Autoren: Antje Michael und Stefan Unteregger

AMi

Arm in Arm und gemessenen Schrittes entfernen sich der Söldner und die Tulamidin vom Brunnen; bald schon sind sie außer Sichtweite der anderen und verlangsamen ihr Tempo, ist doch der Boden im Licht der schmalen Mondsichel mehr zu erahnen und zu spüren als zu sehen.
Yshijas Atem geht langsam und gleichmäßig. Die vergangenen Anstrengungen sind süßer Erschöpfung gewichen, ihre Aufregung über die Neuigkeiten des Rondra-Geweihten froher Zuversicht, und so sind all ihre Sinne auf die Umgebung konzentriert, und auf den Mann, der sie begleitet. Entspannt und zufrieden lässt sie sich von Gwydon leiten und lehnt sich dabei leicht an ihn, jedoch ohne dass seine Lederrüstung die bloßen Stellen ihres Oberkörpers drücken oder schrammen könnte.
Einige Augenblicke gehen beide so, schweigend, ein jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, doch ist die Stille zwischen ihnen nicht unangenehm, sondern erfüllt von den erschreckenden, verwirrenden und faszinierenden Geräuschen des nächtlichen Waldes, dem sie sich nähern. Als sie seinen Rand erreichen, folgen sie ihm ein wenig gen Westen, bis Yshija plötzlich anhält und den Söldner wortlos lächelnd anblickt. Auf einem sanften, von niedrigen Gräsern bewachsenen und von hochgewachsenen Sträuchern umstandenen Hang liegt ein moosbewachsener Stamm.
Die Tänzerin löst sich aus Gwydons Umarmung und setzt sich, den Stamm als Rückenlehne nutzend. Sie streckt sich und massiert sich kurz ihre Füße, die dunklen Augen unverwandt auf den Söldner gerichtet: fragend, neugierig, auffordernd.

SU

Mit einem Lächeln kniet Gwydon vor Yshija nieder, schiebt sanft, aber bestimmt ihre Hände zur Seite und beginnt seinerseits, die Füße der Tänzerin zu massieren. Die Berührung seiner Hände ist erstaunlich behutsam, und die Handflächen des Zerschlissenen weisen weit weniger Schwielen auf, als man vermuten könnte. Der Blick des Söldners wandert von den zierlichen Zehen der Tulamidin aufwärts, gleitet über ihren Leib, um schließlich an ihren grünen Augen haften zu bleiben.
Wieder einmal räuspert sich der Söldner, dann beginnt er zu sprechen: "Du hast mir viel von dir gezeigt, Tochter des Südens. Was kann ich dir von mir erzählen?"

AMi

Die Tulamidin seufzt wohlig und lehnt sich entspannt zurück, als der Söldner ihre Füße massiert. Für einen kurzen Moment scheint es, als begänne sie, in Borons Armen zu versinken und würde in Kürze die Augen bis zum nächsten Tage schliessen, als Gwydons Blick den ihren findet und ihn an sich fesselt.
Bedächtig antwortet sie auf seine Frage: "Erzählen, Gwydon? - Nichts, das Du mir nicht genauso gut zeigen könntest."

SU

Gerade beginnt Gwydon, sich in die Richtung von Yshijas Unterschenkel hochzuarbeiten, da unterbricht ihn die samtweiche Stimme der Tulamidin:
"Erzählen, Gwydon? - Nichts, das Du mir nicht genauso gut zeigen könntest."
Der Söldner hält immer noch die Augen der Tänzerin mit den seinen fest, doch seine Hände lösen sich von ihrem Fuß. Wieder einmal ersetzt ein schelmisches Grinsen das Lächeln auf den Lippen des abgerissenen Mannes, als er beginnt, seine Hände in komplizierten, kaum merklichen Gesten zu bewegen:
Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand schlagen zweimal gegeneinander, für einen Moment schließt sich die Hand zur Faust, nur, um sofort danach zum Mund bewegt zu werden. Während der kleine Finger der Rechten die Oberlippe berührt, winken die Finger der linken Hand einmal waagerecht, der linke Zeigefinger deutet einen halben Herzschlag lang auf die Tänzerin, dann richtet sich die linke Handfläche mit gestreckten Fingern nach oben.
(Atak: "Deuten statt sprechen? Wie Du willst!")
Doch schon arbeiten Gwydons Finger geschickt und ohne Unterlaß weiter - diesmal an der Schliesse seines Waffengurtes. Der Söldner nimmt den lästigen Schwertgürtel ab, bemerkt bei dieser Gelegenheit erst, dass der Lederlappen, der die auffällige Parierstange verborgen hatte, verrutscht ist, runzelt kurz die Stirn, wirft dann aber den Gurt mitsamt Scheide und Schwert achtlos ins Gras. Kaum, dass die hinderliche Waffe aus dem Weg ist, beugt sich Gwydon wieder zu Yshijas Füßen nieder, und langsam, tastend und zärtlich bewegen sich seine Hände Yshijas Wade entlang, zeigen, dass sich die Geschicklichkeit seiner Finger nicht auf das Deuten beschränkt.

AMi

Die Tulamidin schaut bei den Gesten, die Gwydon mit seinen Händen in der Luft vollführt, einen Moment lang überrascht und leicht verwirrt; dann bilden sich, zusammen mit ihrem Lächeln, kleine Grübchen auf ihren Wangen, als sie zweimal kurz ihren Kopf schüttelt, entschuldigend, aber bestimmt.
Yshija atmet tief ein und entspannt sich, als sie die Berührung seiner Hände wieder spürt. Der Blick ihrer dunklen Augen ruht unverwandt auf ihm, als sie ein wenig vom Baum wegrutscht und sich ihm so nähert.

