Pikeniers Rast
Autoren: Iris Schischmanow, Oliver H. Herde und andere
OHH/IS
Zwei Menschen bewegen sich über die Staatsstraße in Richtung Horasia. Es sind dies eine hochgewachsene blonde Frau in alter Lederkleidung sowie ein deutlich kleinerer dunkelhaariger Soldat in farbenprächtiger Uniform. Beide schweigen sich an, wie man es bei diesem ungleichen Paar kaum anders erwartet hätte.
Doch irgendwann bemüht sich der Mann mit der Pike über der Schulter, die Stimmung durch ein fröhliches Marschlied anzuheben: "Wir fürchten keine Orken und selbst Trolle sind zu klein...!"
Genervt schaut die Frau auf ihren Begleiter und verdreht die Augen. "Muss das sein? Ich habe mir das schon den ganzen Tag lang anhören müssen." Mit diesen Worten beschleunigt sie demonstrativ ihre Schritte und versucht offensichtlich, ihren Begleiter abzuhängen. Jener beendet zwar sogleich seinen Gesang, doch heftet er sich auch dicht an ihre Fersen, was sie neuerlich reizt.
In diesem Moment kommt ein Gasthaus in Sicht. Sich plötzlich scheinbar sehr einig, steuern die beiden es an.
IS
Immer schneller geht die Frau. Die letzten Meter bis zum Gasthaus rennt sie schließlich, so als könne sie es nicht mehr abwarten. Hastig öffnet sie die Tür und tritt ein. Die wohlige Wärme die ihr entgegenschlägt verändert ihre Haltung schlagartig. Sie bleibt abrupt stehen, wobei sie noch die Tür blockiert. Alle Anspannung scheint aus ihrem Körper zu entweichen, und ihr entfährt ein wohliges "Ooooooooohhhh!"
OHH
Gewiss, auch der Pikenier hat es durchaus eilig, ins Haus zu kommen. Über seine Weggefährtin schüttelt er mitleidig lächelnd den Kopf. Wie kann man nur so eine Frostbeule sein! Mag ja sein, sie stammt aus dem heißblütigen Süden, aber ihre Ahnen kamen unverkennbar aus dem kühlen Norden.
Ein eigenartiger Tumult, den der kleine Mann aufgrund des Schneegestöbers erst spät bemerkt, lenkt seine Aufmerksamkeit kurzfristig ab. Allertdings ist er nicht so verrückt, sich dort einzumischen. Man ist ja schließlich kein Veterinär!
So schlüpft auch er in die Gaststätte, wobei er beinahe auf die Freundin prallt. "War die Temperatur draußen zum Erstarren nicht passender?" fragt er sarkastisch, während er sich mit der freien Hand die Flocken von Kopf und Schultern klopft. Zum Glück muß er dabei nicht allzu sehr auf die Decke achtgeben, ist doch seine Pike nicht wie üblich dreieinhalb, sondern lediglich zweieinhalb Schritt lang.
Er ist in blaue Hosen und rotes Wams gewandet, darüber trägt er ein silbern gehaltener Wappenrock mit einem aufwendigen Wappen dieser drei Farben. Der Rucksack ist offenkundig gut gefüllt.
"Darf ich dir ein Bett mitbestellen, oder möchtest du mal wieder draußen in deiner Hängematte schlafen?" Das breite Grinsen wie der ironische Ton lassen darauf schließen, wie rhetorisch diese Frage gemeint ist.
IS
In der kurzen Zeit, als die Frau still steht, kann ein Beobachter sehen, dass sie recht groß gewachsen ist und von kräftiger Gestalt. Unter ihrem Umhang kann man braune Lederkleidung und hohe Stiefel sehen. Ihr unter einer Fellmütze verborgenes Haar scheint kurz und dunkelblond zu sein. Graue Augen schauen aus einem sonnengebräunten Gesicht. Auf dem Rücken trägt sie einen Ranzen, an den sie allerlei wasserfeste Utensilien befestigt hat, wie zum Beispiel einen Wasserschlauch und ein Seil. An Waffen trägt sie einen Jagdspieß und ein Messer am Gürtel. Weiterhin hat sie einen circa einen Schritt langen Gegenstand in Lederlappen gewickelt und auf den Rücken geschlungen. Der Köcher an ihrer Hüfte läßt vermuten, dass es sich dabei um einen Bogen handeln kann. Ein recht unkriegerischer Schal und Handschuhe runden das Bild ab.
