Ich bin da; warum guckt denn keiner?

Autoren: Oliver H. Herde und andere

OHH

Es mag noch zwei, vielleicht drei Stunden bis zum winterlich frühen Einbruch der Nacht dauern, als ein alter Kastenwagen über die gründlich verschmutzte Reichsstraße rumpelt. Freilich hört man nicht allzu viel davon, dämpfen doch die Nebelschwaden in bestimmter Sanftheit jeden Laut. Auch der durch weitgehend getauten Firn dürchtränkte Boden schluckt ein ums andere Geräusch. Nur hie und da geben weiße Schneefladen dem tristen Grau des Tages einen aufhellenden Flecken.
Das Pferd, welches den offenkundig vielfach reparierten Wagen einherzieht, wird immer langsamer - kein Wunder, hat doch die lenkende Gestalt schon lange kein Lebenszeichen mehr von sich gegeben. Sie sitzt nur bewegungslos und die Zügel sehr locker haltend auf dem Kutschbock, eingehüllt in dunkle Decken und allerlei schwarze Kleidung.
Direkt vor einem bei dieser Witterung sehr einsam wirkenden Gasthaus bleibt das Tier schließlich mitsamt seiner Zuglast stehen. Unter den Stoffen auf dem Kutschbock regt sich jedoch noch immer nichts. Auch sonst kann man momentan nirgends eine Bewegung auf der Straße oder am Hause erkennen. Einzig der Rauch des Kamins zeugt davon, dass die Zeit noch nicht stehengeblieben ist.
Das Rumoren eines anderen Wagens sorgt für erste Regungen im Stoffberg: Zwei blaugraue Augen öffnen sich zwischen den Windungen eines Tuches, dann blinzeln sie und wenden sich hin und her. Ein Zittern beginnt beim unsichtbaren Kinn, breitet sich aber schnell am ganzen Körper des Verhüllten aus.
'Blödes Vieh!' Der Blick wandert zwischen dem Pferde und dem Wirtshaus hin und her. 'Aber recht hast du.'
Es dauert noch ein kleines Weilchen, bevor die Gestalt unendlich langsam unter Ächzen und Schnaufen in Bewegung gerät. Die Glieder sind allesamt steif geworden und so bereitet selbst das Abstreifen der Decken höchste Schmerzen.
Irgendwann befreit, setzt die dennoch kaum verändert verhüllte Gestalt ihre Bewegungssteigerung fort, indem sie sich vorsichtig und noch immer mit Lauten fürchterlicher Anstrengung zum Rande des Kutschbockes schiebt und dort zu Boden herablässt.
Als sie unten steht, kann man zumindest erkennen, dass sie recht hochgewachsen ist. Unter einem schwarzen Ledermantel lugen vage weitere allesamt schwarze Gewandungsteile hervor, auch dicke Fäustlinge. Und selbst der Kopf bleibt verhüllt mit einem Turbantuch, dessen Ende vor dem Gesicht hängt und lediglich einen schmalen Bereich um die Augen frei lässt. Hinten jedoch schimmern hellblonde lange Haare vorwitzig auf der linken Seite unter dem Tuche vor, als wollten sie dem Betrachter irgendein Geheimnis verraten.
Der Mann, der sich soeben direkt vor der Eingangstüre aufhält, scheint noch gar nicht recht bemerkt worden zu sein - oder er wird wissentlich ignoriert.
Vorsichtigt biegt die Gestalt ihren Oberkörper erst nach rechts, dann nach links und stöhnt dabei wie unter schwerster Arbeit. Dann aber hält sie für einen seltsam langen Moment inne. Der Oberkörper wird bedächtig umgedreht, dass die Augen den anderen Mann neben der Türe erspähen können.
Der Blick dauert nicht lang, fast möchte man vermeinen, das Zurückdrehen erfolge ohne Verharren. Die Rechte greift aus dem Umhang hervor hinauf zum Kutschbock und holt einen Stab herunter.
Dann stakst die Gestalt unsicher auf die Eingangstür zu.
Schon nach wenigen Schritten wird das eingepackte Wesen allerdings wiederum langsamer, da sich der Körper erinnert, womit er unlängst aufgrund vollkommener Verkrampfung aufgehört hatte: Mit Zittern. Sogleich beginnt er es wieder, und zudem lässt sich leicht ein Klappern aus Kopfhöhe vernehmen, während der Lederumhüllte die Tavernentürendlich erreicht und seine zitterige Linke danach ausstreckt. Der vermeintliche Magier, der noch immer dort steht, wird wiederum nur mit einem sehr oberflächlichem Seitenblick gesegnet.