SU

Auf das Kopfschütteln der Tulamidin hin verneigt sich Gwydon leicht, wie um anzudeuten, dass ihr Wunsch ihm Befehl sei. Kein Wort kommt über seine Lippen, während seine Hände ihre Liebkosungen fortsetzen.
Als Yshija sich vom Baumstamm löst, um sich dem Söldner zu nähern, erhebt sich dieser halb aus seiner knieenden Position. Seine linke Hand legt sich auf die Schulter der Tänzerin, hält sie sanft, aber bestimmt auf. Mit einem entschuldigenden Lächeln deutet Gwydon mit der rechten Hand auf seine staubige und zerschlissene Lederrüstung, und schon beginnt er, die Schnallen der Rüstung zu öffnen.
Gwydon streift den tausendfach geflickten Harnisch ab, der ihm wie eine zweite Haut zu passen scheint. Hier und da glitzert ein Eisenstreifen zwischen zwei Lederflicken, werden Verstärkungen sichtbar, die von außen in dem scheinbar wirren Flickwerk verborgen waren.
Unter der Rüstung kommen zwei verborgene Beutel zum Vorschein, die an der rechten Körperseite befestigt sind. Ein Klimpern ist zu hören, als der Söldner die Beutel abnimmt und achtlos zur Seite wirft.
Gwydons Unterkleidung hat zwar offenbar auch schon bessere Tage gesehen, ist aber in weit besserem Zustand, als sein zerschlissener Anblick es vermuten ließe. Das Leinenhemd ist grob und einfach geschnitten, aber so sauber, wie es nach einem eintägigen Fußmarsch nur sein kann.
Wieder sucht der Blick des Söldners den der Tulamidin, sein Mund öffnet sich, als wollte er etwas sagen, schließt sich aber sogleich wieder. Gwydon zieht die Tänzerin an sich heran, läßt sich gleichzeitig in das weiche Gras sinken. Seine kräftigen Arme umfassen Yshija, halten sie behutsam fest, wie eine zerbrechliche Puppe aus tulamidischem Porzellan.

AMi

Die Tulamidin stoppt in ihrer Bewegung, als sie die Hand des Söldners auf ihrer Schulter spürt. Gespannt wartet sie ab, ihre Augen sind trotz der mondbeschienen Dunkelheit, die entfernte Einzelheiten kaum erkennen läßt, nur auf ihn gerichtet, folgen aufmerksam und wach jeder seiner geschmeidigen Bewegungen, jedem seiner geübten Handgriffe.
Als Gwydon sich seiner Rüstung entledigt hat und sich über die Tulamidin beugt, kann er plötzlich ihren Duft wahrnehmen, blumig und sinnverwirrend steigt er ihm in die Nase. Trotz seiner Vorsicht erklingen Töne, als er sie umfaßt und zu Boden legt, ein leises Tschingeln, sanft und nachdrücklich, wie das Strahlen in Yshijas Antlitz. Doch nicht überderisch wie bei ihren Tänzen sind die Töne, sondern stammen von ihrem Schmuck. Das leise Klirren von Ketten,
Armreifen und hellen Glöckchen vereinigt sich zu einem zarten, frohen Durcheinander, als würden Blütenfeen zu einem Fest aufspielen.
Die Tänzerin legt ihren rechten Arm hinter seinen Rücken. Fast scheint sie, seine Bewegungen vorauszuahnen, als sie sich sanft an ihn schmiegt.
Mit dem Zeigefinger ihrer linken Hand streichelt sie zärtlich über den kräftigen Oberarm des Söldners, ihr Blick hält noch immer an seinem fest, als er den ihren sucht. Sie hebt ihren Kopf an, seinem Gesicht entgegen. Warmer Atem trifft Gwydons Nase, seine Wange, seinen Mund.
"Nun? Was wolltest Du sagen, dass Du mir nicht ebensogut zeigen kannst, Sucher meiner Selbst?" erklingt flüsternd ihre Stimme.

SU

Gwydon atmet tief ein, genießt den Zauber des Augenblicks, den exotischen Duft der Tulamidin und das helle, feenhafte Klingeln ihres Schmuckes. Seine Hand streicht über den Rücken der Tänzerin nach oben; tastende Finger, sacht wie Katzenpfoten, massieren ihre Schultern, liebkosen ihren Hals, spielen mit den Strähnchen ihres Haares. Als sich das Gesicht Yshijas dem seinen nähert, setzt Gwydon wieder zum Sprechen an, doch wieder hält er inne, noch ehe ein Wort über seine Lippen gekommen ist. Was könnte er schon sagen, in einem solchen Moment?
Der Söldner beugt sich über Yshija, antwortet ihr auf die einzige Weise, die ihm angemessen scheint: kein blumiges Gerede, keine tulamidischen Redensarten können auch nur im mindesten wiedergeben, was in seinem Kopf vorgeht. Der Kuß, zu dem der Albernier ansetzt, ist zuerst fast zaghaft, fragend, tastend, wartet gleichsam auf die Reaktion der Tänzerin, doch dann, als diese keine Anstalten zeigt, sich von ihm zu lösen, wird er leidenschaftlicher, wenn auch niemals fordernd oder drängend.
Eine Ewigkeit scheint zu verstreichen, während Lippen an Lippen haften, zwei Herzen wie eines schlagen. Als der wundersame Moment schließlich vergangen ist und die Augen des Söldners wieder in die moosgrünen Tiefen von Yshijas Blick eintauchen, scheint Gwydons Zunge ihm wiederum den Dienst zu versagen, wiederum bringt er kein Wort heraus.
Starke Arme umfassen die Tulamidin, halten sie sanft und sicher - aber wer könnte in diesem Moment sagen, ob Gwydon SIE oder SICH festhält?