Für ihren nach ihr eintretenden Gefährten und seine erste Bemerkung hat sie nur einen giftigen Blick übrig. dass der aber auch gar nichts mitbekommt! Wie kann man anderen Leuten nur so auf die Nerven fallen?! Allerdings will sie auch nicht offen zugeben, dass es teils die Aussicht auf etwas Wärme war, teils aber auch der Versuch, zu ihm etwas Abstand zu gewinnen, das ihre Schritte so beschleunigte. Und so kommt ihr seine zweite Bemerkung als Ablenkung gerade recht.
"Tja, also wenn du mir ein Zimmer mit zwei Haken an den gegenüberliegenden Wänden verschaffen könntest, wäre das wahnsinnig lieb von dir!" sagt sie während sie versucht, ihre Stimme etwas sehnsüchtig klingen zu lassen, ohne dabei in schallendes Gelächter auszubrechen. Um dem noch eins draufzusetzen, schaut sie ihren Begleiter tief in die Augen und versucht einen `Hundeblick', was aber nicht so ganz gelingt, da das unterdrückte Lachen sich in ihren Augen widerspiegelt. Nur nicht übertreiben, denkt sie.
OHH
Die Wünsche seiner Begleiterin mit den Ohren aufmerksam verfolgend, nimmt der Pikenier nun doch seinen Tellerhelm mit dem sogenannten `Gebamsel' ab, die Tautropfen abzuschütteln.
"Ich kann ja mal nachfragen", erwidert er treuselig und wendet sich zur Theke, wo er Zimmer zu bestellen als am sinnvollsten erachtet. Dort spricht eine bekopftuchte Frau Anfang dreißig mit Leinenkleid und Schürze soeben mit einem Thorwaler.
Allerdings redet er sie nicht sofort an - teils auch aus Höflichkeit, kein laufendes Gespräch zu stören, vor allem aber, die Speisetafel und insbesondere die Preise sorgsam zu studieren. Ongaler Tee ist offenbar kürzlich teurer geworden. Kein Wunder bei diesen Zeiten! Das Tagesgericht ist durch ein eingesetztes Täfelchen hervorgehoben und mit Kreide geschrieben.
Betreffs der Übernachtung hat er sich schnell entschieden, doch was den Bauch anbelangt, ist er nicht ganz anspruchslos. Unwillkürlich fährt die Zunge über die Oberlippe. Das alles klingt nach dem langen Marsch ja so verlockend!
IS
Sprachlos ob der treuherzigen Versucherung, steht die Frau da und folgt ihrem Begleiter mit den Augen. Oder hat er das etwa ironisch gemeint? Bei diesem Gedanken kneift sie mißtrauisch die Augen zusammen. Neugierig ist sie ja doch und so schlendert sie auf die Theke zu, um das Gespräch zwischen dem Wirtspersonal und ihrem Begleiter nicht zu verpassen. Dabei versucht sie, einen uninteressierten Eindruck zu machen und nicht zu neugierig zu erscheinen. Sie läßt etwas Abstand zwischen sich und dem Mann - jedoch nicht so viel, dass sie nicht mithören kann - und lehnt sich lässig gegen die Theke.
OHH
Den Blick halb an die Tafel, halb an die Frau hinter der Theke gerichtet, bemerkt der Pikenier das Nachfolgen seiner Weggefährtin gar nicht.
Ganz so rege erscheint das Gespräch zwischen Thorwaler und Köchin nicht - vielleicht ist es schon beendet oder der Nordmann überlegt noch. Da kann man sich doch einmal kurz mit einer Zwischenfrage einbringen: "Verzeiht - Travia mit Euch - gibt es in diesem Hause ein Zimmer mit Haken für Hängematten?"
Auf diese ungewöhnliche Frage weiß die Köchin zunächst nur mit einem völlig verdutzten Blick zu antworten. Ähnlich würde man vielleicht dreinschauen, wenn sich ein aus dem Nichts aufgetauchter katzenköpfiger Gast mit violett karierten Tentakeln mitten im Schankraum entkleidete und dabei `Festum, Festum' gröhlte - aber dies nur so nebenbei...
PD
Die Magd kehrt an die Theke zurück. "Kann ich helfen?" fragt sie in die Runde.
OHH
Von Sionas Worten wird die Köchin aus ihrer Verwirrung erweckt. Einen Moment lang wechseln ihre Blicke zwischen den verschiedenen Leuten an der Theke hin und her. Eine gute Frage, aber sie weiß momentan nicht recht, wie sie angesichts dieser etwas verfahrenen Situation darauf antworten soll.
