffallen und als Fremde ungewohnt wirken.
Eifrig streckt sich Zulhamina ein wenig, um sogleich ausführlich die Antwort hervorzusprudeln: "Sie ist die ehrenwerte und schöne Mesherel ash-Yahun, Tuchhändlerin und Schwester eines reichen Tuchhändlers, dessen Namen ich nicht weiß, weil sie ihn immer nur 'Bruder' nennt, mit welchem sie in der Oberstadt des unschätzbar alten und freudvollen Rashdul in prachtvollem Hause mit viel Dienerschaft wohnt, die ihn natürlich immer 'den Herrn' nennt." Ja, wirklich peinlich, nicht zu wissen, wie der alte Hausherr eigentlich heißt! Diese Verlegenheit erspart dem Zuhörer einstweilen die Ausuferung zum Monolog.

JuR

Joalla setzt den Becher ab und wünscht mit einem kurzen Seitenblick auf das freudvolle Mahl des Hühnerfleischfischers ein wenig verspätet in der Redepause des Fräuleins rasch: "Wohlgenuss."
Anschließend überlegt sie, ob sie nun ebenfalls eine Frage stellen soll, und entscheidet sich spontan dafür: "Zu welchem Zweck ist sie nach Bethana gereist?"

LR

In Gedanken malt sich der Kartenleger aus, wieviel Wonne allein dieses kurze Gespräch seinen eher scharlatanisch veranlagten Gegenstücken wohl bereitet hätte. Genug Informationen sprudeln aus der jungen Frau, um aus den Karten später nach Belieben alles und nichts zu lesen, was sie auf ihrem Weg und ihrer Suche benötigen, fürchten und letztlich erfahren solle. Das Leben könnte so einfach sein, wenn er nicht wahrhaftig sehen könnte. Manchmal zumindest.
Derart fasziniert, lässt er es dennoch langsam angehen und überlässt fürs Erste seiner unverhofften reizenden Assistentin das Stellen der richtigen Fragen. Er ist ganz Ohr. Und ganz Gaumen. Und Magen.

OHH

Was für eine Nuss? Zulhaminas kleine Irritation durch den Einwurf verfliegt mit der nachgeschobenen Frage, welcher es sich zu widmen gilt: "Ganz genau weiß ich es nicht, aber zum Tuchhändeln, äh, -handeln, denke ich doch, Herrin! Ich glaube, der Herr, ihr Bruder hat uns oder vielmehr hauptsächlich sie losgesendet, soweit ich mich erinnere. Natürlich reist sie nicht allein, sondern hat noch allerlei Dienerschaft dabei. Aber vielleicht kennt sie dort auch jemanden, den sie besucht.
Es soll am Meer liegen!" Was die letzte Bemerkung wohl mit dem Rest zu tun haben mag, bleibt offen, da Zulhamina ganz ehrfürchtig die Augen aufgerissen hat, als spräche sie von einer ganz vorzüglichen Erstaunlichkeit, über welche es weiter nichts zu sagen gibt. Statt dessen hat sie sich in ihrer Aufregung etwas vorgebeugt, wofür nun wieder beide Hände an der Tischkante benötigt werden.

JuR

Das Meer... Was bei der Verschleierten den Klang von etwas Aufregendem und Neuem hat, hallt in Joalla als Erinnerung an Wogen, Weite und Heimat wider, und einen Atemzug lang stellt sie sich vor, frische, salzige Seeluft einzuatmen.
Die Träumerei wird jedoch rasch von Gesang vom Nebentisch verweht, der es bereits während der Antwort des Mädchens schwer machte, dieser zu lauschen. Ihrer natürlichen Neugier folgend, blickt Joalla zum Nebentisch, um die Quelle des Gesangs auszumachen. Vor ihrem inneren Auge stellt sie sich ihren Bruder in Rahja mit einem breiten Hut und in bester Sängerpose vor, worauf sich ihre Lippen zu einem breiten Schmunzeln verziehen.
Rasch sieht sie zu dem Mädchen an ihrem Tisch, um herauszufinden, ob bezüglich des Wunsches, das Gespräch bis zum Ende des Liedes zu unterbrechen, ein Konsens besteht.