AMi

Auch die Tulamidin atmet tief und bewußt. Stets im gemeinsamen Takt senken und heben sich ihre Schultern und ihr Oberkörper, ruhig und gemessen zunächst, doch wie auf ein unhörbares Zeichen hin langsam und allmählich schneller werdend.
Unhörbar? Vielleicht. Unsichtbar? Gewiß nicht, zumindest für die Augen der Tulamidin.
Yshijas Blick verweilt bei dem seinen; ihre Augen schließt sie erst, als sie die erste, zaghafte Berührung seiner Lippen auf den ihren wahrnimmt. Einige Herzschläge lang erspürt sie Gwydons lautlose Frage, sein Sehnen, dann antwortet sie ihm. Süß, verheissungsvoll und voll erwachender Leidenschaft erwidert sie seinen Kuß, lebendig und ungezwungen wie eine junge Shadif-Stute, dabei beruhigend und erfrischend wie ein milder Mittsommerregen, die sich beide ihren Weg zwar hartnäckig suchen, doch niemals erzwingen würden.
Als der Söldner sich nach einigen Augenblicken von ihr löst und ihr wieder ins Antlitz blickt, lächelt die Tänzerin wortlos. In dem Funkeln ihrer Augen, verbirgt sich dort ein Versprechen? Wenn ja, wem mag es gelten: dem Söldner, der Tänzerin selbst oder gar der schönen Göttin in Alveran?
Noch bevor Gwydon Gelegenheit hat, ihren Blick näher zu erkunden, sucht sich Yshijas linke Hand ihren Weg über seinen Arm bis zu seinem Nacken. Mit sanftem Druck zieht sie seinen Kopf herunter und beugt sich gleichzeitig vor, so dass sie seinen Nacken mit ihren Lippen liebkosen kann. Zärtlich gleitet ihr Mund aufwärts, an seinem Ohr vorbei bis zu seinen Lippen. Weniger zurückhaltend als zuvor ist ihr erneutes Aufeinandertreffen; wie Blitz und Donner begegnen sie sich und finden zueinander.

SU

Kein Wort zerreißt mehr das Netz aus Traum und Wirklichkeit, das sich um die zwei Liebenden im Gras zu weben beginnt. Und was sollen Zungen auch unnütz Worte formen, wenn Seelen zueinander sprechen? Es gibt nichts mehr zu sagen, was man nicht auch zeigen könnte. Wie der Klang silbriger Glocken scheint die Stimme der Tänzerin in Gwydons Geist aufzutauchen, eine Erinnerung, ein Echo - doch was zählt, ist das Jetzt!
Ein Versprechen ist in den Augen der Tulamidin zu lesen, und selbst wenn der Söldner kaum bewußt darüber nachdenkt, so wird er doch von seiner Seite her dazu beitragen, dass dieses Versprechen sich erfüllt.
Als die zwei Körper zum zweitenmal zueinander streben - diesmal ist es Yshija, die den Moment wählt, ist sie es, die diesen Tanz anführt - beginnt Gwydons Hand, den Leib der Tänzerin zu erforschen, tastend und zärtlich. Geschickte Finger spüren nach den wenigen Bändern, die Yshijas Kleidung zusammenhalten, lösen vorsichtig die Schleifen.
Wie fließender Nebel gleitet das Gewand der Tulamidin zur Seite, sinkt, sacht wie Rosenblätter, auf das weiche Gras. Ein hauchdünner Schleier aus Seide, zart und schön, und doch gleichzeitig so stark wie kaum ein anderes Gewebe, fällt neben seiner Besitzerin zu Boden. Wer vermag zu sagen, wieviele Herzschläge vergehen, bis sich ein zweites Kleidungsstück dazugesellt: ein Hemd aus Leinen, auf den ersten Blick grob, einfach, und mehrmals geflickt, aber doch von besserer Machart und sauberer, als man es vielleicht erwarten würde.
Und die schmale Sichel des Madamals zieht unbeirrt über den nächtlichen Himmel, auch wenn für die beiden Liebenden die Zeit still zu stehen scheint.


SU

Eine Ewigkeit scheint vergangen zu sein - oder war es nur ein flüchtiger Augenblick? Den Blick zu den Sternen gerichtet liegt Gwydon im weichen Gras, und in seinem Geist kreisen Bilder, Erinnerungen und Träume. Kaum wagt er, zu atmen, so, als könnte er dadurch die Magie des Augenblicks für immer vertreiben.
Ein Frösteln geht durch die massive Gestalt des Söldners. Bei Firuns Bart, langsam wird es kühl hier draußen! Gwydon wirft einen Blick auf die Tulamidin: zusammengerollt wie ein Kätzchen liegt sie dicht an ihn gekuschelt da. Schläft sie? Schwer zu sagen.
Vorsichtig, Stück für Stück, beginnt der Albernier, sich von Yshija zu lösen. Lautlos steht er auf, sieht sich suchend um. Ein, zwei Schritt entfernt liegen seine Kleider. Mit seiner katzenhaften Art nähert sich Gwydon den zusammengeknüllten Gewändern, dabei immer wieder in Richtung der Tänzerin blickend, ohne ein Geräusch zu verursachen. Er schnappt sich Hose und Hemd, breitet das letztere über die Tulamidin und schleicht dann ein paar Schritte von dannen.
In sicherer Entfernung schlüpft der Söldner in sein Beinkleid, sieht sich noch einmal nach der Schlafenden um und verschwindet in die Dunkelheit in Richtung des Wirtshauses.

AMi

Der Söldner ist schon einige Augenblicke gegangen, als auch in die Tulamidin Bewegung kommt. Wohlig seufzend dreht sie sich um, derweil ihre schlanke Hand suchend über das weiche Gras tastet, doch nicht findet, was sie erwartet. Schläfrig öffnet Yshija die Augen. Lächeln beherrscht ihren Blick, voll des zufriedenen Glücks und des neugierigen Staunens.
Sie dreht sich auf den Rücken und sieht sich um. Nirgendwo ein Hauch des Söldners. Kein Hauch? Doch, hier, ganz dicht bei ihr.
Die Tulamidin versenkt ihren Kopf in den Stoff, der sie bedeckt, und atmet tief ein. Er würde wiederkommen.
Sie dreht sich wieder auf die Seite und kuschelt sich unter Gwydons Hemd zusammen. Eingedenk an die vergangene Nacht, deren Gefühle und Bilder ihr noch stets präsent sind, läßt sie sich weitertreiben zwischen Wachen und Schlafen.