RL

Nun folgt der Magus mit den Augen der vorbeigehenden verhüllten Gestalt. Bei deren eigenbrötlerischem Verhalten fällt es ihm aber auch leicht, einen gleichgültigen Gesichtsaudruck zu bewahren.
Ungeachtet dessen, was der oder die andere von ihm denken mag, beginnt er dann mit Bewegungen die Steifheit vom langen Sitzen und der Kälte aus seinen Gliedern zu vertreiben. Er schüttelt die Beine, kreist mit den Armen, geht in die Knie, beugt den Oberkörper nach vorne und zur Seite. Dabei verzeiht er keine Miene, als käme er gar nicht auf die Idee, dass er einen seltsamen, für manchen gar lächerlichen, Anblick bieten könnte.

OHH

Nun bekommt der Magus doch noch einen eingehenderen Seitenblick ab - immerhin mag er fast zwei Sekunden währen. Der Kopf unter dem Turban wird sachte geschüttelt, um den Nacken nicht zu verrenken. Allerdings ist es nicht die Tätigkeit als solche, die den Verschleierten verwundert, sondern vielmehr der Umstand, dass der andere anscheinend die Absicht hat, hier draußen stehen zu bleiben. Nicht so man selbst!
Die Klinke wird betätigt, und eilig verschwindet die lederummantelte Gestalt hinein in den Schankraum, die Türe achtlos hinter sich zufallen lassend.
Ein leises Stöhnen dringt aus dem Schleier, da die trocken-warme Luft und der unterschwellige Rauch des Kamins im ersten Augenblick den Atem stocken lassen. Doch das Frieren lässt sich nicht so schnell einschüchtern! Eilig wird der Stab an die Wand angelehnt, dann der Mantel geöffnet und schwungvoll über den Arm gelegt.
Doch auch darunter scheint der Hochgewachsene noch dick eingepackt, denn unter dem Lederhemde schaut rechts wenigstens ein weiterer Ärmel hervor, unter dem bodenlangen Lederrock auf beiden Seiten drei oder vier Enden von Bändern.
Kurz schweift der Blick unter tief gesenkten buschig blonden Augenbrauen durch den halbdunklen Schankraum. Weitere Gäste sind zu dieser Stunde noch nicht zu entdecken. Nur ein dicklicher Wirt und eine Frau hinter dem Tresen.
`Erstmal schnell ein Zimmer und...' "Ich Idiot, die Koffer!" stößt es männlich heiser aus dem Schleier hervor. "Naja, egal erstmal..."
Der Stab wird geschnappt und beim Selbstsicherheit ausstrahlenden Schreiten zur Theke immer wieder elegant auf den Boden gesetzt. Der Blick streift wieder die Wirtsleute. "Alle Götter zum Gruße... Ich habe draußen Pferd und Wagen zu stehen... Wo könnte ich ersteres unterbringen?"

PD

Siona nickt dem ersten Ankoemmling des Nachmittages freundlich zu und versucht, etwas unter dem dunklen Drumrum zu erkennen. "Travia zum Gruße, am besten im Stall nebenan."

AMi

Brummend und nickend stimmt der Wirt der Magd zu. "Travia zum Gruß!"
Und bevor Alrik seine Leidensmiene vertiefen kann: "Das müsstest du wohl schaffen, aber zieh dich warm an und bleib nicht laenger als unbedingt nötig draußen oder im Stall!"

