Fasar, ich komme!

Autoren: Lars Feddern und Oliver H. Herde

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Schon tänzelt Widumir ohne erklärende oder entschuldigende Worte um das Kopfende des Tisches und somit Sicas Rücken herum. Die offenkundig schlechter werdende Stimmung am Nachbartisch bestätigt ihm, dort einstweilen nicht vorstellig werden zu wollen. Noch ist er zu gut gelaunt, um sich irgendwelcher miesmuffeliger Stenkerhähne annehmen zu wollen, würden sie sich als Deckendekoration auch sicher nicht schlecht machen.
Der feiste Mann in dem schwarzen und doch hübsch bestickten Kleid scheint sich ähnliche Gedanken zu machen. So vollzieht Widumir in seinem schwingenden Gang eine zur Erreichung des Türtisches völlig unangebrachte Biegung um die mittlere Säule des Schankraumes herum, um den Schwergewichtigen mal eben aus der Nähe zu betrachten.

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Faramuds Blick folgt den Worten derer an Tisch und Theke, sind sie auch unsichtbar, als wären sie die kleinen feurigen Geschosse, mit denen der Meister einst seinen Schutzzauber prüfte. Aus den Augenwinkeln nimmt er eine Bewegung vom hinteren Teil des Schankraumes aus wahr.

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Für einen Moment scheint so, als wollten sich die Leute am Kamintisch gegenseitig an die Gurgeln fahren. Darüber doch arg erstaunt, bleibt Widumir unweit seines raumeinnehmenden Zieles stehen und schaut zu der Szenerie hinüber.
Da der Unfrieden jedoch bereits wieder abebbt, beugt sich der junge Mann dem nicht viel älteren entgegen, die faszinierenden Schnörkel auf dessen Gewand betrachtend. "Darf ich mal fühlen?" fragt er wohl eher rein rhetorisch, da sich seine Hand bereits dem Stoffe nähert.

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Vom Gespräch am Kamintisch zu sehr eingenommen, erkennt sich Faramud zu spät als Ziel der im Augenwinkel ausgemachten Bewegung. "Wê Ifriitim ay Rh'yyl!" entfährt ihm überrascht ein tulamidischer Wortschwall - zum dritten Male an diesem Tag, was abergläubischere Naturen als ihn womöglich in Sorge versetzt hätte - und er versucht, mit einem Schritt zurück auszuweichen. Zu plump und zu langsam, wie wohl ein Fechtlehrer schelten würde.
Und da die Zeichen auf seiner Robe weit weniger zaubermächtig sind als jenes, dem Faramud soeben sein Gepäck anvertraut hat, geschehen in diesem Augenblick wohl nur zwei Dinge: Widumir fühlt den weichen, aber dünnen Stoff der schwarzen Robe und die silbernen Fäden, die, von kundiger Hand angefertigt, in diesem Fall das arkane Weg-Symbol bilden - und Faramud steigt die Schamesröte ins Gesicht, als er sich derart befummelt wiederfindet.
Zwei Herzschläge später ringt sich der Schüler Rafim Beys mit geweiteten Augen ein mehr entsetztes als drohendes "H...ättet Ihrr die Güte, das zu unterrlassen..." ab.
Diesen Tag zu ersinnen, muss den Mächten der Zeit große Freude bereitet haben.

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"Gesundheit!" wünscht Widumir bei den fremdartigen Worten des Magiers wie ein braver Junge. Allerdings passt der aufgeweckte Giesichtsausdruck irgendwie nicht ganz dazu. Die hand hat er indes bereits zurückgezogen, wenn er sie auch noch emporhält wie einen Raubvogel auf Beuteflug.
"Jaja, ich habe doch ganz saubere Finger!" Was seit der Langung in der großen Pfütze draußen von pingeligen Leuten wohl abgestritten würde. "Ich wollte ja nur mal schauen!" Was er gerade selbst widerlegt hat. "Fühlt sich schön an. Wo hast du das Kleid her?"

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Faramud wirkt sichtlich irritiert.
"Meine Kleidung", antwortet er, bevor ein Teil seines Verstandes aufbegehrt und aufheulend Rechenschaft darüber verlangt, warum der Mund den abgerissen erscheinenden Fremden eigenmächtig zum Gesprächspartner erklärt hat, "stammt aus Fasar, der Mutter aller Städte, der Stadt der hundert Götter." Nach kurzem Nachdenken erscheint es ihm geboten, hinzuzufügen: "Sie ist denen vorbehalten, die die alten Wege der Kophtanim und Mudramulim beschreiten und Zeichen der Macht, über die sie gebieten."
'Also sei froh', denkt er sich 'dass nur meine Kleidung aus Fasar stammt.'

