Havarie zu Lande

Autoren: Lars Reißig, Nicole Weber, Oliver H. Herde, Ralf Büngener und andere

LR

Manchmal hat man seine Augen überall, nur nicht dort, wo sie gebraucht werden. Die neuen Gäste, der Eberknecht, das Grauchen, der eigene Karren, das Schwesterherz, das nicht eben sicheren Halt auf dem Hofboden zu finden scheint, ihre Holzschuhe... Irinio hat seine Augen überall dort. Nicht aber dort, wohin er den Karren lenkt, als seine Schwester sich daran festhalten muss, um das Gleichgewicht zu halten, statt ihrerseits dem Gefährt Richtung und Halt zu geben. Und schon stößt die Deichsel unsanft gegen ein Hindernis - ratschend fährt der Rammsporn der unverhofft den Kurs ändernden Wassermüllerschen Landgaleere unter die Plane eines weiteren Karrens, der da unter dem Vordach abgestellt ist. "Auweh!" entfährt's dem Müllerburschen.

RB

Jana versucht Widumirs Antwort zu entschlüsseln, während sie ihr Pferd zur Tränke führt. Gerade glaubt sie, verstanden zu haben, dass er wohl dem Kapitän geholfen haben muss, als jener zu Boden kracht. Zumindest klingt es fast so.
Als die junge Frau überrascht auf- und in Richtung des Krachs blickt, sieht sie nicht den Kapitän sondern ein Schiff. Dessen Segel reißt gerade und verursacht so das Geräusch. Das Jammern des Burschen, der den Unfall wohl verursacht hat, ist allerdings offenbar mehr seinem Ungeschick als Schmerz geschuldet.
"Alles in Ordnung?" fragt Jana vorsichtshalber und tritt näher heran. Die Sorge um sein Wohlergehen ist aber zumindest teilweise ein Vorwand, um sich neugierig dem Schiff, das dort unvermittelt unter der Segeltuchplane hervorlugt, zu nähern. Das Pferd ist zwar etwas enttäuscht, dass es jetzt doch nicht zur Tränke geführt wird, folgt aber brav der Hand, die immer noch die Zügel hält.

OHH

Da die Geschichte nun im Grunde zuende ist, folgt Widumir seiner Reiseführerin zur Abwechslung einmal schweigend. Mal sehen, ob man jemanden retten kann. Da scheint ja allerlei lustiger Gerümpel unter dem vorstehenden Dach zu ruhen! Aber ebenso interessant sind Menschen. Man findet immer etwas an ihnen, das man beobachten kann. Tätig wird Widumir ansonsten nicht, zumindest nicht mit den Händen. Man muss ja erst einmal abwarten, ob das überhaupt erwünscht und notwendig ist.

NW

Unwillkürlich zieht Melida den Kopf zwischen die Schultern und bemüht sich nach Kräften um Schadensbegrenzung. Nur nicht noch mehr kaputtmachen, sondern auf dem selben Weg wieder retour. Die Zungenspitze lugt konzentriert zwischen den stumm murmelnden Lippen hervor.

LR

"Verflixt, verflixt, verflixt", ärgert sich der Müllerbusche und zieht gemeinsam mit seiner Schwester die Deichsel genau so zurück, wie sie unter die Plane geraten ist. "Hoffentlich!" beantwortet er zwischendrin die Frage der Reisenden, den Blick diesmal aber auf seine Arbeit gerichtet. Da wird der Vater was zu schimpfen haben! Hoffentlich hat er dem Eberwirt keinen Krug zerschlagen. Oder das Holz einer Kiste gespalten. Oder einen Vorratssack zerrissen.
Nun schaut Irinio doch über die Schulter zurück, um einen Blick mit dem Eberknecht wechseln zu können. 'Ojeojeoje...' Sein Gesicht ist längst ordentlich gerötet - angesichts der geringen Größe des Karrens liegt das aber kaum an der Anstrengung.

FH

Knecht und Grautier haben erst wenige Schritte getan, da ertönt ein Reißen und Poltern und dann die verzweifelten Unmutsäußerungen des Müllerssohnes. Ach herrje - da ist ihnen die Deichsel des Karrens in die Hinterlassenschaften des alten Gauklers gefahren. Rasch schlingt Alrik die Zügel des Eselchens um einen der Ringe an der Stallwand - mag so ein Grautier auch ganz phlegmatisch daherkommen, wer weiß, was ihm einfällt, wenn es sich unbeobachtet glaubt! - und eilt zurück, um den Geschwistern zu helfen.
"Ganz ruhig", fährt es dem Stallburschen heraus, als er der Miene des Jungen ansichtig wird, gerade so, wie er versuchen würde, ein scheuendes Pferd zu beruhigen. "Das haben wir gleich! Ach, habt ihr es schon wieder draußen", stellt er fest, wie er heran ist.
Mehr um Irinio zu beruhigen als aus Angst vor Schaden beugt er sich zu dem alten Karren und zupft an der eingerissenen Plane. "Alles in Ordnung", stellt er fest, ohne selbst zu wissen, wie er das beurteilen sollte. "Nichts passiert, denke ich. Das ist sowieso... naja, hm, Zeug, das keinem gehört. Ein alter Gaukler hat es letztens mitgebracht und einfach hiergelassen, als er fortging. Ein seltsamer Bursche war das", fügt er nachdenklich hinzu.

OHH

Vor lauter helfenden Händen hält sich Widumir einstweilen zurück. Diese neue Geschichte scheint sich bereits erledigt zu haben. Oder war sie vielmehr ein Prolog zu einer anderen? Immerhin klingen die letzten Worte des Knechtes interessant auch ohne dass er den letzten Gedanken ausspricht. So wird dieser aufmerksamer als zuvor gemustert.