OHo

"Die Arange konnte tanzen wie 'ne wilde Domnatella,
zum Erstaunen aller Pflanzen drehte sie sich immer schneller.
Wirbelt um die Habanero, die sofort für sie erglühte
und sie schenkt dem 'Caballero' ihre allerschönste Blüte.
Die Habanero, die Habanero ist ein wirklich scharfer Typ
und die Arange, und die Arange war sofort in ihn verliebt."

OHH

Stimmt, es wird schon wieder gesungen. Das hellt die Atmosphäre für Zulhamina weiter auf, wenn die Lebendigkeit des Liedes ihr auch wenig an innerer Ruhe einzupflanzen vermag. Eher schon ist es aufrüttelnd und scheucht die Frage empor, worum es geht. Eine verliebte Frucht etwa? Kurios, aber niedlich.
Zulhaminas Blicke wechseln zwischen dem Sänger am Nachbartische und Joalla hin und her, wogegen der neue Tischherr deutlich seltener bedacht wird. Offenbar soll sie erst einmal die Klappe halten.

JuR

Der Blick ihrer Tischgenossin ist unruhig. Möglicherweise versucht sie, die an sie gestellten Erwartungen abzuschätzen. Um ihr ein wenig Ruhe zu geben, wendet sich Joalla den Musikenten zu. Bei ihren Überlegungen wandeln sich die Gesichtszüge der Rothaarigen ins Sonnigsüße.

OHo

Temaro beendet das Lied mit der dritten Strophe, ohne dabei an Tempo oder an Kraft in der Stimme einzubüßen:
"Doch zu fortgeschrittner Stunde - alles Tanzen war zu Ende -
sind die beiden dann verschwunden, irgendwo hier im Gelände.
Die Zypresse sprach zum Safran: "Die Arange ist ein Früchtchen!
Schmeißt sich an nen heißen Kerl ran... was die beiden da wohl züchten?!
Die Arangero, die Arangero süße Frucht mit scharfem Kern.
Denn die Arange, denn die Arange hat die Habanero gern."
Im Elan wiederholt er dann noch einmal den letzten Refrain.

OHH

Auch als der seltsam pflanzliche Sang vorüber scheint, bleibt Zulhamina brav und andächtig sitzen. Um gegen das unausgesprochene Schweigegebot zu verstoßen, bräuchte es einen konkreteren Anlass. Für den Moment hat sie eh ein bisschen vergessen, worum genau es eben noch ging. Den Überbringer, die Herrin, das Meer... Ihre Gedanken passen sich der niegesehenen Weite und Leere des letzteren an.

JuR

Als gegen Ende des Lieds fröhlich besungen wird, wie die beiden, die sich gerade erst kennen gelernt haben, ein Kind in die Welt setzen, schüttelt Joalla leicht den Kopf. Nachdenklich nippt die Geweihte an ihrem Wein, ehe sie sich daran erinnert, dass sie sich eigentlich mitten in einem Gespräch befindet.
Sie wendet sich wieder dem Mädchen zu, setzt den Becher auf der Tischplatte ab und versucht, den verlorengegangenen Faden wiederzufinden.

OHH

Da schaut Herrin Joalla wieder, aber irgend etwas stimmt nicht. Ein paarmal blinzelt Zulhamina sie freundlich an, dann traut sich das Mädchen ein Entgegenkommen: "Ihr wirkt so... nachdenklich, Herrin..." Ähnlich einem Nicken sinkt der Kopf senkrecht bleibend kurz ab, um sogleich wieder emporzuhüpfen. Fast könnte man den Blick herausfordernd oder doch wenigstens neugierig nennen.

JuR

Joalla ist dankbar für den auffordernden Blick ihrer Gesprächspartnerin, erspart er ihr doch die Unsicherheit, ob es sich bei der Anmerkung um eine reine Beobachtung oder eine indirekte Aufforderung handelt.
"Ich dachte darüber nach", setzt sie an und kommt ein wenig ins Stocken, ehe sie ihre Aufmerksamkeit zwingt, an Ort und Stelle zu verharren. "Ähm... dass es schade ist, dass ich so wenig Lieder kenne, die davon handeln, wie man das Glück in einer Beziehung nach ihrem Beginn bewahren und mehren kann. Dann habe ich kurz überlegt, welchen Inhalt ein solches Lied haben könnte, ehe mir klar wurde, dass ich mitten im Gespräch stecke. Danach bemühte ich mich, mich an den letzten Stand zu erinnern."