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Auch den letzten Satz irrig auf die Stadt anstatt auf die Kleidung beziehend, stemmt Widumir die Fäuste in die Seiten und wiegt beeindruckt den Kopf. "Aha, das sind ja ulkige Straßennamen! Wohnen da auch andere Leute als Götter? Als Mutterstadt ist sie doch bestimmt etwas größer, oder?"

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Ein Magier aus Fasar hätte das Gespräch an dieser Stelle wohl durch einen Wink und einen Funken der Kraft beendet, Faramud jedoch blinzelt nur kurz und zieht die Brauen leicht zusammen. Vielleicht ist es der Stolz auf seine mhanadistanische Heimat, der ihn das Gespräch mit dem ungelehrten Fremden fortführen lässt, vielleicht auch der Wunsch, nicht durch weitere harsche Worte die Aufmerksamkeit vom Kamintisch zu sich selbst zu ziehen.
"Hundert Götter wohnen in Umm Fasar, und wohl ebensoviele Menschen, deren Füße niemals den Staub der Straßen erdulden, herrschen über die Stadt. Zehntausende aber leben in ihr, sind ihre Hände und Füße und Lanzen und Schwerter. Es ist eine große Stadt, eine, von der auch der Unwissende gehört haben sollte, der noch nie ihre Aburja und die tanzende Radscha Uschtammar mit eigenen Augen gesehen hat."

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Zunächst nickt Widumir nur wohlwollend lächelnd, als er vermeint, der kugelhafte Mann wiederhole sich. Allerdings ergänzt er für sich selbst, dass einige dieser Götter also auch UM Fasar herum wohnen, dafür aber immerhin schon zweihundert Einwohner zu zählen sind. Erst bei der letzten Zahl weiten sich seine Augen höchst beeindruckt.
"Oh, das sind aber ein paar viele!" Kurz lässt er wieder einmal seine Augen in ihren Höhlen umherrollen, um sich die Größenverhältnisse besser vorstellen zu können. Allerdings liegen sie doch etwas jenseits seiner Vorstellungskraft.
"Das würde ich gern mal sehen! Ich mag neue Dinge. Und ich tanze auch sehr gern. Wo finde ich denn die Wege Kofalim und Murmeldin?" Vielleicht hat er ja Glück, und die Straße draußen ist schon einer davon. Dann wäre es bis zu diesem Fasar nicht so weit.

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Faramud blinzelt erneut. Eigentlich kein besonderer Vorgang, aber auf die Worte des Buntgekleideten erscheint es bedeutsam, ist es doch für einige Herzschläge Faramuds einzige Regung.
"Ihr könnt nach Fasar gehen, Sohn der Tapferkeit", stellt er dann mit gönnerhaft geplantem, aber leicht gezwungen wirkendem Lächeln fest. "Es ist ein weiter und" - er schaut auf seine Füße herab, als erwarte er, dass diese die durchlittenen Qualen lautstark bezeugten - "beschwerlicher Weg dorthin. Die Pfade der Kophtanim aber werdet Ihr nicht finden. Sie können nicht mit den Füßen, sondern nur im Geiste beschritten werden. Und auch das... vermögen nur wenige."

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Auch Widumir blinzelt in einer höchst nachdenklichen Weise. Er erkennt, wohl etwas missverstanden zu haben. Offenbar führen die erwähnten Wege in irgendeine andere Richtung als nach Fasar. Möglicherweise ist das ja so, wie wenn man zu den Kobolden oder zu den Feen geht.
"Oh, danke! Und macht fast wenig, denn so ein weiter Weg bietet auch viel Neues, was man betrachten kann." Seinen Mangel an Ausdauer vergisst Widumir dabei gänzlich. "Ist das nach links oder rechts?"

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"Wenn Ihr das Haus von Tesden E'berwirt-Sahib verlasst" - Faramud gestikuliert vage in Richtung der Eingangstür hinter sich, ohne sich dorthin umzudrehen - "wendet Euch zur Rechten und strebt dorthin, wo sich jeden Morgen die Sonne erhebt. Im Land des Gadang werdet Ihr Umm Fasar finden. Aber seid gewarnt: Sie heißt niemanden willkommen, sie ist eine stolze und gefährliche Gastgeberin."

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Als Selbstverständlichkeit hinnehmend, verstanden worden zu sein, stellt sich Widumir vor, wie er der Sonne entgegenwandert. Ja, vielleicht ist das Wetter morgen ja freundlicher. Obwohl das Herumpatschen auch Spaß gemacht hat.
Gastgeberin? "Oh, dann werde ich ihr Blümchen pflücken. Danke für den guten Rat!" Im Grunde hat er schon fast vergessen, weswegen er nach fasar will. Lediglich der Anblick der zeltartigen Gewänder direkt vor sich erinnert ihn noch daran.
Obgleich er gar keinen Hut trägt, vollführt Widumir doch eine Geste, als zöge er einen solchen mit einer ausschweifenden Bewegung und verbeuge sich dazu. Offenkundig mehr das spielerische Nachahmen von etwas Gesehenem als ersthafte Höflichkeit.

