Das Wagenrennen um Engasal: Aperian
Spielleiter: Oliver H. Herde, Aperian: Jan Richling
Es ist Frühling in Silas, als der junge Aperian einen Auftrag als Bewachung eines Weinhändlers bekommt. Es soll gen Felsfelden gehen, einer Signorie, welche schon nicht mehr fern zum Garether Reich liegt. Nach zwei ruhigen Reisetagen übernachtet man in Aperians Geburtsstadt Vinsalt. Es ist noch nicht sonderlich spät am Abend, als man sie erreicht.
Während Vinsalt immer näher rückt, spielt Aperian immer mehr mit der Überlegung, ob er das Haus aufsuchen soll, in dem er aufgewachsen ist. Nach dem Tod seines Großvaters ist es im Besitz fernerer Verwandter, die sich nie etwas aus ihm gemacht haben, doch immerhin ist dies der Ort, an dem er aufgewachsen ist.
Später, in der Stadt, hat Aperian diese Überlegungen ein wenig verdrängt und ist eifrig mit der Bewachung der Weinladung beschäftigt.
Aus Geiz oder Vorsicht richtet sich der Händler auf dem Wagen eine Schlafstatt ein. "Ihr könnt Euch ruhig ein wenig die Beine Vertreten, wenn ihr nicht zu lange fort bleibt und Euch nicht betrinkt", meint er dabei zu Aperian.
Aperian mustert kurz den Wagen und sieht sich um, ob er in der Nähe irgendwelche offensichtlichen Gefahren erkennen kann. Dann nickt er zu den Worten des Händlers. "Keine Sorge - ich mache mir aus alkoholischen Getränken nicht viel, und wenn ich wie jetzt einen Auftrag habe, dann meide ich sie ganz. Genügt es Euch, wenn ich kurz vor Sonnenuntergang wieder hier bin?"
"Gewiss!" Der Händler schaut hinauf zum Himmel, auch wenn man wegen der vielen Häuser die Sonne schon nicht mehr sehen kann. "Von mir aus auch noch etwas später, denn bis dann ist nicht mehr lange hin. Ich werde so lange wach bleiben."
"Habt Dank! Ich werde pünktlich sein. Ich möchte nur ein wenig durch die Gegend gehen - ich komme aus der Umgebung dieser Stadt und war lange nicht hier."
Er wartet keine Antwort ab, sondern geht langsam und bedächtig von dannen. Sein Weg hat eigentlich kein besonderes Ziel, aber fast von selbst führen ihn seine Füße in die Richtung jenes Vorortes, in dem er aufgewachsen ist.
Er weiß, dass er dort bestimmt nicht willkommen ist - vielleicht nicht einmal erkannt wird, doch er möchte nur den Ort wiedersehen, und mit niemanden sprechen.
Nachdem er das Haus seiner Familie ein Weilchen beobachtet hat, ohne bemerkt zu werden, kehrt Aperian zum Wagen des Händlers zurück.
Des Nachts stellt sich die weise Wahl dessen heraus, denn in diesem Viertel scheint es wenig Überfälle zu geben. Auch die folgenden Tage der Reise sind beinahe langweilig ereignislos. Irgendwann meint der Händler: "Im Süden habt Ihr sicher mehr erlebt. Dort soll es viele Räuberbanden geben."
"Im Süden... Ja. Ich war zwar nicht sehr weit im Süden, aber es ist noch gar nicht so lange her, dass mir ein ganzer Haufen Goblins über den Weg gelaufen ist. Und sonst das Übliche... ein paar Leute, die lieber das Eigentum anderer haben wollen, als ehrlich zu arbeiten." `Andererseits ist es nicht schlecht, dass es solche Leute gibt, schließlich verdanke ich denen mein Einkommen.'
"Goblins, soso", raunt der Händler. "Die sieht man selten hier, noch seltener als Orks. Seit man sich oben im Neuen Reich um den Thron zankt, toben die sich ja gründlich aus." Er weiß offenbar nicht recht, ob er sich darüber freuen soll. "Da gäbe es sicher Bedarf an vielen Söldnern. Und wer weiß? Vielleicht findet Ihr eines Tages den sagenhaften Orkenhort?"
"Orkenhort?" Aperian ist sich sicher, das schon einmal gehört zu haben. Und ihm fällt auch gleich ein, was ihn daran gestört hatte: "Meint Ihr nicht, dass die Orks zu dumm sind, um irgend etwas zu horten?"
"Zu dumm?" Der Händler lacht. "Wie kann man dazu zu dumm sein? Wenn sie schlau wären, würden sie es investieren!"
Aperian nickt. Aus der Sicht eines Händlers mag das zutreffen. "Aber glaubt Ihr, dass jemand einem Ork genehmigen würde, Geld bei ihm anzulegen? Oder dass jemand einem Ork etwas abkauft?" Er glaubt allerdings, die Antwort schon zu kennen - wenn es um Geld ging, waren die Menschen zu allem fähig - das hatte er gerade in seiner Branche schon oft genug gespürt.