RB

Jana klopft dem Jungen auf die Schulter. "Arh, min Jong", lobt sie im rasselnden Ton mit dem breiten Dialekt eines thorwalischen Piratenkapitäns, "sauberer Rammstouß. Die olle Schaluppe hasse forsängt."
Tatsächlich erkennt man jetzt, als Alrik an der Plane herumzupft, dass sich das Boot in arger Seenot befindet. 'Und das ist doch...?' Die Schauspielerin ist oft genug aufgetreten, um eine Bühnenmechanik zu erkennen, wenn sie eine sieht. Neben der Neugier ist jetzt auch ihr Jagdinstinkt geweckt.
"Du sagst, er hat es einfach hiergelassen? Und es gehört keinem?" Sie tritt ganz dicht neben den Knecht und späht durch den Riss. Das ist eindeutig eine Mechanik und eine ziemlich eindrucksvolle dazu. Daneben ist ein ganzer Stapel Bücher zu erkennen und noch diverse andere Gegenstände. 'Das ist ja ein Schatz!' fährt es Jana durch den Kopf.

LR

Die Worte des Eberknechts beruhigen den Müllerburschen ein wenig. Gewiss, im Grünen Eber steigen ständig die seltsamsten Leute ab, lassen jetzt auch noch ihren Kram herumstehen, wenn sie wieder abreisen, stellen Absonderliches mit Heu an und machen insgesamt soviel Unordnung, dass braven Müllern da schon mal ein Missgeschick passieren kann, weil sie sich nicht mehr recht auskennen. Ja, so wird es sein.
Die Aufmunterung nach Piratenart ist dann aber wieder dazu angetan, seine eben überwunden geglaubte Verwirrung und Unsicherheit gleich wiederzubeleben. 'Besser gar nicht darauf einlassen!' Einen halben Schritt weicht der Bursche von beiden Wagen zurück, macht den Interessierten damit gleichsam Platz zum Gauklerwagen und nimmt sich selbst aus der unmittelbaren Sicht und Aufmerksamkeit der Schaulustigen zurück.

NW

Erst als der Wagen komplett herausgezogen ist und schließlich doch an richtiger Stelle seinen Platz gefunden hat, erlaubt sich Melida einen erneuten, neugierigen Blick in die Runde der Gäste. Was für ein buntes Völkchen! Sowas kriegt man an der Mühle nicht zu sehen! Da ihr Bruder es auch nicht eilig hat, nach drinnen zu kommen, verweilt sie noch einen Moment länger in diesen Betrachtungen.

FH

"Ja, er ging fort und ließ seinen Karren an der Straße zurück", antwortet Alrik auf die Frage der Frau. "Wir haben ihn reingeholt - den Karren, meine ich. Vielleicht kommt er noch mal wieder - der Alte, meine ich." Alrik kratzt sich am Kopf. "Obwohl, ich glaube es nicht... Ich glaube, er hat zu Siona so etwas gesagt. Ob sie einen Schiffsuntergang haben wollte. Siona meinte, er wollte alles herschenken, wenn wir das recht verstanden haben."
Einen herrenlosen Karren aufbewahren ist eine Sache. Eine andere ist es irgendwie schon, wenn sich dann andere Leute dafür interessieren. Alrik hat sich die Ladung angesehen, aber einen Schiffsuntergang hat er sich dabei nur schwer vorstellen können.

OHH

Bestimmt ließe sich mit dem bunten Durcheinander auf dem Wagen allerhand anstellen - gerade von jemandem wie Widumir. Allerdings läuft das nicht Weg, so wenig wie der Karren. Bei Menschen hingegen kann man das nie wissen. Wenn man dann noch dazu so neugierig angeschaut wird, muss man das doch ausnutzen! Grinsend beugt er sich etwas zu dem vermeintlichen Bauersfräulein vor, fuchtelt wie zu liebfeldischem Edelmannsgruße bei einer Vorstellung mit der Linken im Kreise herum und erkundigt sich freundlich: "Hat die holde Maid eine Frage dazu?"

RB

Ein Schiffsuntergang, klar. Dort ist das Meer, die Reling und mit Rollen und Schnur kann man es wahrscheinlich sogar schwanken oder gar untergehen lassen.
Neugierig späht Jana über Alriks Schulter durch den Spalt und drängt sich dabei so nah an ihn heran, dass sie ihn von hinten leicht berührt. Als sie spricht, ist ihr Mund keinen Spann von seinem Ohr entfernt. "Und das war wirklich nur ein Alter? Ich meine, damit kann man wahrscheinlich fast eine Bühne ausstatten, also zumindest eine kleine, auf einem Volksfest oder Jahrmarkt oder so. Da kann dann eine ganze Schauspielertruppe spielen."
In beschwörendem Ton beschreibt die Schauspielerin die Szene, die spontan vor ihren Augen entsteht: "Stell dir vor, ein Sturm, hohe Wellen werfen das Schiff hin und her, der Sturm heult, die Masten knarzen, das Segel droht zu reißen."
Ihre Stimme wird aufgeregter und schneller: "Ein Kawenzmann droht die Prinzessin über Bord zu spülen. Verzweifelt schreit sie und sucht nach Halt. Im letzten Moment kann der Held noch ihre Hand ergreifen und rutscht mit ihr übers Deck. Kurz bevor sie ins Verderben stürzen, kann er die Reling ergreifen und sich daran festklammern. Aber da schwankt das Schiff schon in die andere Richtung..."
Fast atemlos bricht sie ab und lässt die Hand des heldenhaften Knechts los, die sie im Eifer des Gefechts ergriffen hat. "Und das hat er alles Siona geschenkt? Ist sie auch eine Schauspielerin? Ist sie heute hier?" Zur Aufregung über den Fund gesellt sich die Vorfreude, vielleicht eine Kollegin zu treffen und sich mit ihr auszutauschen. Was hinter ihr geschieht, kriegt Jana dabei kaum mit.