SU

Ein Schatten huscht in der Dunkelheit auf das Wirtshaus zu, nähert sich lautlos der Stallseite des Hauses. Zielstrebig bewegt sich die Gestalt auf die nordwestliche Ecke des Gebäudes zu, wo ein unförmiges, gut einen Schritt großes Bündel lehnt.
Ein erleichtertes Seufzen entschlüpft dem Söldner, als er feststellt, dass sein vergessener Rucksack tatsächlich noch dort auf ihn wartet, wo er ihn vor einigen Stunden 'nur für einen Moment' abgestellt hatte. Gwydon wirft einen kurzen Blick in Richtung des Unterstandes, von wo Schnarchgeräusche dringen, dann greift er nach dem schweren Lederrucksack.
Plötzlich geht ein Zittern durch den Körper des Söldners, seine Augen weiten sich in ungläubigem Erstaunen, als Gefühle, deren Herkunft er nicht erahnen kann, auf ihn einströmen und sich in seinem Geist mit der Erinnerung an die letzten Stunden vermischen. Bilder tauchen vor seinem
geistigen Auge auf - Produkte seiner Einbildung oder Visionen, die ihm die Schöne Göttin selbst schickt? Gwdon geht langsam in die Knie, schließt, über seinen Rucksack gebeugt, die Augen, während sich das Gefühl, das in seinem Herzen brennt, immer mehr steigert.
Mit einem Ruck richtet sich der Albernier auf, ergreift sein Gepäck und schlingt es sich über die rechte Schulter. Seine ersten Schritte sind unsicher, fast taumelnd, doch dann reißt er sich offenbar zusammen. So gut es unter der Last seiner Ausrüstung geht, beginnt Gwydon, sich möglichst leise vom Wirtshaus in Richtung des Waldrandes zu entfernen. Er beschreibt dabei einen Bogen um den Unterstand.
Kaum, dass sich der Söldner weit genug vom Grünen Eber entfernt hat, dass er dort niemanden mehr aufwecken kann, wird er schneller. Von seiner katzenhaften Behendigkeit ist schon ob der gut über zwanzig Stein Gewicht, die er mit sich herumschleppt, wenig übriggeblieben, aber der Umstand, dass er in seiner Hast eine Baumwurzel übersieht, läßt sein schattenhaftes Huschen endgültig in ein Stolpern übergehen. Als sein Knie auf schmerzhafte Weise mit einem Stein Bekanntschaft macht, entfährt dem Söldner ein leiser Fluch, der einen Thorwaler erröten lassen würde.
Mühsam rappelt er sich wieder auf, richtet seinen Rucksack gerade und bewegt sich weiter zielstrebig auf einen bestimmten Punkt am Waldrand zu.
Als sich Gwydon der Stelle am Waldrand nähert, an der er die Tänzerin zurückgelassen hat, werden seine Bewegungen wieder langsamer, vorsichtiger.
Er bleibt stehen, lauscht in die Dunkelheit hinein. War da nicht eben ein Geräusch, ein Laut wie ein Seufzen? Langsam schleicht der Söldner näher.
Während sich Gwydon der - schlafenden? träumenden? - Tulamidin nähert, läßt er vorsichtig, um kein Geräusch zu verursachen, den schweren Rucksack von seiner Schulter gleiten. Er stellt den Sack ab, vergewissert sich, dass dieser auch nicht umfallen wird, und geht dann in die Knie, beobachtet Yshija. Kein Zweifel, auch sie fühlt das, was ihn vor kurzem übermannt hat. So war es nicht die Einbildung des Söldners, die diese Bilder hat entstehen lassen? Doch was denn?
Der Albernier läßt sich neben der Tänzerin zu Boden sinken, beißt für einen Moment die Zähne zusammen, als er sich klugerweise mit seinem frisch aufgeschürften Knie abstützt. Er beginnt, Yshija zu beobachten, während seine Hand nach seinem Rucksack tastet und beginnt, die Schnallen der Riemen zu lösen, mit denen seine Decke und seine Schlafmatte befestigt sind.

AMi

Als würde sie den Blick, der auf ihr ruht, körperlich spüren, schlägt die Tulamidin plötzlich die Augen auf und erwidert seinen Blick. Sterne spiegeln sich in ihren dunkelgrünen Tiefen wider. Sie richtet sich leicht auf, als hätte sie den Söldner erwartet; durch die Bewegung und ihr regelmäßiges, heftiges Atmen rutscht das Hemd zur Seite, das sie nur notdürftig bedeckt, doch ist ihr dies nicht wichtig.
Nur eines scheint zu zählen.
Sie hebt ihr Linke, gleichsam einladend und um Halt suchend (was seltsam wirkt, da sie ja ruht), und flüstert, leise und zärtlich, seinen Namen: "Gwydon."

SU

Gerade hat der Söldner die ineinandergerollte Decke und Schlafmatte von seinem Rucksack gelöst, da öffnet Yshija die Augen, streckt ihre Hand in seine Richtung aus. Ihre Stimme flüstert seinen Namen.
Gwydon dreht sich zu der liegenden Tänzerin hin, läßt in der Bewegung die Rolle aus seiner Rechten fallen. Er beugt sich über Yshija, ergreift ihre Hand und zieht sie sanft an sich heran, ohne allerdings seine sitzende Haltung aufzugeben. Fragen stürmen auf ihn ein, wirbeln in seinem Kopf umher, Fragen, was geschehen ist, was es war, dass sie beide berührt hat. Aber was brächten solche Fragen in einem solchen Moment?
Die Augen des Söldners glänzen, als sein Blick den Yshijas kreuzt. Sind es Tränen, in denen sich das Sternenlicht spiegelt? Vor siebzehn Jahren hat Boron ihm eine solche Frau entrissen - und nun schenkt ihm Rahja, zumindest für eine Nacht, all die Freude und Erinnerung, die er verloren glaubte!
Was morgen sein wird, wissen die Zwölf.
Zärtlich und sacht ist der Kuß, als Gwydons Lippen die der Tulamidin treffen. Ganz dicht bei sich hält er sie und sein Flüstern ist kaum vernehmbar. "Yshija."

AMi

Die Tänzerin richtet sich auf, läßt sich von Gwydon führen und zu ihm leiten. Sie schmiegt sich an seinen blossen Oberkörper und genießt die sachte Berührung seiner Lippen. Mit stärker werdendem Druck streichelt ihre Rechte über seine kräftigen Schultern, seine Brust, sucht sich ihren Weg über seinen Nacken und seinen Rücken zu den entlegeneren Gegenden seines Körpers. Yshija atmet tief ein und aus. Ein heftiges Beben erfaßt ihren Körper, das sie taumeln läßt. Sie schließt für einen kurzen Moment die Augen, konzentriert sich, und öffnet sie wieder, den Blick voll von heißem Verlangen und süßem Versprechen.
Der Ruf der Göttin war stark in dieser Nacht; sie konnte sich ihm nicht widersetzen. Nicht, dass sie es gewollt hätte.

