Eine schweigsame Tischnachbarin
Autoren: Matthias Ott, Oliver H. Herde und andere
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Kysira baut sich vor dem erwählten Tisch auf. Dem dort Sitzenden fest ins Auge gefasst, deutet sie mit Stab und Hand auf den Stuhl neben ihm, da es der zweite mit der Wand im Rücken ist, berührt ihn leicht an der Rückenlehne und zieht die linke Augenbraue fragend in die Höhe. Eine freundliche, wenn auch wortlose und damit nicht unbedingt allerhöflichste Anfrage.
OHH
Es braucht einen Moment, bis Yashkir überhaupt bemerkt, dass mit ihm kommuniziert wird. Einen weiteren wundert er sich. "Bitte", erwidert er eher unwillkürlich und eine unausführliche Geste begleitet dieses Wort. Da der Platz frei ist, sieht er keinen Anlass, die Frau abzuweisen. Doch irgendwie bekommt er durch die Auswahl dieses Platzes das Gefühl, die reife Frau - anscheinend eine Magierin - wolle mit ihm aus irgend einem Grunde auf Tuchfühlung gehen. Andererseits hat dieser Platz den Vorteil, dass er nicht ständig dorthin schauen muss. Ja, es bleibt sogar der Blick auf die andere am Nebentische frei. Aber gab es nicht etwas anderes betrachtenswertes in dieser Richtung? Bekümmert stellt Yashkir fest, gerade jetzt sehnlichst noch einmal auf das Halsband schauen zu wollen. Wenigstens ein ganz flüchtiges Blickchen gönnt er sich bei der Gelegenheit noch einmal, bevor er wieder nach vorne schaut, sich optisch geradezu an der Jüngeren drüben festhaltend. Die Tischgenossen des Abends hätte er sich anders erhofft!
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Gut, ihr langer Tischgenosse hat schonmal keine Einwände. Wenigstens etwas an diesem Abend, das halbwegs in seine gewünschte Richtung läuft. Die Maga lehnt den Stab an den Tisch, so dass er einstweilen nicht umfallen kann, legt den Mantel mit der freigewordenen Hand über die Stullehne und plaziert die schwere Tasche unter dem Stuhl. Der Rucksack gleitet vom Rücken und findet seinen Platz neben dem Tisch, so dass er die Beinfreiheit nicht behindert.
Die Magierin greift kurz unter die Robe und löst dort den Gürtel, den sie daraufhin auf den Tisch legt. Die daran befestigte, hözerne Scheide enthält wohl eine kurze Stichwaffe oder einen langen Dolch, vielleicht auch eines jener geheimnisvollen Magierschwerter, das beim Sitzen wohl hinderlich wäre. Den Griff dieser Waffe in Reichweite, lässt sich die Frau nun auf dem Stuhl nieder.
Bei dieser Prozedur trifft gelegentlich ein musternder Blick den schon Sitzenden, um nähere Informationen über ihn zusammengetragen. 'Nicht übermässig gut genährt. Vorliebe für schwarze Kleidung. Anscheinend auch für Leder, sie muss wohl einiges aushalten können. Ein Herumtreiber vielleicht? Blond, trotz der tulamidischen Aufmachung. Un-, aber nicht außergewöhnlich, in jedem Fall weit herumgekommen.'
Auf dem Stuhl entspannt sie sich sichtlich, mustert kurz den großen Tisch gegenüber und die packende Magierin, lässt ihre Blicke dann aber zu dem Kamintisch hinüberwandern. 'So. Jetzt wollen wir einmal sehen. Tun kann und darf ich hier ohnehin nichts. Den Tee trinken, etwas essen. Der Tag hat noch ein paar Stunden und ich habe das Ding jetzt schon drei Tage. Soviel Zeit wird noch sein. So bitte ich nun dich, Mutter Travia, mir die Segnungen und Entspannungen eines Abends an einem dir so verschriebenen Ort zu gewähren.'
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Fängt die Frau jetzt etwa an, sich auszuziehen? Wohl nur einen zu engen Gürtel. Hat der nur ein Loch? Auf dem Tisch macht er sich jedenfalls nicht sehr dekorativ, aber noch ist ja genug Platz.