OHH

Nur unter Mühen kann sich Widumir beherrschen, nicht gleich die Dame wechselnd zu der sich nunmehr auftuenden Geschichte beizudrehen. So nass, dass hier ein Schiff fahren könnte scheint es ja eigentlich noch nicht. Andererseits - wer kann das wissen! ER jedenfalls nicht, ist er doch kein Seemann, der schon mit einem daherkrawenzenden Halunken Bekanntschaft gemacht hätte.
Unruhig kullern die Augäpfel in ihren Höhlen umher.

FH

Als die fremde Dame ihn so unvermittelt gegen den Karren drängt, sieht der Knecht sich genötigt, zur Seite auszuweichen. Allein, weit kommt er nicht. Mit mäßig geistreichem Mienenspiel blickt er auf seine festgehaltene Hand hinab. Die Dame wirkt mindestens ebenso wirr wie der kleine Alte und seine barfüßige Weggefährtin, und dabei erheblich... ergreifender.
Siona eine Schauspielerin? Heftig schüttelt Alrik den Kopf, in dem Bemühen, unter diesen erschwerten Umständen seine Gedanken und den Redeschwall zu sortieren. "Ja, sicher ist sie heute hier", beginnt er mit der letzten Frage, "sie ist die Schankmagd." Nachdem er das klargestellt hat, unternimmt er einen vorsichtigen Versuch, sich dem Griff zu entziehen, indem er sich wieder zum Karren wendet.
"Ihr könnt Euch das sicher mal ansehen." Womöglich lassen sich auf diese Weise weitere Missverständnisse vermeiden. "Aber vielleicht nicht gerade, wenn es regnet", fügt er mit einem Blick zum grauen Himmel hinzu.

NW

So plötzlich direkt angesprochen, schießt der jungen Melida das Blut in die Wangen. Ein durch die Holzschuhe mit wenig Eleganz ausgeführter Knicks und ein "Nein, Herr" vervollständigen das Bild, dann streicht sie schnell den Rock glatt und will sich bei ihrem Bruder unterhaken.

OHH

Gehört zu einem Sturm nicht auch mindestens ein wenig Nieselregen?
Doch Widumir muss sich nicht in das Gespräch von Jana und dem Knecht einmischen; er hat ein eigenes zu führen, wenngleich es ob der knappen Antwort des Mädchens schlecht darum bestellt scheint. Möglicherweise hält sie ihn Janas wegen für einen Herrn statt für einen fahrenden Gaukler. Ihr unsicheres Gebahren aber ist gar zu charmant! Dem geneigten Schmunzeln darüber lässt er freien Lauf und bemerkt etwas zu spät, wie rasch es sich zu einem Grinsen ausbreitet, dem kaum mehr Einhalt zu gebieten ist.
"Oh, ähm, wie schade! Ich antworte so gern!" Mühsam gewinnt ein warmes Lächeln die Oberhand.

LR

Holde Maid? Irinios Fluchtkurs endet in großbrüderlicher Pflicht. Denn eines ist gewiss: Hier wird nicht einfach so 'hold gemaidet' und nach der feinen hohen Herren Art gegrüßt, hier wird auch nicht freundlich perl... parl... geredet und gefragt und geantwortet und gegrinst und gelächelt, als wenn's in Alveran Praiostag wär'! Denn immerhin und sowieso geht es hier um seine Schwester! Und so hold und so sehr Maid die auch sein mag - und dieses Thema werde gedanklich für jetzt und immerdar gleich wieder fallengelassen! - das hat ihr ja wohl nicht irgendein unegaler Herr zweifelhafter Herkunft, Profession und Gesinnung einfach so mitzuteilen!
Eingedenk dieses wohl einzigen Falles, in dem Vater und Sohn einer Meinung sein dürften, lässt Irinio nicht nur zu, dass Melida sich bei ihm einhakt, nein, er legt auch die eigene freie Hand noch obendrauf. So. Gegen diesen Schild müssten Thorwaler Piraten, jungfrauenverschlingende Drachen und sogar der kecke Sohn des Schusters wohl vergeblich anrennen! Da wird's auch für einen der Gäste des Grünen Ebers reichen müssen.
Nur der noch immer unsichere Gesichtsausdruck des Müllerburschen will nicht ganz zu seinen Heldenanwandlungen passen.

NW

Mit Irinios beruhigender Nähe gewinnt das Mädchen auch wieder etwas mehr Selbstsicherheit zurück und lächelt den Fremden an, wenn auch immer noch recht schüchtern. Dennoch ist ihr Blick voll unverhohlener Neugier.
"Antworten? Oh, äh... So verratet mir doch Euren Namen, Herr..." Kaum sind diese Worte hervorgesprudelt, da schießt auch schon wieder die Röte in Melidas Wangen und sie zieht den Kopf zwischen die Schultern, während sie unsicher zu ihrem Bruder blickt. War das gar zu forsch?

OHH

Ach, wie niedlich und rührend diese einfachen Landleute doch sein können! In der Absicht, niemanden unnötig zu beleidigen, unterdrückt Widumir sein schon wieder hervordringendes Grinsen. Späße sind nur dann lustig, wenn wirklich alle darüber lachen können oder das Opfer es wirklich, wirklich verdient hat.
Es ist auch gar nicht weiter nötig, die Schildhand des Burschen vorsätzlich zu ignorieren, da das kleine Fräulein eh schon alle Aufmerksamkeit auf sich zieht.
"Ach ja, wie unhöflich von mir!" In Ermangelung eines Hutes schwenkt er lediglich die Hand wie ein Vinsalter Theaterfechter und lässt sich von selbiger zwecks Kratzfußes ein wenig hinabziehen, um sich sogleich wieder aufzurichten. "Ich bin Widumir... von den Wiesen, zu Diensten."
Den Fortgang der Verhandlungen Janas mit dem Knecht bekommt er inzwischen nicht mehr mit.

LR

Irinios Schild und Wehr verlieren noch mehr Wirkung zugunsten seiner Miene, als er sich erst zu seiner Schwester, dann zum Fremden zurückwendet, da das Gespräch munter weitergeht. 'Na, das hat ja richtig gut geklappt...' Naja, weichen wird er jedenfalls nicht - nach drinnen zieht es ihn trotz Wetter und Wagen tatsächlich nicht. So fügt sich der große Bruder in sein Schicksal und harrt aus.
Und ein bisschen interessant sind die Fremden ja nun zugegebenermaßen auch.