OHH

Der Blick schweift über die Speisetafel hinter dem Tresen. Ob der Magus wohl nur deshalb draußen stehen blieb, um mit fremder Leute Kastenwagen hinfortzufahren...?
Kurz tasten sich die Augen am Tresen entlang. Diese Frau ist ja wahnsinnig geistreich! Oder muss man aus dieser Bemerkung schließen, dass die Hilfe beim Ausspannen eines Pferdes extra berechnet würde oder gar überhaupt nicht gewährt wird?
Der vielleicht doch eher dicke als dickliche Herr gibt dagegen einen Hoffnungsschimmer. In der Tat nur einen Schimmer. Gehört dieser triefnasige junge Mensch, der soeben niesend aus einem Hinterzimmer hinzutrat, etwa auch zur Belegschaft? Hoffentlich hat er nichts Ansteckendes! Besser, man kommt ihm nicht zu nahe!
"Wenn Ihr vielleicht noch so freundlich sein könntet, anschließend meine beiden Koffer vom Wagen hereinzubringen... Sie sind auch recht leicht." Wiederum huscht der Blick zur Tafel, wo von Preisen für derlei Leistungen nichts gesagt wird.

AMö

"Ja, Herr Tesden", krächzt Alrik ein wenig heiser. Und zu dem Schwarzen gewandt: "Ich komme gleich."
Flugs veschwindet der Knecht hinter der Kammertür und erscheint kurze Zeit später in eine die Wolljacke gehüllt und mit einer Wollmütze auf dem Kopf wieder beim Tresen. Ohne viel Federlesen verlässt er sodann den Eber durch die Vordertür.

CU

Aylin tritt mit einem freundlich grüßenden "Travia zum Gruße!" an die Theke und wartet, bis der Schwarzgekleidete seine Wünsche an den Wirt gebracht hat, um dann ihrerseits ihre Bestellung aufzugeben.
Während sie noch auf die Aufmerksamkeit des Wirtes wartet, schiebt sie ihre Kapuze zurück. Darunter kommt ein junges, eindeutig weibliches Gesicht zum Vorschein. Die langen, braunen Haare sind hinten zu einem dicken Zopf geflochten und nur neben den Ohren hängen einige vorwitzige Stränen wirr aus dem ansonsten ordentlich geflochtenen Zopf heraus.

OHH

Da sich der Knecht so rechtschaffen beeilt, wird er wohl noch wenigstens bis zur Beendigung dieses Ganges überleben, wie erfreulich!
Die Umstehenden anscheinend wieder ignorierend, beugt sich der Verschleierte vor und verschmälert seine Augenschlitze, um die Speisetafel nun eingehender zu studieren - insbesondere die Preise. Kurz erhält noch die Magd einen Seitenblick, der auf die neu hinzugetretene junge Frau hingegen währt deutlich sehr viel länger. Doch wendet sich der Turbanträger ihr nicht mit der kleinsten Bewegung zu, ist sie doch mit dem Wirte beschäftigt, der sich nun um sie kümmert. So fahren die Augen einstweilen wieder gemächlich über die Liste, und nur zwischendurch einmal wird der hochgewachsene Körper von einem Schaudern durchzuckt.

PD

"Was darf`s sein?" fragt Siona den Fremden, nachdem dieser immer wieder auf die Speisetafel starrt. Vermutlich kann er nicht lesen.

OHH

"Hmmmm..."
Ungesprächig starrt der Vermummte weiter auf die Tafel. Der Tee scheint kürzlich eine Verteuerung erfahren zu haben, wie man aus dem neu eingebrannten Preis neben dem durchgestrichenen alten schließen muss. Dennoch ist er offenbar noch immer das preiswerteste nichtalkoholische Getränk hier. Oder ob man gänzlich auf etwas zu Trinken verzichten sollte? Manche Speisen enthalten ja im Grunde hinreichend Flüssigkeit. Zumal man in diesem Lande ja nun wirklich nicht annähernd so austrocknet wie in der Khom. Der Eintopf dürfte den besten Kompromiss zwischen Sättigung und Kostengünstigkeit darstellen.
"Einen Hühnertopf, gute Frau, sowie ein Bett" - der Blick flackert über die untersten Zeilen der Tafel - "im Schlafsaal, bitteschön." Gar so riesig wird der schon nicht sein in diesem kleinen Hause.