Und tatsächlich erwidert der Händler: "Soweit ich weiß, wird durchaus mit den Orks vereinzelt Handel getrieben. Von den Andergastern hört man dergleichen. Und vergeßt nicht, das Svelltal ist den Orks tributpflichtig! Da wird es auch Handel geben."
"Dann wird es den Orkenschatz wohl tatsächlich geben. Fragt sich nur, wo er zu finden ist. Aber ich muß sagen, dass mich Schätze nicht so sehr anlocken, wie es bei anderen Söldnern der Fall sein mag." Aperian zögert kurz. Dann fügt er mit einem Grinsen hinzu: "Wenn ich natürlich über einen stolpern würde, dann würde ich ihn auch nicht liegen lassen. Oder, wenn mich jemand für eine Schatzsuche bezahlt."
"Ihr seid mir ja einer!" lacht der Händler. "Für eine Schatzsuche auch noch bezahlen lassen! Wer könnte so dumm sein? Aber vielleicht findet Ihr ja in Nostria oder Andergast jemanden. Da gibt es ja genug Verrückte!" Sein Bauch schüttelt sich vor lachen.
Aperian fühlt sich völlig falsch verstanden. "Nein! Ganz anders. Ich meine, wenn mich jemand bezahlt, um ihm bei etwas derartigem zu helfen - etwa als Bewachung oder so - dann wäre ich dabei."
"Ach so", erwidert der andere ernüchtert, und die Fahrt geht weiter.
Aperian sagt nichts mehr zu diesem Thema, beobachtet aber aufmerksam die Landschaft - zum einen im Rahmen seiner Aufgabe, und zum anderen, weil er an dieser speziellen Stelle noch nicht war.
Wenig geschieht in den nächsten Stunden. Die Landschaft zieht sich wenig abwechslungsreich dahin. Felder und Dörfer werden immer seltener, die Wäldchen zu Wäldern.
Doch auch Tiere zeigen sich kaum. Nur einmal erblickt Aperian hoch am Himmel einen dunklen Punkt, gefolgt von einem hellen.
Aperian schirmt die Augen mit den Händen ab und mustert die beiden Punkte am Himmel genauer. Sie scheinen keine Bedrohung darzustellen, aber er wüßte schon ganz gerne, was das ist - genauso, wie ihn interessiert, was sich in dieser Gegend für Getier herumtreibt.
Leider ist sich Aperian nicht sicher. Das vordere wirkt auf ihn wie ein schwarzer Raubvogel, das dahinter scheint ein weißes Gefieder zu haben. Sie fliegen in annähernd nördlicher Richtung davon.
Aperian kneift die Augen zusammen und verfolgt die beiden Vögel ein Stück mit dem Blick. Er wundert sich darüber, denn warum sollten zwei unterschiedliche Vögel zusammen fliegen?
Er sieht zu dem Händler hinüber, um festzustellen, ob dem diese merkwürdigen Vögel auch aufgefallen sind.
Der Händler wurde offenbar erst aufmerksam, als Aperian so auffällig nach oben starrte. "Seltsam", murmelt er.
Aperian wendet sich ganz dem Mann zu. "Könnt Ihr da oben etwas erkennen? Normal scheint mir das nicht zu sein, dass zwei so unterschiedliche Vögel friedlich zusammen in eine Richtung fliegen!"
"Da mögt Ihr wohl recht haben! Ich verstehe ja nicht viel von Vögeln. Mein Gebiet ist der Wein", und dabei klopft er gegen das vorderste Faß hinter sich. "Gewiß jagen Adler bisweilen Gänse, aber umgekehrt..." Er schüttelt ratlos den Kopf, und der Wagen klappert weiter über die Pflastersteine.
Aperian sagt nichts mehr zu diesem Thema, aber seine Gedanken sind noch für ein Weilchen bei den Vögeln - allerdings, ohne in der Wachsamkeit nachzulassen.
Dann wendet er das Wort an den Händler: "Wart Ihr schon einmal in diesem Felsfelden?"
"Oh ja! Allerdings ist das schon einige Jahre her. Das Fest der Freuden muß man gesehen haben!" Und schon beginnt der Händler trotz körperlicher Nüchternheit weinseelig von jenem Feste zu erzählen. Allein für den ersten Tag - den Tag der Einstimmung - braucht er wohl über eine Stunde, und er läßt sich auch kaum darin unterbrechen.
Irgendwann beschreibt die Straße einen engen Bogen, während ein ausgetretener Pfad geradeaus weiterverläuft. Jenen holpert der Wagen entlang, während der Händler vom traditionellen Kuchenbacken am dritten Tage erzählt und von der Bäckerin, die er damals kennenlernte und bald darauf ehelichte.
Schließlich gelangt man auf eine Lichtung, die von einem unheimlichen, schwarzen Turm beherrscht wird. Als der Händler diesen erblickt, unterbricht er seine Erzählung erschreckt. "Nanu, wo sind wir denn hier gelandet?"