NW

Von den Wiesen - also doch ein hoher Herr! Vor lauter Aufregung vergisst sie fast die schickliche Erwiderung. "Ähm... Melida Wassermüller, Herr!"
Ein erneutes Knickslein wird diesmal nur angedeutet, da sie ja immer noch bei Irinio untergehakt ist und diesen nicht zu einem ungewollten Kratzfuß zwingen möchte. Allerdings erinnert sie dieser Umstand daran, ein "Und mein Bruder Irinio!" hinzuzufügen.

OHH

"Angenehm, ja, ganz vorzüglich!" spinnt sich Widumir aufgeschnappte Passagen Liebfelder Edelleute zusammen. Die Freude dabei ist allerdings tatsächlich ganz ehrlich, denn die beiden jungen Leute sind ihm bereits ans Herz gewachsen. Freilich hält ihn dies nicht davon ab, sein Spiel noch so lange weiterzutreiben, wie es eben geht und niemandem schadet.
"Tja, dann lasst uns doch hineingehen und auf die neue Bekanntschaft anstoßen!"

LR

Hineingehen? Anstoßen?! Der große Bruder nimmt an diesem Vorgehen Anstoß.
Und auch wenn auf diesen geradezu bösartig liebenswerten Kerl dort drinnen der Vater wartet - eine Aussicht, die manch anderem großen Bruder kleiner Schwestern nunmehr ein wölfisches Lächeln aufs Gesicht gezaubert hätte - so wird Irinios Herz zu seiner Schande im Gegenteil umso zager.
Wenn sich die Türen des Grünen Ebers hinter ihm schließen, dann ist vor allen anderen er selbst in des Vaters Hand. Ist heute der Tag? Wird es heute beschlossen und verkündet? Solange er hier draußen bleibt, doch ganz sicher nicht. Er könnte Alrik seine Hilfe anbieten. Oder schauen, ob am Wagen wirklich nichts kaputtgegangen ist. Aber bleiben und die Schwester mit diesem... diesem Galan allein gehen lassen, das geht ja nunmal nicht.
So gehen die Gedanken des Müllerburschen, während um ihn her die Welt sich wie ein Mühlrad immer weiterdreht.

NW

Anstoßen? Etwa gar mit einem alkoholischen Getränk? Fast muss Melida lachen. Ihr Vater würde ihr wohl schön die Hammelbeine langziehen, wenn sie sich auf so etwas einließe! Was nun aber dem Herrn antworten? Darf sie ihn doch auch nicht verärgern, nein!
Ein kurzer, fast hilfesuchender Blick zum Bruder, dann erwidert sie mit schüchtern gesenktem Blick: "Hineingehen, gern. Anstoßen... Nun, da werdet Ihr wohl meinen Vater um Erlaubnis fragen müssen..." Ja, das war hinreichend schicklich und ein Hinweis, dass nicht nur ihr Bruder über sie wacht. Sie hebt den Blick und lächelt mit neugewonnener Selbstsicherheit.

OHH

So ist das also: Das kleine Fräulein wird von der halben Familie bewacht. Ein wenig klingt das nach einer Gefangenschaft, aus der man es vielleicht mal bei Gelegenheit befreien sollte.
"Nenn mich ruhig Widumir", füllt selbiger seine Denkpause mit Worten an, sich selbst etwas mehr Zeit zu verschaffen. Dann aber fragt er sich, wozu eigentlich, da die rechte Antwort doch eigentlich klar ist: "Ja, dann soll es so sein!" Bestimmt ist er so ruhig und zurückhaltend wie seine Kinder. Falls nicht, mag das um so spannender werden.
Drum wendet sich Widumir ein wenig der Straße und somit der hinter der Hausecke verborenen Haupttüre zu, vergewissert sich aber, dass die beiden Mülleraner auch hübsch folgen wollen.

RB

Jana hat die Unterhaltung zwischen Widumir und den Jugendlichen eine Weile amüsiert verfolgt, aber jetzt ist doch die Zeit zum Eingreifen gekommen. Dabei stört es sie nicht so sehr, dass seine Hochstapelei das Mädchen zum Stottern bringt, während ihr Bruder sich zwar tapfer hält, aber inzwischen völlig verstummt ist. Aber dass er sich einfach davonschleicht, geht nicht.
"Widumiiir, mein tapferer Beschützer!" ruft sie ihm lachend hinterher. "Wenn du von Adel bist, ist mein Bruder Einokrat von Phrygaios." Manchmal ist es das Beste, eine Wahrheit auszusprechen, um sie zu verschleiern. "Und solange du keinen Kammerdiener einstellst, musst du immer noch deine Satteltasche selber tragen." Sie deutet auf die schwerere der beiden Taschen, die sie gerade um einen Apfel erleichtert hat. Es ist zwar genau genommen nicht seine, allerdings hat sich über die letzten Tage eingespielt, dass er sie trägt, während Jana die leichtere mit ihren Kleidern schultert.
"Außerdem kannst du doch nicht einfach die Frau, die du zu beschützen versprochen hast, stehen lassen, nur weil eine jüngere deinen Weg kreuzt." Dabei zieht die Schauspielerin eine Schnute, verschränkt die Arme und sieht ihn aus großen Augen traurig an.