OHH

Da es sich bei Zulhamina mit dem 'letzten Stand' so überaus ähnlich verhält, fällt es ihr leicht, diesen Punkt zu übersehen und sich auf das andere Thema einzulassen. "Ist denn nicht jede Beziehung sehr anders als jede andere?" erkundigt sie sich recht verwundert. Denn mag sie auch mit Liebesbeziehungen nicht wirklich Nennenswertes vorzuweisen haben, so scheinen ihr doch die Erfahrungen mit zwischenmenschlichen Verhältnissen ganz allgemein auch hierauf übertragbar. "Denn dann wäre es doch auch mit dem Bewahren ganz verschieden."
Auf einem ganz anderen Blatt steht überhaupt erst einmal das Erschaffen solcher Verhältnisse. Dafür benötigt man wohl vor allem Geduld, scheinen sie sich doch ganz von selbst ins Leben zu rufen.

JuR

Joalla wiegt nachdenklich den Kopf leicht hin und her. Die Finger schleichen um den auf dem Tisch abgestellten Weinbecher herum, wie hungrige Raubtiere um eine unliebsame Beute, die sich doch nicht verschmähen können.
"Meinem Empfinden nach ist das nur eine Frage der Perspektive", erwidert sie schließlich vorsichtig. "Es gibt immer Unterschiede, aber auch immer Gemeinsamkeiten. Du und ich, zum Beispiel, kommen aus unterschiedlichen Kulturkreisen, hatten jeweils andere Aufgaben, wurden von anderen verschieden behandelt und so weiter. Dennoch sind wir uns in vielen Wünschen und Bedürfnissen ähnlich." Während sie behutsam Gedanken um Gedanken in Worte verwandelt, zieht sich die Hand von dem Becher zurück und taucht in das karottenfarbene Dickicht ein.
"Wir freuen uns über Zuneigung, Aufmerksamkeit und Verständnis, sind irritiert, wenn wir das Gefühl haben, dass jemand von uns etwas erwartet, von dem wir nicht genau wissen, was es ist, und mögen es nicht, wenn uns jemand mit Worten oder Taten wehtut. Oder empfindest du das anders?" Die Frage ebenso wie der Blick der meerfarbenen Augen ist offen und interessiert.

OHH

Grund genug für Zulhamina, sich mit Daumen und Zeigefinger an der Unterlippe zu zupfen. "Mja", raunt es recht unüberzeugt aus ihr heraus. "Aber das haben doch alle Lebewesen gemeinsam, oder? Na, vielleicht Fliegen nicht, aber vielleicht doch? Wer weiß das schon... Magier vielleicht."
Unwillkürlich schaut sie zu den anderen Tischen hinüber, an denen man diese gelehrten und möglicherweise ja fachkundigen Damen und Herren erspähen und gegebenenfalls darauf ansprechen könnte.

JuR

Joalla legt den Kopf leicht schief und kratzt sich hinter dem Ohr. Tatsächlich dient diese Geste weniger dazu, wirkliches Jucken zu beseitigen, als Zeit zu gewinnen, um herauszufinden, was hier gerade schiefläuft. Denn das dem so ist, spürt sie deutlich - wobei es im Zweifelsfall auch die Rache des ungewürdigten Weins sein könnte.
Auch wenn sie den Worten des Mädchens von ganzem Herzen zustimmt, haben sie für die Rothaarige etwas seltsam Defensives. Dieser Eindruck erstreckt sich von dem Beginn 'Aber' bis zu dem Punkt, dass das ursprüngliche Thema 'Kann aus Liedern vermitteltes Wissen für Beziehungen nützlich sein?' bereits in Vergessenheit geraten zu sein scheint. Ist da irgendwo etwas zwischen ihnen schief gelaufen? Und falls ja: wie kann man es wieder gutmachen?
"Fühlst du dich durch mich verunsichert?" erkundigt sich die Geweihte unvermittelt im Versuch, der Antwort auf die Frage, die sie gegenwärtig mehr beschäftigt als das Empfinden von Fliegen, auf den Grund zu gehen.