PD

"Einmal Hühnereintopf und Schlafsaal, sehr wohl", bestätigt Siona den seltsamen Verhüllten und zieht auch schon die Schublade mit den Schlüsseln auf, um darin zu kramen. Anscheinend kann er doch lesen.

AMö

Schniefend erreicht Alrik die Theke. "Wohin mit den Kisten?" fragt Alrik den Auftraggeber.

OHH

Nachdem die Tafel nun nicht weiter von Interesse ist, schweifen die Augen wieder umher, die zahlreicher werdenden anderen Personen vor und hinter der Theke nur sehr am Rande beachtend. Hier und dort krallen sie sich fest, mal an einem Gefäß, mal an der nackten Wand oder an irgendeinem Kleidungsstück.
Ein recht erkältetes Nasengeräusch lenkt des Vermummten Aufmerksamkeit auf den bereits zurückgekehrten Knecht. "Ah, das ging flott! Kisten? Nur die beiden Koffer, Junge. Ich nehme sie wohl mit an den Tisch..."
Ja, welchen eigentlich? Er schaut sich um, den Knecht scheinbar schon wieder vergessen habend.

PD

Siona zieht einen der Schlüssel heraus aus der Schublade und schließt selbige wieder. Während der Verhüllte sich im Schankraum umsieht und mit Alrik über Kisten redet, nimmt sie einen der vorhin eingeräumten Becher, um diesen mit Würzwein zu füllen.

AMö

Die Koffer immer noch unter dem Arm würde Alrik wohl geduldig auf die Entscheidung des Gastes warten, allein ein aufsteigender Hustenreiz zwingt ihn mehr oder weniger dazu, seine Last abzustellen. "Hrch...hrch...hrch..."

OHH

Die eklen Laute des Knechtes lassen sich den Turbanträger wieder jenem zuwenden. Der wird doch nicht von dieser vermaledeiten Seuche eingefangen worden sein!?
Die hellen Augenbrauen ziehen sich kritisch zusammen, während der Hochgewachsene den Knecht mustert und nebenbei die Fäustlinge auszieht. Unter letzteren kommen fein gewobene Fingerhandschuhe wie die von einer Dame oder eines Liebfelder Gecken zum Vorschein - wie offenbar jedes andere Kleidungsstück dieses Mannes wiederum in Schwarz.
"Gib schon her, bevor du über ihnen zusammenbrichst!" `Und wohlmöglich sie oder den Inhalt beschädigst...' Allerdings verrät die gesamte Körperhaltung, dass der Mann mit dem Lederrock nicht näher an den Siechenden herankommen möchte.

AMö

Nur zu gern kommt Alrik der Aufforderung des Turbanträgers nach und händigt diesem die Koffer aus. Anschließend drückt er sich ein wenig in den Hintergrund, in der Hoffnung, von den Gästen und Tesden übersehen zu werden.