SU

Als sich die Tänzerin an ihn schmiegt, wird Gwydons Geist wieder von den Bildern und Gefühlen überwältigt, die an der Mauer des Wirtshauses auf ihn eingeströmt waren. Er gibt sich diesem Strom von Gefühlen hin, läßt sich davon mittragen, und bald schon fühlt er, wie die Gabe der Schönen Göttin wieder in ihm erwacht.
Für einen Moment löst er sich aus der Umarmung Yshijas, richtet sich halb auf - gerade lange genug, um sich mit hastigen Bewegungen seines Beinkleides zu entledigen. Der Umriß des Söldners hebt sich dunkel gegen den Nachthimmel ab, seine Muskeln glänzen im Sternenlicht, als feine Schweißtropfen auf ihnen erscheinen. Der Blick des Alberniers ruht auf der Tänzerin, aber er scheint merkwürdig entrückt, und in seinen strahlend grünen Augen brennt das wilde, ungezügelte Verlangen Levthans.
Ungestümer als je zuvor nimmt Gwydon die Tulamidin in seine Arme, beginnt, ihre Liebkosungen zu erwidern. Fordernder sind diesmal seine Bewegungen, wie gelenkt von einer inneren Begierde. Kein vorsichtiges Tasten bestimmt diesmal sein Handeln, und in einem Taumel aus Verlangen und Ekstase streben die beiden Leiber ihrer zweiten Vereinigung entgegen.

SU

Die Sichel des Madamals ist wieder ein gutes Stück weitergewandert. Unter dem tausendfachen Funkeln der Sterne, nahe am Rand eines Waldes, liegen zwei Gestalten, erschöpft, aber glücklich, dicht aneinandergekuschelt im weichen Gras. Niemand vermag zu sagen, wieviel Zeit vergangen ist, als Bewegung in die größere der beiden Gestalten kommt.
Gwydons Hand tastet über das kühle Gras, sein Arm streckt sich - endlich berühren seine Fingerspitzen die Rolle, die er vorhin hatte fallen lassen. Unwillig, seine Nähe zu Yshija auch nur für einen Augenblick aufzugeben, streckt er sich so lange, bis es ihm endlich gelingt, das Bündel zu ergreifen und zu sich heranzuziehen. Der Söldner löst den Lederriemen, der die Rolle zusammengehalten hatte, entrollt eine Decke und eine Matte aus Maraskaner Reisstroh. Er schiebt die Matte etwas zur Seite, breitet sie so neben sich aus, dass er nun zwischen Yshija und der Schlafmatte liegt. Dann blickt er zu der Tulamidin hinüber, und einmal mehr huscht ein schelmisches Grinsen über sein Gesicht. Er beugt sich über sie, umfaßt sie mit beiden Armen und gibt ihr einen Kuß auf die Nase. "Festhalten!", flüstert er plötzlich.
Kaum, dass die Tänzerin seiner Aufforderung nachgekommen ist, strafft sich der Körper des Alberniers. Alle seine Muskeln spannen sich an, und in einer schnellen, kräftigen Bewegung hebt er Yshija leicht an, hebt sie über sich, während er zur Seite rollt, so dass sie auf der Matte zu liegen kommt. Mit dem letzten Schwung der Drehung kommt Gwydon wieder halb über der Tulamidin zu liegen. Er zieht die Decke heran und breitet sie über sich und Yshija. Dann lächelt er die Tänzerin wieder fröhlich an. "Du kannst jetzt loslassen.. wenn Du unbedingt willst!"

AMi

Zufrieden und im Einklang mit den Götter, ihrem nächtlichen Gefährten und sich selbst kommt die zierliche Tänzerin der Bitte des Söldners nach. Überrascht, doch dabei leise, die nächtlichen Geräusche nicht übertönend, lacht sie auf, als sie so schwungvoll umgebettet wird.
Lächelnd, doch voll ernstem Nachdruck antwortet sie ihm.
"Dich loslassen? Um dann alleine wie ein Madasänger den neuen Tag zu begrüßen? Das wäre Ihr nicht sehr gefällig; nicht nach dem, was war, und nicht nach dem, was sein wird."
Sie schmiegt sich an ihn, behutsam und zärtlich wie ein junges Kätzchen.
Zum ersten Mal diese Nacht ist sie dabei völlig entspannt; die Schöne Göttin ist zu ihrem Recht gekommen und nicht mehr bestimmend für ihr Handeln und Denken. Falls Ihr Blick sich in dieser Nacht in die Sphäre der Sterblichen verirrt und das Paar am Waldrand in der Nähe des Ebers erblickt hatte, hatte sie gewißlich gelächelt.
Wohlige Schwere breitet sich in der Tulamidin aus, doch ihr Geist ist wach, auf dass sie das süße Gefühl von Wärme und Geborgenheit noch ein wenig in die Nacht, vielleicht gar in den kommenden Tag ausdehnen und auskosten kann, um Vertrautheit und Glück neu zu erfahren und sich einzuprägen, denn beide hielten nur so schmerzhaft kurz. Immer. Würde es dieses Mal anders sein?
Ja. Etwas hatte sich bereits geändert. Wie von einem inneren Feuer erhellt strahlen Yshijas Augen. Sie blickt den Söldner an, voller Freude, Dankbarkeit und Liebe. Doch wem gelten diese drei?