OHH

Große Augen starren ungläubig die junge Priesterin an. Natürlich lässt sich Zulhamina nur allzu leicht von allem möglichen verunsichern. Dessen ist sie sich auch selbst bewusst, auch wenn sie das eigentlich für ganz normal und angemessen hält.
Gerade während des Gespräches hier am Tisch jedoch hatte die Unsicherheit doch stetig abgenommen - zumindest kommt es ihr jetzt so vor, da sie darüber nachzudenken angeregt worden ist. Und nun so eine Frage! Was hat sie nur wieder falsch gemacht?
Vorgebeugt und mit den Ellenbogen auf der Tischplatte, vernesteln sich ihre Finger, Handrücken an Handrücken, während sie überfordert herausbringt: "Wie meint Ihr das, Herrin? Wie kommt Ihr darauf?"

JuR

Joalla errötet. Zumindest vermutet sie das ob der in die Wangen steigende Wärme. Ihre Hand verlässt die Stelle hinter dem Ohr und legt sich auf den Nacken.
"Na ja", antwortet sie schließlich leise, "ich komme darauf, weil ich mich selbst verunsichert fühle. Zum Beispiel dadurch, dass du mich immer wieder 'Ihr' und 'Herrin' nennst, und ich das Gefühl habe, dass dadurch eine Trennung entsteht. Als wären wir nicht zwei Menschen, sondern nur zwei Rollen. Und dass du an meine irgendwelche Erwartungen oder Vorstellungen knüpfst, die ich nicht erfüllen kann... und vermutlich auch nicht möchte."
Durch die Verlegenheit kämpft sich ein leichtes Grinsen. "Und im Augenblick machst du einen eindeutig unsicheren Eindruck auf mich, also bin ich zumindest jetzt in guter Gesellschaft, was das angeht."

OHH

Der zunächst mitleidige Ausdruck Zulhaminas wird durch Verwunderung abgelöst. Joallas letzte Bemerkung hilft so wenig weiter, dass sich die Brauen des Mädchens zusammenziehen und die Stirn etwas unwillig in Falten legt.
"Ich weiß wirklich nicht, wo Ihr das alles hernehmt. Werdet Ihr sonst von jedermann geduzt? Wollt Ihr jemand anderes sein als Ihr seid?" Fast ein wenig ärgerlich setzt Zulhamina fort: "Was sollte ich erwarten!? Ihr scheint etwas zu erwarten, ohne dass Ihr mir wirklich sagt, was. Mir ist, als müsste ich Euch besser kennen als Ihr Euch selbst, und das ist es, was mich verwirrt."
Über sich selbst erstaunt, setzt sie für alle Fälle noch ein "Glaube ich" hinzu, bei dem ihr Blick wieder ausweichender wird und absinkt.

LR

'Sie ist gut', denkt sich der Kartenleger, als er die mithin restlos, ausgekratzte Schüssel von sich schiebt, meint dabei jedoch nicht das Geschirr und seinen zweifellos hervorragenden früheren Inhalt, sondern seine geweihte Tischnachbarin. 'Sie lockt die Leute aus der Reserve.'
Aber zu welchem Zweck, das ist ihm noch nicht ganz klar. Und wozu es seiner bedurfte, um diesem jungen Ding den Rest oder zumindest einen Rat zu geben. Was suchen diese beiden? Was könnte er für sie sehen? Den Vermissten für... wie hieß sie eigentlich? Oder ihre Herrin? Wer nützt ihr mehr? Oder keiner von beiden? Eröffnet das Schicksal ihr gerade einen ganz neuen Pfad?
Und ihre Gnaden? Ist ihre Offenheit Verletzlichkeit, Stärke, oder ist sie besser als jede andere Spielerin dieses Spiels, die er bislang kennenlernen durfte?
Ihm fehlt Klarheit, und so hält er sich weiterhin noch zurück. Zumal dies nicht der Moment ist, sich in das schärfer werdende Gespräch der beiden einzumischen - eine Lektion, die jeder Mann früher oder später lernt.