OHH

Erst werden die Fäustlinge in die Gürtelschärpe gesteckt, dann die Koffer angenommen. Mit ihnen in den Händen, blickt der Verhüllte wieder durch den Schankraum. Besser nicht zu dicht an den Kamin, sonst ist man bald auf einer Seite aufgehitzt, während die andere noch friert. Auch nicht neben die Tür, da zieht es bestimmt! Vielleicht den großen Tisch? Dort mag die Möglichkeit auf interessante Gesprächspartner oder noch besser Gesprächspartnerinnen am größten sein. Aber zu viele Leute auf einmal sind auch nicht das Wahre.
So bricht der Mann mit den Koffern zum hintersten Tisch in der Taverne auf. Kann er auch ahnen, dass die Magd ihm noch einen Schlüssel geben will!?
Den Mantel über dem linken Arm, den leichteren Koffer darunter, den Stab in der Hand und den anderen Koffer in der Rechte, so gelangt der auch ohne all diese Gepäck allein durch die Kleidung am Leibe schwer Beladene an den Ecktisch, den er sich erwählt hat. Und dortens erwählt er sich auch den Eckplatz. Zum einen kann man so alles im Auge behalten, wenn bei diesem Schummerlicht auch nicht gerade viel zu erkennen ist. Zum anderen ist die Ecke des Schankraumes geeignet, Stab wie Koffer aufzunehmen. Einen Platz damit vor anderen zu blockieren, fällt dem Verschleierten nicht ein, weiß er doch nicht, wie voll es noch werden mag.
Sorgsam wird der Umhang gefaltet und auf die Koffer gelegt, dann gleitet die Gestalt mit einem erleichterten Ächzen auf den ausgesuchten Stuhl nieder und lässt ermattet die Hände baumeln.
Doch schon bald schweifen die Augen wieder durch den Schankraum, als suchten sie etwas. Sehr viel können sie nicht erkennen, sind die meisten Leute doch noch immer am entfernten Tresen zugange. Ein unübersichtliches Bild mit vielen dunkel Gewandeten, bei denen man selten viel mehr als das Geschlecht feststellen kann. Niemand dort scheint eingehendere Aufmerksamkeit zu erwecken, denn der Blick zieht weiter, die Einrichtung des Schankraumes abzutasten.
Säulen und Deckengebälk wissen die Aufmerksamkeit nur kurz zu halten. Interessanter, weil ungewöhnlicher erscheinen die höchst unterschiedlichen Wandbehänge zu sein. Ist das dort zum Beispiel etwa ein novadischer Gebetsteppich? Man müsste wohl aufstehen, um dies sicher festzustellen. Letztlich ist es nicht weiter wichtig. Der Verhüllte macht nur einen kleinen Hüpfer, um die Rockfalte, auf der er sitzt, zu beseitigen.
Eine Person löst sich aus dem Auflauf an der Theke und kommt direkt auf den Tisch zu. Sollte dies etwa schon der Eintopf sein?
In der Tat, es muss wohl die Köchin selbstpersönlich sein, die ihm hier sein Mahl bringt, hat sie doch einen Holzlöffel zum Umrühren an ihrer Schürze hängen. Geduldig, aufmerksam, reglos in aufrechter Haltung, erwartet der Vermummte die Frau, der bei diesem Anblick doch etwas unbehaglich wird.
So ganz in Schwarz, das Gesicht versteckt... Zweifellos stammt dieser Mann - so es einer ist - aus dem Osten oder Süden, wo sich Sarina nicht wirklich auskennt. Diese Leute sind ihr alle etwas suspekt; wohl lediglich Exoten wie Mohas, Nivesen und ganz besonders Elfen könnten diesen Kerl dort am Ecktisch an Wunderlichkeit überbieten. Vorsichtshalber - sozusagen zum eigenen Schutz wie auch zur Prüfung dieses Gastes - stellt sie den Eintopf vor ihn mit den Worten: "Einen traviagesegneten Appetit!"
Für einen Moment scheint die Zeit am Tisch zu gefrieren. Sucht er nach einem Ausweg, seine finsteren Absichten vor ihr und der Göttin zu verbergen? Hat ihn dieser göttliche Angriff gar versteinert? Oder bildet sie sich die länge der folgenden Pause nur ein? Immerhin, so stellt sie fest, hat sie genug Muße, darüber nachzudenken und gar zu schlucken.