OHH

Stehen lassen? Will sie nicht mitkommen? Da sich Jana so unvermittelt als Spaßbremse erweist, zudem noch mit konfusen Argumenten und Unwahrheiten, die man eher von irrsinnigen Kobolden erwarten würde, wirft Widumir erst einmal seine Stirn in Furchen, um die Gedanken darunter zu sortieren.
"Dein Bruder wird Einokrat, wenn ich geadelt werde? Welch seltsamer Zufall!" Jedenfalls hat er nie behauptet, von Adel zu sein. Wenn sie das nicht erkennt, verdient sie sein Mitleid, welches er sogleich mit voller mimischer Unterstützung ausdrückt.
Im Hinterkopf rumort es weiter. Will er sich für Verpflegung weiterhin als Packesel verdingen? Oder vielmehr als Kammerdiener, wie sie es selbst bezeichnet? Nicht, wenn es ihn beim Spielen stört und er nicht einmal erfährt, warum Jana plötzlich eine so zickige Rolle spielt und was es damit auf sich hat. Seine Habe trägt er jedenfalls komplett bei sich. Das passt alles nicht zusammen.
Manchmal hilft es, sich am Haupte zu kratzen, wo die Gedanken und neue Ideen entstehen.

NW

Mit zunehmendem Unverständnis verfolgt Melida den Austausch zwischen Widumir und seiner... Begleiterin? Freundin? Frau? Herrin?
Sie denkt doch nicht etwa...? Das Blut schießt der Müllerstochter in die Wangen.
Nun, zumindest scheint der Fremde doch nicht von Stand - das macht zumindest den Umgang einfacher, kennt sie sich doch so gar nicht mit Eti... Atti... Umgangsformen aus. Haltsuchend wandert die bisher freie Hand auf die ihres Bruders, während sie dem Austausch von Worten zu folgen versucht.

FH

Die Gesellschaft scheint sich am Nieselregen nicht zu stören. Immerhin scheint die Frage nach dem Gauklerkarren in den Hintergrund gedrängt zu werden, und mit den neuen Verwicklungen werden die schon selbst fertig.
"Wir können Euer Gepäck auch gleich im Stall abladen", erwidert Alrik der Frau mit dem Hut. Er selbst trägt keinen und möchte deswegen gern hinein. "Da ist es trocken und der Weg ist kürzer."
Außerdem wird auch der Esel immer nässer. Der Knecht vergewissert sich, dass die Dame ihre Verrichtungen an der Packtasche abgeschlossen hat und schüttelt die Zügel beider Tiere. "Kommt, ihr Hübschen. Drin ists viel gemütlicher."

LR

Jaja, so sind sie, die windigen Adelsleute! Machen braven Müllerstöchtern stets was vor - sogar, windige Adelsleute zu sein. So ist die Welt!
Nun, dann hat Irinio heute ja zumindest eine Sache gut machen können. Die Ehre der kleinen Schwester ist fürs Erste hoffentlich gewahrt. Und daran... hatte er gewiss... irgendwie Anteil. Ja.
Jetzt wäre ein guter Moment, Melida hineinzugeleiten und sich dem Vater und dem Tag wie ein Mann zu stellen. Andererseits scheint die kleine Schwester aus der Sicherheit brüderlichen Schutzes noch ein wenig mehr über die seltsamen Gäste des Grünen Ebers erfahren zu wollen. Was für ein Bruder würde ihr das verleiden? Und so schweigt Irinio weiter, trotzt Wetter, Ungemach und Fremden - und hat keinerlei Furcht vor anderen Dingen, die er tun könnte, neinnein!

OHH

Wie könnte Widumir seine neue Rolle anlegen? 'Beschützer' ist wohl mehr als 'Kammerdiener' das Schlüsselwort. Nun bräuchte er eine Waffe, mit welcher er seine Tatkraft umherfuchteln könnte. Die Geste allein soll einstweilen genügen. Es wird mit der Hand gefuchtelt.
"Wohlan, Schwester des künftigen Einokraten von Prygaios! Wo ist das Untier, das ich zur Strecke bringen muss, bevor du mit uns einen Trinken gehen kannst?" Eilig hüpft der Blick zwischen den anwesenden Menschen und Tieren umher, ob sie nun bleiben oder sich davonstehlen, und auch zur einen oder anderen Hausecke.

RB

'Kommt, ihr Hübschen.' Amüsiert bezieht die Frau mit Hut das auch auf sich und trottet dem Knecht hinterher. Da sie den ganzen Tag im Niesel zugebracht hat, ist es ihr inzwischen herzlich egal. Einzig die widerspenstige Strähne ist vor Nässe so schwer, dass sie wieder mit der Hand aus dem Gesicht geräumt werden muss.
Unterwegs wendet sie sich Widumir zu. Die zunehmende Verwirrung der schweigenden Geschwister inkaufnehmend, deklamiert die Schauspielerin: "Ach, was nützt einem ein Bruder auf einer fernen Insel. Hätte ich doch nur einen Beschützer, der mich so tapfer bewacht wie Irinio! Melida, ich hoffe, du weißt, wie glücklich du dich schätzen kannst. Mein Beschützer giert dagegen nach Untieren. Wohlan, die schwere Satteltasche sei deine Beute, sie wird dich reichlich mit Nahrung versorgen und die Strecke sei die bis zum Schankraum. Um das zweite Taschenmonster werde ich mich wohl bekümmern", dabei deutet sie auf die jeweiligen Taschen, "und ich habe großes Vertrauen, dass es Tori in Alriks Händen besser geht als in unseren."

NW

Melida versteht immer weniger, worüber hier eigentlich gesprochen wird, und daher wirkt ihr Nicken etwas mechanisch, als sie darauf aufmerksam gemacht wird, wie glücklich sie sich schätzen kann, einen Bruder wie Irinio zu haben. Als die Worte tiefer in ihr Bewusstsein sickern, erblüht jedoch ein Lächeln auf ihrem Gesicht und sie schenkt ihrem großen Bruder einen dankbaren Blick.
Dann reckt sie sich etwas und raunt ihm zu: "Sollen wir lieber hineingehen?" Ein blinzelnder Blick in den sprühregnenden Himmel erläutert den Grund dieser Frage hinreichend. Dieses eine Mal scheint sie die Gedanken ihres Bruders nicht zu erraten.