SU

Gwydon macht sich gerade daran, die Decke etwas gleichmäßiger zu verteilen, da dringen die letzten Worte der Tänzerin in sein Bewußtsein:
"Das wäre Ihr nicht sehr gefällig; nicht nach dem, was war, und nicht nach dem, was sein wird."
Überrascht blickt der Söldner Yshija an, wiederholt ihre Worte, wie für sich selbst. "Nach dem, was sein wird." Kann es sein? Hat er das richtig verstanden? Nach all den Jahren das wiederzufinden, was für immer verloren schien. Oder spielt ihm seine Hoffnung einen Streich, trügt ihn seine überreizte Phantasie? Meint sie vielleicht das Gegenteil von dem, was er sich erträumen mag? dass es unrecht wäre, ihn jetzt schon loszulassen, weil dieser Moment noch früh genug kommen würde?
Gwydons Augen versinken in den Tiefen des Blickes der Tulamidin, suchen sich ihre Antworten dort. Und irgendwie will das, was der Söldner in diesen grünen Augen liest, so gar nicht zu seiner zweiten Deutung ihrer Worte passen. Noch versucht er, die aufkeimende Hoffnung zu unterdrücken; zu oft schon hat er erleben müssen, wie schnell und grausam solches Hoffen vernichtet werden kann, aber das sanfte Schimmern, das in seine Augen tritt, das Lächeln, das über seine Lippen huscht, verraten wohl seine Gedanken.
Der Albernier setzt zu sprechen an, aber seine Stimme versagt. Er räuspert sich, beginnt von neuem: "Du. hast Dir einen merkwürdigen Gefährten für die Nacht gesucht." Er lächelt, versucht, sein mühsames Ringen nach Worten zu überspielen. "Ich." Bei den Zwölfen, da stottert er nun herum, als wäre er zwanzig Jahre jünger und zum ersten Mal verliebt! Gwydon verstummt, blickt die Tänzerin an, als warte er auf eine Reaktion von ihrer Seite.

AMi

Aufmerksam beobachtet die Tulamidin die Reaktion des Söldners. Eine ruhige, sichere Gelassenheit liegt in ihrer schmusenden Haltung. Schalk spricht aus ihrem, alles andere vergessen-machenden Lächeln, doch beinhaltet es nicht die Häme eines Kobolds über einen bösen Scherz; nur tiefe, ehrlich empfundene Freude sprüht aus ihren Augen.
Um seine aufkeimende Verlegenheit zu lösen, zupft sie einen Grashalm ab und kitzelt ihn damit neckend an seiner Nase. Erst, als sie erste Erfolge bemerkt, antwortet sie, widerum voller Ernst.
"Einen. merkwürdigen Gefährten. habe ich mir gesucht? Bist Du denn nicht würdig, dass man sich Deiner erinnert? - Was, Gwydon, willst Du mir sagen?"

SU

Gerade will der Söldner wieder nach Worten zu suchen beginnen, als ihn etwas an der Nase kitzelt. Er sucht nach der Ursache - und da ist sie auch schon, dicht vor seinen Augen: ein Grashalm, eine schlanke Hand, die diesen führt, und direkt dahinter zwei Augen, aus denen alle Freude dieser Welt zu sprechen scheint. Gwydon blickt in diese Augen, versucht, zu finden, was.
Wieder dieses Kitzeln! "He! Laß das!" Das nachdenkliche Gesicht des Alberniers verzieht sich zu einem Grinsen. "Aufhören!" Er schnappt mit dem Mund nach dem Halm, erwischt die Spitze, die prompt abreißt. Verzweifelt den neuerlichen Attacken des jetzt gekürzten Halms ausweichend, versucht Gwydon vergeblich, seine Gedanken zu ordnen, versucht er vergeblich, ernst zu bleiben.
Plötzlich endet das Kitzeln an seiner Nase. Gwydon öffnet die Augen, gerade, als Yshija zu sprechen beginnt.
"Einen. merkwürdigen Gefährten. habe ich mir gesucht? Bist Du denn nicht würdig, dass man sich Deiner erinnert? - Was, Gwydon, willst Du mir sagen?"
"Würdig, dass. oh ver.!" Der Söldner verdreht die Augen, greift in seinen Mund und fischt ein Stück Grashalm heraus. Er halt das Stück anklagend in Yshijas Richtung, versucht verzweifelt, ein ernstes Gesicht zu machen, doch wie sollte ihm das gelingen? Zu ansteckend ist die Freude in
ihrem Blick, zu groß die Anstrengung, selbst ein Kichern zu unterdrücken.
Gwydon setzt noch einmal an: "Würdig, dass man sich meiner erinnert? Das vermag ich nicht zu sagen. ich kann nur sagen, dass ich Dich nicht vergessen werde - wohin auch immer unser Weg. unsere Wege uns führen mögen."
Der Albernier scheint sich jetzt wieder halbwegs gefangen zu haben; er beobachtet Yshija, während er spricht, aufmerksam. Sie spricht von Erinnerungen. wird das, was war, also bald nichts sein als Erinnerung? Aber als sie von einem Gefährten sprach, hat sie da nicht das 'für eine Nacht' weggelassen? Was verbirgt sich in den meergrünen Tiefen ihrer Augen?

AMi

Schmunzelnd läßt Yshija den abgerupften Grashalm fallen und fährt fort, Gwydon an seiner Nase zu berühren, doch ist aus dem Kitzeln ein sanftes Streicheln geworden, begleitet von ihrer frohen Stimme.
"Nicht vergessen? Ist es Dir genug, mich nicht zu vergessen. Gwydon?"
Als sie seinen Name ausgesprochen hat, verstummt die Tulamidin plötzlich.
Ein dunkler Schatten stiehlt sich in ihren Blick und verdüstert ihn wie eine Wolke das Madamal. Sollte es denn abermals so sein und so enden wie. immer? Yshija fühlt und weiß, dass es einen Unterschied gibt. Sie folgte noch nie dem Pfad ihrer Schwester, doch ist es seit langem ihr Streben, den eigenen zu verlassen und sich dem ihrer Schwester - Rahja schütze Dich, geliebte Ajishy! - anzunähern. Gwydon ist derjenige, mit dem es gelingen könnte, und doch.
Die Tänzerin schluckt heftig. Ihre Augen verengen sich ängstlich, ihre Lippen zittern, und trotz der Wärme der lauen Sommernacht und des männlichen Körpers neben ihr fröstelt sie. Konnte sie sich so geirrt haben, war das möglich? Beinahe am Ziel, spielten die Götter ihr einen bösen Streich?
Jetzt ist sie es, die mühsam nach Worten ringt. "Wenn." Ihre Hand fällt kraftlos gerunter. Sie preßt die Lippen aufeinander, verstummt und schlägt die Augen nieder.