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'Blümchen' hallt es in Faramuds Geist nach, und unwillkürlich beschwört er vor seinem inneren Auge das Bild herauf, wie der Fremde mit einer Hand voll Gestrüpp den Türmen der Erhabenen entgegenstrebt, während ihn Straßenkinder grinsend und feixend verfolgen, die älteren Jungen vielleicht schon nach dem Krummdolch tastend oder begehrliche Blicke auf das Messer an Widumirs Gürtel werfend.
Fast mitleidig mustert der junge Magier sein Gegenüber, ein Schatten fällt auf sein rundes Gesicht. Bis eben hatte er den Fremden nur für ungebildet und leicht seltsam gehalten, aber nunmehr dämmert ihm zunehmend, dass er es mit einem erwachsenen Mann zu tun hat, dem die Mächte es im Zorn versagten, jemals mehr als das Gemüt eines Kindes zu haben.
Er könnte ihn ziehen lassen, er ist nicht für dieses große Kind verantwortlich. Er ist Faramud sal Rafim Bey, zu dem die Totengeister kommen, Erbe der Kophtanim, Gebieter über Dämonen, Kundiger der Glyphen der Mudramulim, künftiger Herr von Naggilah - wenn das der Wunsch seines Meisters sein sollte...
"Geh nicht nach Fasar", schießt der Beschwörer diese Überlegungen ebenso in den Wind wie die förmliche Anrede des Horathi. "Das ist kein Ort für dich."

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So kommt es, dass Widumir voller Verwunderung weiter bei seinem Gegenüber stehen bleibt, anstatt endlich zu dem jungen Fräulein weiterzueilen. "Wieso denn auf einmal nicht, Meister der Bäuche!? Ich möchte doch" - einen winzigen Moment muss er überlegen, wie sie eigentlich auf Fasar kamen - "ach ja, so schone Kleider haben wie du. Und außerdem scheint man in dieser Stadt viel zu sehen zu bekommen. Die Gastgeberin werde ich schon irgendwie zum Lachen bringen, wenn sie so ernst ist." Wäre auch das erste Mal, wenn nicht!

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"In Fasar", antwortet Faramud, die Anspielung darauf, dass er alle Zeichen des Wohlstands trägt, eher geschmeichelt als beleidigt auffassend, "kann ein falsches Wort, eine falsche Frage den Tod bringen. Oder Kleidung zu tragen, die einem nicht zusteht. Diese Roben sind wie dieser Stab und die Tughra in meiner Hand" - er öffnet die Linke und hält sie vor sich, wodurch eine wie mit schwarzer Tinte aufgetragene Kalligraphie in der Handfläche sichtbar wird - "Zeichen des Magiers."

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Neugierig beugt sich Widumir über die zur Betrachtung dargebotene Hand und schaut sich alle Details ganz genau an. "Wie schade; das ist schön! Aber vielleicht darf ich mir ja was anderes in die Hand malen lassen und ein etwas farbenfroheres Kleid tragen? Grün, rot und lila vielleicht? Das wäre eh viel schöner." Die Warnung scheint nur sehr bruchstückhaft bei ihm angekommen zu sein. Entweder hat er sie nicht recht begriffen oder schert sich schlicht nicht darum.

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Faramud ist in der Tat irritiert, dass seine erste und bedrohlichere Warnung keine Beachtung erfährt. Andererseits hat der Narr offenbar auch ohne seine Hilfe ein gesundes Mannesalter erreicht, so dass der Zauberer es letztlich gut sein lässt. Fasar ist weit. "Vermutlich", schließt er also schlicht mit einem Nicken und lässt den Arm wieder sinken.

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in offen strahlendes Antlitz ist der Lohn dieses einen nachgebenden und versöhnlichen Wortes des beleibten Magus. Für Widumir scheint damit alles geklärt. Wieder einmal fühlt er sich in allem bestätigt. "Fein!" ruft er daher aus und hebt erfreut die Fäuste vor die Brust, um sie sogleich seitlich wieder hinabzuschwenken.
Dann folgt ein Nicken. "Danke, Gewaltiger! Das wird bestimmt lustig!" sind die letzten Worte, bevor sich Widumir unvermittelt abwendet.

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'Lustig hoffentlich nicht nur für die Mächte', denkt sich Faramud und schaut dem seltsamen Kauz nachdenklich hinterher. Aber heißt es nicht, an Kindern und Tumben hätten sie besonderen Gefallen? Vielleicht ist das Leben für diesen Mann weniger gefährlich, als Faramud glaubt. Vielleicht weniger gefahrvoll als sein eigenes.

Weiter geht es mit der verrückten Tischgesellschaft.


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Redaktion und Lektorat: OHH