OHH

So soll Widumir Jana also die Hand auflegen, könnte man hämisch meinen. Vermutlich würde er dies auch so ausgesprochen haben, wenn jene nicht so unermüdlich weiterfabulierte. Es gibt keinen konkreten Anlass, sie zu unterbrechen. Offenbar geht es ihr nun um blanken Unsinn, was an sich ja kein Problem wäre.
"Jawohl, Euer Schnittlaucht!" Dies soll genügen, denn langsam tun Widumir die schlichten Gemüter leid, welche zum Wahnsinn zu treiben oder auch nur zu ängstigen er momentan auch keinen Grund sieht.
Ein weiteres, vielleicht letztes gutmütiges Mal übernimmt er also wie gewünscht ihre schwerere Satteltasche und wendet sich dann nach dem Geschwisterpaar Ausschau haltend der Hofeinfahrt zu.

RB

Die Behütete will gerade die beiden zur Salzsäule erstarrten Geschwister einladen, mit in die Gaststube zu kommen, als sie durch das Gespräch der Neuankömmlinge abgelenkt wird. Eine Skaldin, offenbar unterwegs mit Tochter und Mutter? Und Haustier?? Und man scheint sich allgemein zu kennen, sogar Widumir??? Das überrascht Jana etwas, ist aber kein Grund sich nicht einzumischen.
"Swafnir zum Gruße allerseits!" grüßt sie zurück. Sie bleibt stehen und legt eine Hand auf den Griff des Floretts, das beim Laufen immer so unpraktisch herumschlenkert. "Ihr seid eine Skaldin?" wendet sie sich sogleich der Mittelalten zu. "Das ist ja wundervoll. Werden wir heute Abend in den Genuss Eurer Musik kommen?"

LR

Eine Weile rührt sich Irinio einfach nicht. Der Pulk auf dem Hof löst sich auf, neue Gesichter tauchen am Rande des Blickfelds auf, mit Alrik und dem Grauchen gehen jene, deretwegen man noch draußen bleiben könnte. Hier ist alles getan.
Nun, immerhin kann er seinem Zögern einen - wenn auch vorgeschobenen - Grund geben, indem er seiner Schwester nun pri... priv... naja, allein eben, zuraunen kann: "Hüte dich vor diesem Mann, der scheint mir ein windiger Bursche. Und nicht ganz bei Trost. Und so." Fast will er zur Verdeutlichung solch komplexer Gedanken eine Geste bemühen, etwa den Zeigefinger um die Schläfe kreisen lassen, aber wer weiß, ob der Mann ihn am Ende noch dabei sieht, also lässt er's sein.
So. Nun kann man hineingehen. Muss ja wohl sein.

GH

Leider wird die Häuslerin in unterbrochen, als sie schon die Finger gestreckt hat. Mit einem Mal scheinen aus allen Ecken Leute herbeizukommen - und schneller, als sie gucken und begreifen kann, nennt da auch schon jemand ihren Namen.
"Wie-hie?" ist das erste, das sie überrascht von sich geben kann. Beim zweiten Hinblicken erkennt das Weib aber jenen buntscheckigen Jüngling, den sie hier eben erst das erste Mal gesehen hat. Und bei dem es sein Aussehen und Auftreten nahelegen, dass er sich womöglich einen Jokus mit der lieben Guttli machen möchte. Na, da hat er aber die Richtige getroffen!
"Und ich grüße keinen, der sich nicht selbst vorstellt, wenn er andere mit Namen grüßt, lieber grüßender Herr!" Zu diesen Worten streckt sie den Rücken und stemmt die Arme in die Seite. Manchmal ist es gut, einen Soldaten zum Vater gehabt zu haben.

NW

"Keine Sorge, Bruderherz. Eine brave Müllerstochter ist doch bestimmt nicht die Kragenweite des hohen Herrn. Den sehe ich nach heute doch eh nicht wieder." Melida nimmt die Sache wie üblich nüchtern und von der praktischen Seite. Während sie noch spricht, zieht sie Irinio mit dem untergehakten Arm bereits sacht in die richtige Richtung und lächelt ihn beruhigend an.

OHo

"Das wohl", entgegnet Twina der Schmeichlerin, die sie so plötzlich anspricht. "Will sagen: Eine Skaldin bin ich wohl; ob du nachher noch etwas von mir zu hören bekommst, hängt davon ab, ob man mich in diesem Wirtshaus später noch spielen lässt!"
Dann wendet sie sich wieder der Alten zu.

OHH

Da muss Widumir doch glatt wieder einen Schritt rückwärts tun und sich der Alten zudrehen. Mit solcher Schlagfertigkeit hatte er ja gar nicht gerechnet. Aber um so besser. Sein Gesicht hellt sich in ehrlicher Freude auf. Die Frau gefällt ihm!
"Recht so! Ich nenne mich und heiße so: Widumir, dies ist mein wahrhaftiger Name, jawohl. Angenehm." Ein mädchenhafter Knicks und ein breites Lächeln begleiten die Rede.

JS

Von dem bunten Mann verwirrt, bleibt Tygrid einen Moment stehen und dreht sich, um ihn im Vorbeigehen beschauen zu können. Ob das wohl eine Art hiesiger Skalde sein mag? Der Blick zur Mutter ob des gefallenen Wortes bleibt da nicht aus, auch wenn sie von einer anderen angesprochen wurde.
Beim Wiederumdrehen zum Hof erkennt sie dann noch zwei weitere: Leute eher ihrer als der anderen Altersstufe. Mit einem breiten Lächeln geht sie nun also von dem Tumult der Erwachsenen fort, die da so laut sprechen, dass Ferkelchen wieder ein wenig zu strampeln beginnt. Dann lieber die leise Jugend.