Als aber die Köchin erscheint und ihrerseits auf der anderen Seite des Tisches Speisen aufträgt, runzelt Yashkir noch einmal sachte die Stirn. Der Priester speist viel, aber das überrascht ja nun gar nicht, wenn man ihn gesehen hat.
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Stirnrunzelnd mustert die Maga die Massnahmen der Köchin. Offensichtlich hat sie sich geirrt, als sie annahm, sich einen beinahe leeren Tisch zu suchen. Allerdings, ein wesentlich weniger gut besuchter lässt sich nicht ausmachen, mit Ausnahme dessen, auf dem man mit dem Rücken zur Treppe oder zur Tür sitzt. Zudem wäre es extrem unhöflich, sich jetzt wieder zu erheben, also bleibt sie einfach sitzen, wo sie ist.
Der fragende Blick der Köchin wirft hinter ihrer Stirn neue Fragen auf. Eigentlich hat sie gegenüber der anderen Frau an der Theke doch klar und deutlich geäu... äh, klargemacht, dass sie gerne einen Becher Tee hätte. Doch weiß die Köchin davon? War es für den schlichten Geist der Bediensteten überhaupt deutlich genug? Hat sie nicht auch ihre andere Botschaft falsch verstanden?
So entschließt sich Kysira also schweren Herzens, doch noch einmal etwas zu sagen, und nach gründlichem Abwägen der maximal vertretbaren Unüblichkeit, des Freundlichkeitsminimums und des notwendigen unauffälligen Verhaltens, entschliesst sie sich sogar zu zwei Worten. "Tee, bitte." So ist dies schon eine beinahe normale Bestellung.
OHH
Die Köchin nickt freundlich. "Kommt sogleich." Ein nochmaliger flüchtiger Blick auf beide Gäste bestätigt ihr, dass wohl erst einmal keine weiteren Wünsche bestehen, also wendet sie sich wieder vom Tische ab.
Schon wieder etwas geistesabwesend, ruht Yashkirs Blick auf der Köchin. Dass sie eine Teetasse ziemlich in seine Richtung geschoben hat, bemerkt er momentan noch gar nicht. Vielmehr beobachtet er ihre Mimik, bis sie wieder abrauscht. Beeindruckend, diese Kraft, die sie ausstrahlt! Unwillkürlich stellt er sich vor, wie sie ihn zu einem Päckchen zusammengebunden und mit einem zwischen die Zähne geklemmten großen Apfel serviert.
Da Yashkirs Augenmerk immer weiter nach rechts gezogen wird - auch wenn er davon bewusst gar nicht so viel mitbekommt - nimmt er schließlich schnelle Bewegungen am Nachbartische wahr. Der Mann im schwarz-gelben Samt vollführt offenbar soeben ein Kartenkunststück, was Yashkirs anfängliche Vermutung, es hier mit einem Gaukler zu tun zu haben, wieder wachruft. Er muss sich leicht vorbeugen, um an der Magierin neben sich vorbeischauen zu können.
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Aus den Augenwinkeln bemerkt Kysira Yashkirs Bewegung und reagiert darauf, indem sie sich bereitwillig zurücklehnt und den Stuhl ein wenig nach hinten schiebt. Damit gibt sie einerseits dem Mann freie Sicht und hätte ihn anderseits besser im Blick, sollte er sich in einer gefährlichen oder störenden Weise bewegen. Viel zu hart sind sie Jahre mit Kysira umgesprungen, als dass sie diesen Reflex unterdrücken könnte - und, bei genauerer Überlegung - wozu auch?
OHH
Leicht überrscht folgt Yashkirs Blick der neuerlichen Bewegung neben sich. Er lächelt dankend. Die alte Dame denkt mit, sehr freundlich! Dann aber schaut er auch schon wieder hinüber zu dem Schwarzgelockten. Ob es wohl noch etwas zu sehen gibt?