JuR

"Es ist gut, dass du sagst, was du denkst", versichert Joalla eilig bemüht, das weitere Absinken zu einem Halt zu bringen. Für diesen Zweck wäre es wirklich nützlich gewesen, könnte sie sich jetzt noch an den Namen des Mädchens erinnern. "Behalte das bitte bei. Nur so können wir einander verstehen und zukünftig gleiche Fehler vermeiden."
Die nackenreibende Hand kehrt eilig aus dem Haardickicht zurück, um sich offen neben der anderen auf der Tischplatte gesellen.
"Was hat bei dir den Eindruck, ich würde solche Erwartungen an dich stellen, ausgelöst? Erst meine Worte gerade eben oder gab es noch weitere Situationen?"

OHH

Zunächst einmal klingen Joallas Worte in Zulhaminas kleinen Ohren recht klug. Wie oft lassen sich Herrschaften nicht den kleinsten Hinweis gefallen - käme er nun von einer Sklavin oder einem Sultan!
Die neue Frage hingegen hat es wieder einmal in sich. Entsprechend wird die Fingerverknotung gelöst und die Wange auf einem der Handrücken abgelegt, derweil die andere Hand wohl eine neuerliche Absicherung der allgemeinen Stabilität erwägt.
Joallas ersten Auswahlpunkt kann man getrost vergessen, wie dem Mädchen rasch klar wird. "Na, zum Beispiel sagt Ihr doch, dass ich Euch gegen alle Sitte so oder so nennen soll", beginnt Zulhamina daher, angestrengt die gehörige Anrede unterbindend, wird aber gleich wieder etwas defensiver: "Ich meine, soweit ich die Bräuche hier kenne. Ich dachte nämlich bisher, auch hier würden die Diener die Herrschaften nicht einfach duzen dürfen, um so mehr nicht die eifrigen Mawdlis der Kinder Rastullahs. Jedenfalls habe ich das so beobachtet." Besser diesen Bereich nicht zu sehr vertiefen, schießt es Zulhamina durch den Kopf. Warum nicht, hat sie ja schon mit einem beiläufigen Wort fallenlassen.
Dieser Einfall bringt sie sogleich aus dem Redefluss. Mit halb geöffnetem Mund starrt sie etwas gedankenleer daher - ein vollendetes Gegenextrem zum vorherigen Zustand.

JuR

"Hm..." kommt es aus Joallas Richtung. Die Geweihte legt die Hand ans Kinn und sieht ihr Gegenüber erneut nachdenklich an. "Findest du selbst denn diese Sitte gut? Ist sie dir wichtig?" erkundigt sie sich schließlich.

RB

Ein roter Haarschopf scheint Erkan den Weg zur Tür weisen zu wollen und animiert ihn zu einem kleinen Umweg. Ein Grinsen erscheint auf seinem Gesicht, als er sich von hinten nähert. Den Stab in der Rechten, streicht er mit der linken Hand über Joallas Rücken aufwärts und hebt den Haarschopf ein Stückweit an. Dann drückt er einen schnellen Kuss auf den so freigelegten Nacken.

LR

'Ist es klug, jemanden auf solche Fragen zu stoßen?' Nestario kennt so manchen Priester, der einen großen Haufen Hornechsenkot darauf geben würde, was Leute von Sitten hielten, wenn sie sie nur brav befolgten. So eine Art Priester aber scheint Joalla keineswegs zu sein, das war schon vorher klar.
Verwirrend, die jungen Kulte. Wie angenehm da der Zauberer - der weiß wohl recht genau, was ihm wichtig ist.

OHH

So waren also Zulhaminas Eindrücke richtig. Immerhin. Beruhigen kann es sie bei dieser wirklich, wirklich verwirrten Herrin leider nicht. Im Grunde ist jene bemitleidenswert.
"Aber was spielt das denn fü...!?" platzt sie etwas resignierend hervor, wird aber durch das unvermutete Auftauchen des Magiers geistig unterbrochen, was wiederum ihren Satz vorzeitig beendet. Wie ist der so plötzlich hergekommen?
Rasch zieht sie sich an die Stuhllehne zurück und beschäftigt sich wieder mit den eigenen Fingern. Fast ist sie erleichtert. Die Erfahrung lehrt nun einmal, es den Herrschaften - auch und gerade den verrückten - besser recht zu machen, sonst gibt das nur Ärger. Wenn die Herrin so gern eine Dienerin spielen möchte, welches Recht hätte Zulhamina wohl, es ihr zu verwehren?

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Redaktion und Lektorat: OHH 2012