GH

Ein wortreicher Patron! Na, es bleibt nur zu hoffen, dass er so wahrhaftig ist, wie sein Name es vorgibt. Es würde die Alte nicht wundern, wenn der nächste bunte Vogel, der erscheint, sich mit 'Soichdir' vorstellt. Aber vorerst kommt kein weiterer.
So bleibt ihr nichts anderes, als einen ebenso höflichen Knicks anzudeuten. "Dann wünsche ich Herrn Widumir auch alles Angenehme in Travias Namen. Guttli Albinstochter heiß ich."
Damit erinnert sich sich aber auch der Thorwalerin, der sie etwas antworten wollte. Halb wendet sie sich ihr zu, ohne jedoch Herrn Widumir durch Zudrehen des Rückens auszuschließen. "Ja... Was wollt ich noch gleich sagen?" schaut sie von Twina zu dem Buntgekleideten und auf ihre zum Aufrechnen immer noch vorgestreckte Hand.

RB

"Prima", freut sich die Schmeichlerin und wird kurz größer, als sie es gerade noch schafft, einen freudigen Luftsprung zu unterdrücken. "Das wird man bestimmt." Da die Skaldin sich aber gleich abwendet, wendet auch Jana sich in die ursprünglich geplante Richtung. Dort stellt sich Widumirs Gesprächspartnerin gerade vor. Als deren wandernder Blick die Schauspielerin streift, meint sie eine Frage darin zu sehen und fühlt sich aufgefordert, Gruß und Vorstellung ebenso höflich zu beantworten: "Travia zum Gruße, Guttli Albinstochter. Ich heiße Jana Daminovicz und bin sehr erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen." Der zugehörige Knicks wäre vorbildlich, wenn sie nicht mit der einen Hand die Satteltasche und mit der anderen das Florett festhalten müsste und die Augen standesgemäß niederschlüge, aber für einen matschigen Hof im Nieselregen in Reisekleidung nicht schlecht.

OHH

Beinahe möchte Widumir das Muttchen an sich drücken, so sehr gefällt ihm die aufrechte und aller anfänglichen Brummeligkeit trotzende freundliche Art. Dennoch ist er lange genug unter Menschen, um ihr erst einmal etwas Ruhe und Zeit zum näheren Kennenlernen zu geben, welches später noch erfolgen mag. Einstweilen genügt es ihm, sie lächelnd zu beobachten.

LR

'Nicht die Kragenweite des hohen Herrn?!' Na, da soll doch...! Beinahe schwenkt der Beschützerinstinkt des großen Bruders ins andere Extrem um, und sooo kurz ist er davor, seiner Schwester klarzumachen, dass der so geheißene hohe Herr sich mal schön freuen dürfte, wenn er je einen Kragen fände, der seiner Schwester auch nur annähernd das Wasser, also... nicht?!

GH

Da soll doch gleich! Wie aus dem Nichts erscheint nun auch noch die Gefährtin des bunten Vogels, die doch gerade noch ganz woanders war, und stellt sich mit ausgesuchter Höflichkeit vor.
"Und ich bin..." lässt die Häuslerin die zur Aufzählung ausgestreckte Hand sinken und knickst ein weiteres Mal rein unwillkürlich, so wie man es ihr als junges Ding mit fester mütterlicher Hand vermittelt hat. Dann erst wird ihr klar, dass die junge Frau sie ja bereits beim Namen genannt hat, und das steigert die Verwirrung der Alten um ein weiteres. Was zuviel ist, ist zuviel - mit einem Male fühlt sie sich wie in einem der zahlreichen Ratespiele, die sie mit Idas Kindern oder auch der kleinen Wina so oft erlebt und oft auch verloren hat. Und kann nicht anders, als herzhaft aufzulachen.
"Nein, jetzt bin ich raus - verzeiht, gerade war ich dabei, Twina hier" - dabei deutet sie auf die Thorwalerin - "etwas erzählen zu wollen. Aber ich weiß nicht mehr was. Das sind eine Menge Grüße auf einmal. Und so viele neue Gesichter..."
Sie kneift die Brauen in innerer Sammlung und rechnet all die Menschen zusammen, deren Namen sie sich merken sollte: 'Twina, Tygrid, Wie-dumir und...genau. Jana.'
"Vor allem anderen seid auch Ihr gegrüßt, Frau Jana, in Travias Namen", nickt sie höflich der jungen Dame zu. Den schier unmerkbaren Nachnamen spart sie dabei wohlweißlich aus.

OHH

Ganz verliebt schaut Widumir der Alten zu. Sowas als Großmutter müsste doch eine wahre Lebensbereicherung darstellen! Doch auch bezüglich ihrer Worte geht seine Phantasie mit ihm durch: Was könnte sie erzählen gewollt haben? Vom neuesten Dorftratsch oder eher von... einem verzauberten kleinen Prinzen, der nun ein Schweinchen ist!? Widumirs Blicke suchen das Mädchen mit dem Ferkel.

GH

Noch etwas ratlos schaut das Weib in der Runde der Umstehenden hin- und her, von der jungen Frau zu der thorwalschen... ja richtig, Skaldin, zu Herrn Widumir, der offensichtlich nun nach jemandem anderen Ausschau hält. Offensichtlich ein umsichtiger Mensch. Und wie ihr Blick so auf dem Buntgekleideten hängenbleibt, da findet sich ganz von selbst des Rätsels Lösung. So einfach ist das! Manchmal braucht es nur einen stillen Augenblick - und alles kommt zurück.
"Barden!" bricht es fröhlich aus der alten Frau heraus, und sogleich hat sie ihre Sicherheit wieder. "Das ist es. Twina fragte mich nach denen, die uns unsere Geschichten nahebringen. Ja, und das sind hier im Lande die Spielleute und Barden. Und natürlich die Priester. Allen voran Vater Travicio, unser Geweihter der gütigen Herrin."
Traurig wird ihre Miene mit einem Male und ihre Hände ringen sich in Anteilnahme zusammen. "Und Mutter Dorida, hätte ich sagen wollen. Frau Travia und Herr Boron seien ihr gnädig." Solches aussprechend schlägt sie das Rad und verstummt einen kurzen Augenblick, ehe sie mit bitterer Stimme fortfährt: "Viel zu früh. Ach, viel zu früh..."