SU

Gwydons Nase zuckt wie die eines Kaninchens, als immer wieder der Grashalm über sie streicht. Weiterhin beobachtet er die Tänzerin, sucht fast verzweifelt nach einem Hinweis auf die Antwort, die er in ihren Augen zu lesen glaubte.
"Nicht vergessen? Ist es Dir genug, mich nicht zu vergessen. Gwydon?"
Plötzlich verändert sich die Miene der Tänzerin, tritt ein Schatten in ihre Augen. Sie läßt den Grashalm fallen, beginnt zu zittern.
Die Augen des Söldners weiten sich in plötzlichem Verstehen. 'Bei der Gnade der Zwölf! Sie fürchtete das selbe wie ich, und jetzt denkt sie.!' Die ganze verborgene Hoffnung, die Gwydon zu verdrängen gesucht hatte, bricht sich eine Bahn nach aussen, spiegelt sich in seinen Augen.
Doch Yshija scheint es nicht zu bemerken, wie ein verzweifelter Schrei erklingt ihre Stimme, kraftlos zwar, aber sie schneidet wie glühender Stahl in den Geist des Söldners: "Wenn."
Gwydon zieht die Tulamidin an sich heran. "Nein!", stößt er hervor, heftig, fast flehentlich. "Nein. ich meine. Oh, Yshija, warte! Hör' mich an!" Jetzt, wo die Ungewißheit verschwunden ist, bilden sich die Worte fast von selbst in seinem Geist, sprudeln hervor: "Ich hatte gedacht, gefürchtet, dass Du Deinen Weg allein suchen wolltest - und ich wollte Dich nicht unter Druck setzen. Aber." Er faßt zärtlich den Kopf der Tänzerin, versucht sanft ihn anzuheben, damit sie wieder in seine Augen blickt, sieht, dass er sie nicht belügt. "Yshija, taj amallijah! A sejesch ghalani, rahad an' el nemalu nedja mahadan!"
(Tulamidisch: "Yshija, ich liebe Dich! Und wenn Du es nur willst, so soll das Glück dieser Nacht nie zu Ende gehen!")
Eine einzelne Träne rinnt über die Wange des Söldners, flehend sind seine grünen Augen auf Yshija gerichtet. 'Ihr Zwölf, laßt es nicht zu spät sein!'

AMi

Innerlich verkrampft wehrt sich Yshija gegen Gwydon, seine beinahe gestammelten Worte, seine aufrüttelnden Taten. Gedanken strömen durch ihren Kopf, verwirren ihren Geist und vernebeln ihr die Sinne, so dass sie, selbst wenn sie ihre Augen weit öffnen würde, nicht in der Lage wäre, ihn wahrzunehmen, denn wie durch brackig-trübes Wasser.
'Er war deutlich genug. Grausame Götter. auch die Schöne, der ich doch stets mit all meiner Kraft und Hingabe gedient. Was bedeutet schon ein vergängliches Leben für sie, die sie ewig sind? Welch Hohn. ein lebenslanger Fluch.'
Erst einige Worte, gesprochen in der Sprache ihrer Kindheit, bahnen sich einen Weg durch ihr gedankliches Wirrwarr und gehen ein in ihr Denken: "Yshija, ich liebe Dich! Und wenn Du es nur willst, so soll das Glück dieser Nacht nie zu Ende gehen!"
Mit heftig klopfendem Herzen horcht die Tänzerin in sich hinein. Woher kamen diese Worte, wessen war diese Stimme? Ein freundlicher Geist der Vergangenheit, der zu ihr sprach? Der frisch gebackene Adept Merum, der sie anfänglich regelmäßig mit ihrer Schwester verwechselte? Mu'ad, der Stolzeste der Wüstensöhne, den sie je gekannt, oder Kurif, ein Krieger aus gutem Hause, der sie in den Traviabund führen wollte? Fürst Sayjd, ihr wohl treuester Freund aus dem fernen Khunchom oder der Norbarde Lowgrej, der wegen ihr die Weihen zum Novizen der Göttin empfangen?
Als sie, feucht und salzig, eine Träne auf ihren trockenen Lippen schmeckt, schlägt sie die Augen auf. Als hätte jemand eine Augenbinde gelöst, weiß sie, wer der Sprecher war, und versteht, was er gesagt, was er versprochen hat. Kein Gefährte längst vergangener Tage, sondern der Mann, mit dem sie Gegenwart und Zukunft verbringen möchte.
Sie sucht seinen Blick. Als sie sein unausgesprochenes Flehen findet, entzündet sich ein heller Funke in den düsteren Tiefen ihrer Augen.
Langsam wird er heller, nimmt stetig zu und überzieht ihr Antlitz mit derselben Freude, die sie bereits vor wenigen Augenblicken in innerem Feuer erstrahlen ließ.
"Du kannst dem Wächter der Zeit befehlen?"
Yshija lacht leise und küßt Gwydon zärtlich und entspannt. Nach einem kurzen Moment fährt sie bedächtig fort:
"Sprich nicht von der Ewigkeit, die keiner von uns Sterblichen erleben kann, Gwydon. Mein Weg ist. rastlos. Bis ich meiner Schwester wieder begegnet bin, kann ich nirgendwo verweilen, doch wenn dieser Tag gekommen ist - und ich weiß, dass er nicht mehr fern! - gibt es niemanden, den ich lieber an meiner Seite wüßte, als den Vater meiner Tochter!"