Dann endlich atmet die Gestalt, richtet ihren Rumpf auf, der irgendwann seit Sarinas Herantreten an den Tisch ein unmerkliches Maß zusammengesunken sein muss, und erwidert mit eindeutig männlicher und ungewöhnlich ruhiger Stimme: "Travias Dank, Frau Köchin!"
Etwas beruhigt, eilt sie nach einem Nicken wieder von dannen.
Der Gast derweil schaut ernst auf den Eintopf, als stimme etwas damit nicht. Auch unternimmt er keine Anstalten, den mitgebrachten Löffel zu ergreifen und sein Mahl zu beginnen. Statt dessen schaut er wieder auf und blickt sich um. Die eben eingetretene und sich so betont zur Rechten versteckt haltende Frau interessiert ihn nicht weiter; das Gewimmel an der Theke nimmt eher zu als ab.
So fällt der Blick wieder auf die junge Frau von vorhin, die nun wohl einen Platz sucht. Wiederum ohne erkennbare Regung betrachtet er sie.
Abrupt bleibt die Köchin stehen und schaut auf das längliche kleine Ding mit dem Lederanhänger in ihrer Linken. Kopfschüttelnd kehrt sie sogleich wieder um, was die Aufmerksamkeit des vermummten Gastes auf sie zurücklenkt.
"Verzeiht, ich vergaß, Euch den Schlüssel zu Eurer Truhe im Schlafsaal zu überreichen. Der Raum liegt die Treppe hinauf am Ende des Ganges hinter dem Vorhang. Es ist" - sie schaut kurz auf die ins Lederband eingebrannte Zahl - "das Bett geradezu, direkt hinter der Säule."
Nach zweimaligem Blinzeln erwidert der Gast mir warmer, beruhigender Stimme: "Ich danke Euch!" Auch die Augen blicken so freundlich, wie es gar nicht zu seiner Aufmachung zu passen scheint.
Verunsichert dreht sich die Frau wieder vom Tische ab, um nun wirklich den Tresen anzusteuern. Die Augen derweil folgen ihr und beobachten jedes Detail ihrer mit jedem Schritte kraftvoller wirkenden Bewegungen.
Erst, als die Köchin die Theke erreicht und in der kleinen Menschenmenge untertaucht, wendet der Verschleierte seinen Blick wieder auf den Eintopf. Er legt den Kopf schief, dann den Schlüssel auf den Tisch. In aller Ruhe beginnt er, an den Fingern seiner seidigweichen Handschuhe zu zupfen, um sie auszuziehen.
Den linken zieht er sich gerade von der Hand, als wieder einmal die Tür geht. Noch eine Frau mit Stab! So langsam fällt es doch ein wenig auf.
Aber diese Erkenntnis beschäftigt den Verhüllten nicht lange. Er erwidert das beiläufige Nicken der vermutlichen Magierin in gleicher Weise. Während er den zweiten Handschuh zum Abstreifen vorbereitet, beobachtet er sie wie eine Schaustellerin. Die Haarnadeln lassen ihn die Brauen fast ein wenig gequält zusammenziehen. Wie leicht man sich beim Streicheln und Wuscheln an sowas kratzen oder gar ernstlich verletzen kann!
Mag die Betrachtete auch das bislang netteste Gesicht in diesem Hause mit sich herumtragen, will der Vermummte doch keinen aufdringlichen Eindruck machen und wendet sich wieder voll dem rechten Handschuh zu. Nichtsdestotrotz bemerkt er aus den Augenwinkeln etwas enttäuscht, dass er sich doch an den großen Tisch hätte setzen sollen. Zwei Damen sind zweifellos besser als keine!
Um nicht alles auf dem Tisch herumliegen lassen zu müssen, zieht der Verscheierte schließlich den etwas größeren seiner beiden Koffer heran und öffnet ihn. Jener erweist sich als nicht recht voll, weswegen die vielen kleinen Dinge darin ziemlich durcheinandergepurzelt sind: Undefinierbare Stoff- und Lederstücke, kleine bunte Bälle, eine Peitsche und allerlei Alltagsreisebedarf könnten auf einen oberflächlichen Blick hin erkannt werden. Die beiden Handschuhpaare vom Tisch und aus der Schärpe werden mitsamt dem Truhenschlüssel eigentümlich sorgsam hineingeworfen, dann landet der Koffer wieder neben dem anderen.
Anschließend wird wieder kurz auf den Eintopf geschaut, dann dieser umgerührt. Neue kleine Dampfwölkchen steigen im Rührrhythmus auf, als wolle ein zwergenhafter Gebirgsmoha seiner Familie mit Rauchzeichen Bescheid geben, dass er später zum Essen kommt.