FH
Ebenso plötzlich, wie der flirrende Flug der Karten begann, endet er auch wieder, und der Schwarzgelocke sitzt einige Herzschläge lang bewegungslos da, den Stapel in der offenen linken Hand, und scheint in höchster Konzentration darauf- oder hindurchzustarren, als sei das Päckchen buntbemalter Karten ein Lebewesen mit vibrierenden Flügeln, im Begriff, davonzufliegen. Gerade hebt sich wie von selbst langsam die Rechte, bewegt sich auf den Stapel zu - da tritt die Magd an den Tisch und spricht den Uniformierten an.
'Drachenmist und Krötenspucke! Wie soll man sich da konzentrieren? Hebe dich hinweg, holde Jungfer, und ruinier' mir nicht die ganze Wirkung!'
Wie in tiefste Konzentration versunken hypnotisiert er weiterhin das Kartenspiel, die Rechte wie abwägend in der Luft.
OHH
Wie könnte Yashkir ahnen, dass seine Gedanken denen des potentiellen Kartentricksers nahe kommen, auch wenn sie sich mehr in Richtung 'Travia lass nach!' bewegen? Allzu schlecht kann er die Mimik des Mannes erkennen, und viel würde sie ohnehin nicht verraten.
Doch sogleich zuckt der Blick wieder von der Magd zurück auf die Karten, dass Yashkir ja nichts verpassen möge. Nur ein winziges Stückchen schiebt sich der Kopf noch weiter in jene Richtung und somit geringfügig in den Bereich, der eigentlich der Tischnachbarin zugehört. Dann verharrt die gesamte verrenkte Gestalt, und nur das Turbantuch wallt noch sanft neben dem Gesicht herab.
MO
Nanu? Was verrenkt sich der beturbante Mann denn da den Hals? Ein verwunderter Blick der Maga streift ihn, begleitet von der schon mehrfach erwähnten, hochgezogenen Augenbraue. Davon durfte Yashkir allerdings nicht viel mitbekommen, hat sie die vorherige Verschiebung nach hinten doch aus seinem direkten Blickfeld gebracht. Nunja, solange der Mann nur so geringfügig in ihren Bereich eindringt, wäre es wohl kaum angebracht, ihn zur Ordnung zu rufen - viel interessanter ist, was ihn denn da so brennend interessiert in Richtung auf Treppe, Tür oder Nebentisch. 'Aha.'
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Auf die Dauer ist diese leicht schiefe Haltung doch recht unbequem. Und zu Yashkirs Leidwesen tut sich zunächst einmal garnichts am Nebentisch - zumindest nichts, was sein Interesse weiter aufrecht erhalten könnte. Er schiebt sich wieder in eine aufrechte Position und schielt nur noch beiläufig letztechancegebend hinüber.
Die Peripherie dieses Blickes erwischt den Traviageweihten, der offenbar ein neues Opfer zum Vollreden gefunden hat und wohl doch nicht mehr an den Tisch kommt.
Unwillkürlich schaut Yashkir auf die Speisen auf der anderen Seite der Tischplatte. Entweder irrt er sich soeben, oder die Köchin tat es, oder vielleicht sind diese Dinge ja für irgend jemand anderen? Ein Paar wohlmöglich, wo es doch zweierlei ist? Riecht nach Pfefferminz - sicherlich der Tee.
Wer könnte sich wohl diese Plätze der Köchin gegenüber reserviert haben? Die suchenden Augen finden niemanden, stellen aber dafür fest, dass sich die Zusammensetzung der Leute am großen Nachbartisch verändert hat. Von einer anfänglichen Enttäuschung abgesehen, die junge Magierin nun wohl nicht mehr einmal genauer betrachten zu können, stößt er auf etwas Seltsames. Das Gesicht des alten Herrn kommt ihm doch irgendwie bekannt vor.
Im Halbdunkel ist es ja nicht immer leicht, jemanden zu erkennen, der nicht am eigenen Tische sitzt. An den Bewegungen ist auch nichts festzumachen, zumal der Alte am Tisch ja nicht allzu viel anstellen kann. Und dennoch: Lang kann es nicht her sein, dass Yashkir ihn sah. Er schließt kurz die Augen, um sich zu erinnern. Der Alte sagte etwas Wunderliches, was war es nur?