Am besten, man fertigt erst einmal alles andere ignorierend diesen verrückten kleinen Kerl mit seinem Spieß ab. Andererseits wäre es möglicherweise raffinierter, ihn Siona zu überlassen. Zu viel Bedienung verdirbt den Gast.
"Es mag sein, dass es auf dem Dachboden Haken in den Wänden gibt, aber er dürfte recht unaufgeräumt sein. Fragt lieber den Wirt oder..." Sie schaut wieder auf die Magd, diesmal fragend. Ob es hilfreich wäre, ihr alles zu erklären?
Der Pikenier derweil bemerkt, zu welchen Komplikationen seine Frage zu führen droht. Der Thorwaler wirkt zwar geistesabwesend, doch vielleicht überlegt er ja nur, wann er in einem Anfall von Ungedult aus sich herausplatzen soll. "Ich möchte keine Umstände bereiten. Gebt mir erst einmal nur ein Bett im Schlafsaal! In dem anderen Falle muß ich erst rückfragen." Dabei fällt ihm ein, dass Leocadia gar nichts zum Essen gesagt hat. So schaut er sich nach ihr um - in der völlig falschen Richtung, da er sie irgendwo tiefer im Halbdunkel des Schankraumes vermutet.
IS
Amüsiert beobeachtet Leocadia die Bemühungen ihres Begleiters, ihr ein hängemattengeeignetes Zimmer zu finden. Das Ergebnis überrascht sie nicht, sie hatte ja auch nicht ernsthaft damit gerechnet, hier ihre gewohnte Schlafstatt `auftzuschlagen'. Und auf dem zweifellos kalten Dachboden möchte sie nun auch nicht schlafen. Doch wenn sie Glück hat, geht dort der Schornstein vom Kamin durch. Dann wäre sie dem Boden nicht abgeneigt. Diese Gedanken schießen ihr durch den Kopf als sie bemerkt, wie Waienn sich suchend umblickt. So leise wie möglich tritt sie von hinten an ihn heran und tippt ihm auf die Schulter: "Suchst du mich?" kommt es in einem übertrieben unschuldigen Ton von ihren Lippen.
OHH
"Ohh! Ja. Gut, dass du hier bist. Es ist wohl doch einfacher, wenn du deine Vorstellungen selbst vorbringst." Damit weist er auf die beiden Frauen hinter dem Tresen.
Die eine erscheint dabei beinahe ein wenig erschrocken. Gleich drei Gäste, die nicht wissen, was sie wollen! "Siona, übernimmst du bitte? Es riecht hier so angebrannt..." Damit flüchtet sie sogleich in die Küche.
Verhalten den Kopf schüttelnd, schaut der Pikenier ihr nach, bis sein Blick durch eben dieses Wackeln auf die andere Bedienung fällt und haften bleibt. Seinen Bettwunsch hatte er ja bereits in ihrem Beisein geäußert, während er sich noch immer nicht endgültig entschieden hat, was er denn speisen möchte - und letztlich wollte er sich ja auch nicht vordrängeln.
PD
"Äh, ja..." läßt Siona nur noch von sich verlauten, als die Köchin von Haken auf dem Boden redet und dann das Weite sucht. Schwierige Gäste?
"Ein Bett, ja", wendet sie sich dann mit arg gerunzelter Stirn den drei unentschlossenen Leuten zu, vor allem dem Mann mit der langen Waffe, die wohl bald irgendwo hängen bleiben wird. "Ist das vorläufig alles?"
IS
Das ist mal wieder typisch! denkt sich Leocadia, als Waienn einen Rückzieher macht. Erst bietet er an, ihr eine Schlafstatt zu besorgen, und sobald es etwas komplizierter wird, läßt er sie hängen. Dann flüchtet auch noch eine der beiden Frauen hinter der Theke, und die andere scheint es eilig zu haben. Jetzt aber schnell, sonst ist die auch noch weg!
"Ähm, gute Frau, gibt es hier vielleicht einen warmen Platz, an dem ich meine Hängematte aufhängen könnte?" Nach kurzem Zögern setzt sie fort: "Dabei geht es mir in erster Linie aber darum, dass es auch schön warm ist. Vielleicht gibt es ja auf dem Dachboden, dort wo der Schornstein vom Kamin ist, etwas, wo ich mein `Bett' aufhängen könnte?" Dabei ist ihrem niedergeschlagenen Gesicht anzusehen, dass sie nicht so recht glaubt, eine Schlafstatt zu bekommen, die ihren Vorstellungen entspricht.