OHH

Ob der Aussicht, alsbald Geschichten zu hören, kehrt Widumirs Blick sogleich zu der Alten zurück. Womöglich weiß sie schon Genaueres über den verzauberten Prinzen. Wo kam er her, und warum kam er nicht an? Im nächsten Moment zerplatzt die spannenden Vorstellung.
Priestergeschichten sind meist allzu zielgerichtet, um interessant zu sein. Und dann auch noch ein kürzlicher Todesfall! Wie unerquicklich!
"Mja, also dann... Es regnet", deutet Widumir seine Absicht an, sich nunmehr von diesem Platze zu verabschieden. Zwar stören ihn die Tröpflein überhaupt nicht, welche er eh schon in die Schulterbereiche und andere Stellen seiner Kleidung aufgesogen hat, langweilige Geweihte und nicht mehr zu ändernde traurige Umstände hingegen durchaus.

OHo

Twina nickt auf die plötzliche Erkenntnis der Alten hin. "Dann bin ich wohl so ein Zwischending zwischen Barde und Priester." Sie kichert ein wenig in sich hinein, wird dann aber wieder ernst, als Guttli die Verstorbene erwähnt. "Willst du drüber reden? Oder lieber später?"
Ein kleiner Blick wandert zu ihrer Tochter, doch die scheint mit den beiden jungen Leuten ganz gut klarzukommen.

RB

"Twina", wiederholt Jana halblaut den Namen, um ihn sich besser merken zu können, dabei blickt sie in Richtung der Skaldin.
Das Thema erfordert jetzt irgendeine Reaktion. Die junge Frau ist froh, dass sich die Skaldin der Alten annimmt, bevor ihr selber eine passende - oder schlimmstenfalls unpassende - Antwort eingefallen ist. "Tja, äh, wir gehen dann wohl schon mal rein", nimmt sie die Anregung ihres Beschützers auf und beginnt sich von der Gruppe zu lösen. Dabei blickt sie Widumir an, ob er wohl mitkommt.

GH

Es ist doch immer dasselbe Lied, muss die Häuslerin mit plötzlichem Erstaunen zur Kenntnis nehmen. Sei nur in irgendeiner Weise vom Tod betroffen, und die Leute weichen prompt auf die andere andere Seite des Weges aus, sobald sie dich sehen. Dass dies allerdings nun auch schon so ist, sobald man einen Todesfall nur erwähnt, ist der Alten neu. Ja, und es enttäuscht sie sogar, dass der eben noch so umsichtige Herr Widumir sich so umtriebig davon macht und die eben noch so geschmeidig grüßende Frau Jana so ungeschmeidig verschwindet. Dabei ist dies doch wichtig!
Aber das wird sie diesen beiden nicht nahebringen können. Stattdessen ruft sie dem Buntgescheckten nur nach: "Wenn das für Euch Regen ist, da hättet Ihr bei dem großen Wetter im Jahre neunundneunzig dabei sein sollen!" Man hüte sich nur vor der Leichtfertigkeit, die solchen Zorn beschwört!
Kopfschüttelnd wendet das Weib sich ab. Immerhin ist da eine, die Anstand bewahrt. "Verzeiht", wendet sie sich der Skaldin wieder zu, "was fragte Twina mich gerade?"

OHo

Etwas irritiert ist Twina darüber, dass sie so angesprochen wird als würde die Alte über jemand Drittes reden. "Ich... fragte, ob du mehr erzählen willst über das, was du gerade erwähnt hattest. Oder ob du damit noch etwas warten willst?"

OHH

In der Tat fiele Widumir nichts anderes ein, als Jana überholend voranzuflüchten - wenn die Alte nicht soeben eine neue, faszinierende Geschichte hervorkramen würde. Ein Unwetter, wie spannend!
Doch diese Twina haut gleich wieder in die alte ungeliebte Kerbe. Hoffnungslos! "Wichts wie neg!" murmelt er leise zu sich und macht ein weiteres Mal auf dem Absatz kehrt, zu Jana, an ihr vorüber zur Straße, zu schönen Gedanken eilend.

GH

"Worauf warten?" schaut die Alte verwirrt die Thorwalerin an. Gerade war sie doch noch bei dem großen Wetter, bei dem Gänsebauers damals die Gänse davonschwammen und der kleinen Ida die Rosinen aus dem Brei geweht wurden. Aber nicht mal dies will der flatterhafte Mensch hören, der sich nun endgültig um die Ecke davonmacht.

RB

Einen Moment bleibt die junge Frau noch zurück; vielleicht kommt ja doch noch eine gute Geschichte. Aber die Alte ist nicht gerade die begnadete Erzählerin und das Gejammer muss sie sich nicht länger anhören. "Also bis später dann", verabschiedet sie sich zum zweiten Mal, an niemanden speziell gewandt, um die Unterhaltung nicht zu stören. Dann schlendert sie Widumir hinterher. Der scheint es ja wirklich arg eilig zu haben, ins Trockene zu kommen. Soll er ruhig. Nicht, dass Jana etwas gegen trockene Kleidung und einen leckeren Tee einzuwenden hätte, aber deshalb muss man ja noch lange nicht so rennen. Vor allem, wenn man davon träumen kann, was man wohl mit einem inszenierten Schiffsuntergang für Stücke auf die Bühne bringen könnte. Vielleicht wird sie ihr Engagement kündigen und mit ein paar Kollegen über die Jahrmärkte ziehen; jetzt, wo die Zeiten wieder sicherer sind. Nicht zuletzt dank ihres Vaters, kehren ihre Gedanken zum Zweck der Reise zurück. 'Natürlich!', trifft der Geistesblitz die Schauspielerin, 'Die Seeschlacht bei Phrygaios ist der Titel. Und Papa der tragische Held des Stückes!' Und schon entfaltet sich das Schauspiel vor ihrem inneren Auge.

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Redaktion und Lektorat: OHH 2013