Der Stab... es ging um den Stab... Ja, wahrhaftig! Er wollte wissen aus welchem Holz der Stab wäre und ob er käuflich zu erwerben sei. Ein merkwürdiger alter Holzsammler!
Die nun wieder geöffneten Lider setzen nur kurz einen überraschten Blick frei, dann verschwimmt das Bild, das Yashkir vom Nachbartisch wahrnimmt, hinter seinen sich fortsetzenden Erinnerungen. Ist das wirklich erst gestern Abend geschehen? Unglaublich, wie die Übermüdung einem manchmal das Zeitgefühl trüben kann!
Wie auch immer, um nicht hier und jetzt am Tisch einzuschlafen, könnte man sich ja mal bewegen und die Koffer hinaufbringen. Das befreit von der Last, sie im Auge behalten zu müssen, und viel daraus brauchen sollte Yashkir heute eigentlich nicht mehr.
So erhebt er sich und wendet sich dem Gepäck in der Ecke zu.
Zunächst kommt der Umhang wieder über die linke Armbeuge, als nächstes der größere und etwas leichtere Koffer in die Hand, die anschließend auch noch den Stab halbwes waagerecht mitzutragen hat. Zum Schluss ist die Rechte noch frei für den anderen Koffer.
Sowie sich Yashkir aber wieder aufgerichtet hat, sieht er sich vor einem neuen kleinen Problem, wie das Leben so viele immer wieder gerne bereithält: Es ist doch etwas eng hier, um sich mit dem langen Stab so ohne weiteres herumdrehen zu können. Hier und dorthin sich umblickend, hebt Yashkir mal den einen, mal den anderen Arm, um eine geeignete Stabhalteposition festzustellen, mit der er nicht den Tisch abräumt oder der Magierin die Nase blutig schlägt.
Den Stab also möglichst angeschrägt, umrundet Yashkir den Tisch langsam und in aller Vorsicht.
Ein Seitenblick gilt dabei den geheimnisvollen Speisen, die die Köchin brachte. Wem sie wohl gehören mögen?
Ein weiteres Blinzeln samt zugehöriger Überlegung zielen auf die Magierin. Soll er sich noch mit einem 'Ich komme gleich wieder' abmelden? So eng sind sie ja nun wahrlich noch nicht miteinander, und wohlmöglich will sich Yashkir nachher an einen anderen Tisch setzen. Auch wenn es nicht sehr wahrscheinlich ist, wenn er sich so die Gäste daran anschaut. Nichts, das seine Gefühle in Wallung bringen und so für ein paar warme Gedanken sorgen könnte.
MO
Abrupt erhebt sich Kysira, greift den Gürtel und zieht ihn mit oft gebrauchten Handgriffen wieder um die Hose. Der Rucksack wird auf den Stuhl gehievt, zum Zeichen dass der Platz keineswegs freigegeben ist, dann greift sie nach dem Mantel, streift ihn locker über und greift nach Stab und Hut.
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Nanu, jetzt erhebt sich auch die Magierin, den Tisch zu verlassen? Schon seltsam! Statt dass jemand kommt, das viele Essen zu sich zu nehmen, wird der Tisch gleich völlig vereinsamt stehen - von jenem Rucksack wohl abgesehen.
Doch Yashkir kann dies letztlich gleich sein. Als er den Tisch umrundet hat und auf die Treppe zuhält, bemerkt er von links den Blick des alten Mannes. Ob der sich wohl erinnert? Vorsichtshalber nickt Yashkir ihm im Vorübergehen zu.
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'Kein Zweifel. Er ist es. Der Herr von gestern abend. Und sein salzwasserbeschädigter Stab. Sieh an, er erinnert sich ebenfalls.' "Efferd zum Gruße", erwidert Sam den Gruß des Vorrübergehenden.
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Noch zweimal nickt Yashkir eilig, dann geht er weiter. Die Praiotin am nächsten Tisch wirkt recht gereizt, aber das wundert ihn wenig bei Vertretern dieses leicht erregbaren Gottes. Ab in friedlichere Gefilde!
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Redaktion und Lektorat: OHH