OHH
Zufrieden, seiner Freundin so geholfen zu haben, schaut der pikenier wieder auf die Speisetafel. Und als die Jägerin ihre Probleme erklärt hat, beantwortet er kurz die Frage, welche die ältere Frau auch an ihn richtete: "Ich werde einen Neethlingshofer probieren, dazu" - er legt noch einmal überlegend den Zeigefinger an die Lippen - "das Geschlachtete mit Quarkkartoffeln." Allein bei dem Gedanken läuft ihm bereits das Wasser im Munde zusammen.
DC
"Das wohl! Bei Swafnir!" ruft der Thorwaler und läßt ein tiefes dumpfes Lachen ertönen, bis er schräg nach unten blickt. Anfangs noch verdutzt, läßt er den Krug vor der Frau auf die Theke knallen und ruft fröhlich: "Ja... da is zuviel Luft drin!"
PD
Fein, denkt sich Siona, während sie nach einem Schlüssel kramt und diesen hervorholt, wieder alle auf einmal. Und dann auch noch die Frage nach Platz für eine Hängematte. "Ich fürchte, nein", gibt sie zur Antwort. "Allenfalls in der Scheune, oder draußen - aber warm habt Ihr es dann bestimmt nicht."
Mit einem Nicken, dass sie die Bestellung vernommen hat, reicht sie währenddessen dem Uniformierten den Schlüssel. "Die Treppe hoch und ganz durch, die Nummern sind angeschrieben."
Als der Thorwaler mit einem Mal polternd die viele Luft beklagt, zuckt sie zusammen. Barbarenvolk! Aber geistesgegenwärtig greift sie nach dem Krug, während sie sich wieder der Frau zuwendet.
IS
Dass sie hier keinen Hängemattenplatz bekommen würde, hatte sie sich schon gedacht. Trotzdem seufzt Leocadia endtäuscht und zuckt mit den Schultern. "Na, in dem Fall nehme ich den wärmsten Schlafplatz, der noch zur Verfügung steht." Und ohne die Speisekarte eines Blickes zu würdigen, fährt sie fort: "Außerdem hätte ich gerne eine Suppe, den Braten und einen großen Becher Würzwein."
OHH
'Was wohl das wohl?' fragt sich der Pikenier im ersten Moment, als der Thorwaler so unvermittelt herumkrakehlt. Aber vermutlich hat er nur etwas nicht mitbekommen. Das geht ihn ohnehin nichts an.
"Travia mit Euch", bedankt er sich den Schlüssel annehmend und holt damit auch seinen noch nicht an die Magd gerichteten Gruß nach.
Anschließend wendet er sich dem Schankraume zu. Wieder gibt es etwas zu entscheiden, nämlich, wo man sich plazieren soll. Die leeren Tische scheiden von vorne herein aus, der am Kamin ist anscheinend voll besetzt. Weiter hinten gibt es einen alten Mann in vertraut wirkendem Gespräche mit seiner mutmaßlichen Enkelin. Jener scheint links ein Beinproblem zu haben, aber erst einmal steht dem Uniformierten nicht der Sinn nach Kundschaft, sondern nach einem gemütlichen Gespräch bei gutem Essen, sich von den Strapatzen des langen Fußweges zu erholen.
So bleibt der große Tisch, an dem jemand ausgesprochen Helles sitzt - von der Anatomie her könnte es sich hier gut um einen Elfen handeln. Erstaunlich, so weit südlich einen zu treffen - wenn es einer ist. Und um so erstaunlicher, was da alles an Geschirr auf dem Tische steht!
Neugierig geworden, macht sich der kleine Kerl auf den Weg, schwerfällig die Pike den Säulen und Dachbalken auszuweichen schwenkend.
Unter der unhandlichen Last schwankend, schiebt er sich durch den halbvollen Schankraum. Auch der pralle Rucksack hilft nicht immer, das Gleichgewicht zu halten. Man muß sich unbedingt wieder ein Maultier beschaffen! Handwerkszeug wie Handelswaren nehmen einfach zu viel Raum ein, und dieses Gewicht, dieses Gewicht!
Weiter geht es am Tische...
Redaktion und Lektorat: Oliver H. Herde