Nach einem Weilchen schiebt der Vermummte die Schüssel ein paar Handbreit von sich weg. Wie zur Kontrolle legt er die Linke auf die zurückbleibende warme Stelle des Tisches.
Wieder schweift der Blick ab, gibt es doch auf dem eigenen Tisch nichts zu sehen. Dafür wird sich an der Türe bewegt. Zwei neue Gäste, die jedoch die Aufmerksamkeit des Verschleierten nicht lange zu fesseln vermögen. Männer müssten schon etwas ungewöhnliches an sich haben, um länger betrachtet zu werden.
So tasten sich die Augen wiederum die Wände entlang, nicht bemerkend, dass sie einen der beiden Neuankömmlinge unlängst schauten. Wieder bleiben sie hängen am großen Tisch, an dem sich nun nicht mehr nur zwei weibliche Gäste befinden, sondern auch die forsche Köchin.
Ein Geräusch oder eine Bewegung lenken den Blick zur Theke. Die ältere Frau, die eben noch an der Wand entlangschlich, klopft nun über den Tresen hinweg mit ihrem Stabe gegen die Speisekarte! Das scheint ja ein verschrobenes altes Weib zu sein! Kopfschüttelnd schaut der vermummte wieder auf seinen Eintopf, den er zu sich auf die inzwischen erkaltete Stelle zurückzieht.
Wie eben schon nahe der Türe fällt wieder etwas, diesmal jedoch leise und direkt hinter dem Verschleierten. Er wendet sich danach um; sein Mantel ist von den Koffern heruntergerutscht. Kurz überlegt er, ob er ihn einfach über eines dieser teilweise doch sehr hässlichen Wandschmuckstücke hängen soll. Oder doch über einen Stuhl? Man könnte so unliebsame Tischnachbarn fernhalten und den Mantel schnell beiseitenehmen, wenn jemand Interessantes auftaucht. Andererseits doch eine recht anstrengende Möglichkeit.
Der Vermummte erhebt sich, nimmt den Mantel auf und schüttelt ihn kurz, doch heftig aus.
Einer der Wandbehänge wackelt. Irgendsoein nordvölkischer Kriegshelm. Offenbar ist der Umgang dagegengestoßen. Ernst, fast drohend schauen die graublauen Augen des Vermummten zu, wie sich der Kopfschutz wieder beruhigt.
Dann faltet der Mann das riesige Lederstück sorgsam zusammen, einmal, zweimal, dreimal... bis es säuberlich über die Koffer gelegt werden kann. Vor dem Setzen zieht er die Falten seines Überrockes nach vorne, um sie nicht wieder unter dem Hintern zu spüren, dann schwingt er sich wie ien junges Mädchen nieder und lehnt sich zurück, mit den Blick unbewusst den freien Nacken unter den hochgesteckten Haaren der Magierin am Nachbartische kitzelnd.
Ein Krachen lässt den Körper des Verhüllten aufzucken und den Blick zerrüttet gen Türe wenden. Durch die Gäste und die Köchin am Nachbartisch ist die Sicht teils verstellt, nicht jedoch das Gehör, welches gleich unter einem noch größeren Lärm aus dieser Richtung erleidet. Was sind das nur für zwei unvergleichliche Tölpel, die da in den Schankraum hineingestürzt sind!? Oder sollte das alles nur eine Schau sein? Ein Ablenkungsmanöver vielleicht? Oder ein Gaukelstück?
Der Hals wird etwas gereckt, der bis eben leicht gebeugte Rücken gerade aufgerichtet, dass die vermummte Gestalt fast zwei Handbreit zu wachsen scheint.
Doch so sehr er auch die Augen zusammenkneift, der Sinn des Krawalls will sich dem Verschleierten nicht erschließen - ebensowenig wie Details des Treibens überhaupt. Als der eine Mann aus unerfindlichem Grunde zum Kamin stürzt - vermutlich hat er es besonders eilig, sich aufzutauen - bleibt der andere etwas besser beobachtbar zurück. Leider hält er bisweilen einen riesenhaften runden Gegenstand vor sich, doch lässt sich bald mehr von seiner Gewandung erkennen. Schwarz mit etwas gelb; eine ansprechende Farbgebung. Der Schnitt jedoch, der Schnitt...
Überlegend führt der stumme Betrachter den linken Zeigefinger längs des verborgenen Mundes und streicht die Lippen sanft durch das Tuch hindurch.

Weiter...


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Redaktion und Lektorat: OHH 2001