SU

Als sich Yshija in seinen Armen zu verkrampfen beginnt, tritt ein Ausdruck ehrlicher Verzweiflung in das Gesicht des Söldners. 'Rahja, hilf!'
Dann, endlich, scheinen seine Worte zu ihr durchzudringen, öffnet sie die Augen, sieht sie ihn an und. versteht! Als der Funke der Freude wieder in ihren Augen zu brennen beginnt, schwört sich Gwydon innerlich, ihr nie solchen Schmerz zuzufügen, wie er es eben durch seine Ungeschicklichkeit beinahe getan hätte.
Doch jetzt ist der schreckliche Moment vorbei, und schon kehrt die alte Selbstsicherheit der Tulamidin zurück, als sie lächelt und zu sprechen beginnt:
"Du kannst dem Wächter der Zeit befehlen?"
Glücklich lauscht der Söldner den Worten der Tänzerin, froh, sie sprechen zu hören, froh, auch aus ihrem Munde ein Versprechen zu hören. ".gibt es niemanden, den ich lieber an meiner Seite wüßte." Gwydon streichelt sanft über die Haare der Tulamidin, drückt sie wieder etwas fester an sich. ".als den Vater meiner Tochter!"
Für einen Moment erstarrt Gwydon in der Bewegung, ruhen seine grünen Augen überrascht auf Yshija. Wenn er es ist, von dem sie spricht - wie kann sie dann schon wissen.? Kann es sein, dass sie einen anderen meint? Doch dann blickt er in ihre Augen, erinnert sich an das, was er sah und erkennt, dass sie genau weiß, was sie sagt, dass wahr ist, was sie eigentlich noch nicht wissen kann. Ein Ausdruck ehrlicher Freude spiegelt sich auf seinem Gesicht.
"So beginnt sich das zu erfüllen, was ich mir am Brunnen gewünscht hatte? Na, ich hoffe, sie gerät nach ihrer Mutter." murmelt er, während er sein Gesicht in Yshijas Haaren vergräbt. Dann richtet er sich wieder ein wenig auf, um die Tänzerin direkt anzusehen. "Ich verstehe, dass Du zuerst Deine Schwester finden willst - und, bei den Zwölfen, umso mehr Grund habe ich, meinen Schwur einzuhalten! Vergiß nicht, was ich versprochen habe: hundert Schatten in Havena, hundert Augen in Punin, hundert Münder in Gareth und hundert Falken im Osten."
Einmal mehr huscht das schelmische Grinsen über sein Gesicht. "Obwohl ich zugeben muß, dass es wohl etwas weniger als hundert Schatten sein werden. dafür sollten die Falken aber auch in Wahrheit fast zweihundert zählen!"

AMi

Die Tulamidin lächelt, als sie sieht, wie Verwunderung und Verstehen sich langsam auf dem Gesicht des Söldners abzeichnen. Wahrhaft glücklich wird ihr Strahlen, als schließlich Erstere vollständig durch Letzteres abgelöst wird.
"Ja, den Göttern scheint es zu gefallen, dass Dein Wunsch beginnt, sich zu erfüllen, auch wenn ich nicht gedacht hätte, dass es auf diese Weise geschehen würde."
Die Tulamidin lacht leise und reckt sich Gwydons Liebkosungen entgegen; aufmerksam folgt sie den Bewegungen seiner Lippen, als er die Sprache auf ihre Schwester lenkt. Schmunzelnd antwortet sie:
"Woher Du an die zweihundert Falken nehmen willst, mußt Du mir bei Gelegenheit erklären, aber nicht mehr diese Nacht."

SU

Gwydon genießt das gemeinsame Glück, erfreut sich an dem Leuchten im Antlitz der Tänzerin. Verspielt dreht er Strähnchen ihres Haares zwischen seinen Fingern, während er ihr zuhört.
"Woher Du an die zweihundert Falken nehmen willst, musst du mir bei Gelegenheit erklären, aber nicht mehr diese Nacht", meint Yshija mit einem Schmunzeln.
"Oh, das ist leicht", grinst der Söldner. "Oder zumindest leichter als die hundert Münder in Gareth." Er tastet mit der rechten Hand über die Decke, um sich zu vergewissern, dass er und die Tulamidin auch gut zugedeckt sind. Wenn er dabei Yshija einmal kurz kitzelt, muß es sich um ein Versehen handeln. nach der Unschuldsmiene auf seinem Gesicht zu urteilen.
"Aber Du hast recht - morgen ist auch noch ein Tag!" Gwydon gähnt überdeutlich, während er sich an die Tänzerin kuschelt. "Und morgen weckt uns sowieso in aller Früh die Garde, weil ich ohne zu bezahlen aus dem Wirtshaus verschwunden bin." Wieder verbirgt der Söldner sein Gesicht in den Haaren Yshijas, diesmal allerdings, um sein Grinsen zu tarnen. "Ich sag' ihnen dann, du hättest mich entführt, verführt und ausgeraubt", murmelt er schläfrig.

AMi

Fröhlich, aber nicht wirklich überrascht, stößt die Tulamidin bei Gwydons Decke-glättender Kitzel-Attacke ein kurzes Quieken aus.
"Du Schuft", ruft sie, "ein bisschen mehr Respekt wäre wohl angemessen," doch straft das Lächeln ihrer Augen ihre Worte Lügen.
Das folgende Gähnen des Söldner steckt sie jedoch sofort an; sie tut es ihm gleich. Kaum war ihr aufgefallen, wie müde sie war - und das zu recht, bedachte man, was alles geschehen war.
Yshija schmiegt sich an Gwydon, lauscht auf seine Atemzüge und seine gemurmelten Worte.
Halb gegähnt erwidert sie: "Ja, es muss ein finsterer Zauber sein, den ich bei meinem Tanz über Dich geworfen habe. Wie sonst hätte ich Dich dazu bringen können, die Nacht hier am Waldrand zu verbringen. - Schlaf gut, Gwydon."
Nach einem kurzen Moment der Stille ist von ihr nur noch ruhiges Atmen zu vernehmen. Fast übergangslos sinkt die Tänzerin in Borons Arme, ein glückliches Lächeln auf ihren Zügen.

SU

"Du Schuft," ruft Yshija, als Gwydon sie kitzelt. "Ein bißchen mehr Respekt wäre wohl angemessen!"
Die Stimme des Söldners verändert sich, wird zum undeutlichen Brabbeln eines Betrunkenen mit starkem Havenaer Dialekt. "Vielmal um 'Tschuldigung, Prinsessin. Vergebt ei'm armen 'runtergekommnen Vet'ranen, der alles verlorn hat, damals, '97, bei der Belagrung von Drol."
Mit einem glücklichen Lächeln schließt Gwydon die Augen, lauscht den Worten der Tänzerin, um ihr noch schnell zu antworten: "Schlaf gut, Yshija Die-zu-den-Sternen-tanzt!" Dann entspannt sich der Albernier, wartet darauf, dass der Hüter der Nacht ihm seine Gabe zuteil werden lässt und versinkt schon bald in tiefen Schlummer.


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