Aperian hört höflich zu, ohne seinen Brötchengeber zu unterbrechen. Als sie die Straße verlassen, merkt er das sehr wohl, und denkt sich dabei, dass es wohl nicht mehr weit bis nach Felsfelden sein kann, wenn sie auf solchen Wegen weiterziehen. Immerhin kennt der Händler den Weg ja!
Überrascht sieht er diesen dann an, als sie den schwarzen Turm erreichen. "Das sieht mir nicht nach dem Felsfelden aus, von dem Ihr erzählt habt!" Beinahe unwillkürlich findet seine Hand zum Griff des Schwertes.
"N-nein, in der Tat!" stottert der Händler. "Wir müssen uns verfahren haben." Er überlegt. "Wäret Ihr so gut, dort nach dem Wege zu fragen?" Sein Zeigefinger weist direkt auf die große Eingangstür des Turmes.
Aperian blickt zu der Tür, dann zum Händler. "Aber natürlich!" Er steckt das Schwert weg, dann geht er langsam zu der Tür, an welche er recht behutsam klopft.
Die Tür wird aufgerissen und jemand bellt dir ein unfreundliches "Ihr wünscht?" entgegen.
Du erblickst einen hageren Mann in dunkelgrauer Kutte, der wohl schon weit über zwanzig Götterläufe gesehen hat. Er mag vom Scheitel bis zu Sohle gut einen Schritt und viereinhalb Spann messen, jedoch wirkt er, aufgrund seiner schlanken Gestalt, die weder Fett noch ausgeprägte Muskeln aufzuweisen scheint, wesentlich größer. Unter dichten, schwarzen Augenbrauen, die über der Nase fast zusammenlaufen, starren zwei grüne Augen hervor, die Dich beinahe greifbar durchbohren.
Er hat ein glattes Gesicht, Umrahmt von hüftlangem, pechschwarzem Haar, das im Nacken durch ein schwarzes Seidentuch mit silbernen arkanen Symbolen zusammengehalten wird. Allerdings zieht sich eine Narbe von der linken Stirnhälfte bis hinab in den Vollbart.
Aperian sieht den Mann freundlich an. "Verzeiht bitte, aber wir haben uns anscheinend verlaufen. Könntet Ihr uns bitte sagen, wie wir von hier aus auf den Weg nach Felsfelden zurückfinden?" Aperian sagt das in einem Ton, der die Absicht durchschimmern läßt, dass er nach der Beantwortung der Frage wieder abziehen wird.
Verwirrt schüttelt der Magier seinen Kopf, bevor er sich schließlich zu einer Antwort durchringt: "Nun, einfach den Weg zurück, auf dem ihr gekommen seid," wobei er auf den einzigen Weg deutet, der zu seinem Turm führt, "oder wollt Ihr behaupten, dass ihr mit diesem Wagen durch den dichten Wald gezogen seid?" Mißtrauisch beäugt er die beiden Neuankömmlinge.
"Nein, natürlich nicht! Also gibt es keinen kürzeren Weg als wieder zurück?" Aperian wirft dabei einen kurzen Blick auf den Wagen.
"Nein, gibt es nicht, so Ihr nicht zur interlimbischen Translocatio befähigt seit", meint Irian sarkastisch.
Da treten ein Pikenier und eine Rahjageweihte von drinnen hinzu. "Wir wollten dann aufbrechen, aber..." beginnt der Weibel.
Erwartungsvoll blickt der Magier ihn an, um schließlich ein "Aber was?" ertönen zu lassen.
"Nun, vielleicht könntet Ihr ja das schwierige Problem unseres geliebten Herzogs lösen..."
"Das da wäre?" Das Gesicht des Magiers nimmt einen unverkennbar skeptischen Eindruck an.
"Nun, ich bin leider nur dürftig informiert. Es geschehen wohl einige recht unerklärliche Dinge in der Burg. Man munkelt von Geistern. Die Fremdenpikeniere wurden jedenfalls angehalten, Magi mit Erfahrungen insbesondere auf dem Gebiete der Beschwörung nach Engasal zu bitten."
Derweil schlängelt sich die Geweihte zwischen den drei Männern hindurch nach draußen.
"Nun, dann bräuchtet Ihr schon einen Entschwörer und Nekrologen, keinen Elementaristen, obwohl ich mich auch auf jenen Gebieten durchaus auskenne. Wie weit ist es von hier nach Engasal?", fragt der Magier mit aufkeimendem Interesse.
"Nun, dann wäret Ihr doch gewiss der Richtige! Ihr müsst wissen, es geht wohl auch um elementare Verformungen, oder wie man das nennt." Dann überlegt er. "Die Entfernung, tja... Ich kam nicht auf direktem Wege hierher... Es liegt zwischen Nostria und Andergast..."
Weinheim stand vor der Tür, der Rest des Intros wurde also dort gespielt:
Der Weibel faselte noch ein wenig von Phänomenen, die Irian für solche aus seinen Fächern halten musste. Beide ahnten nicht, dass es sich vor allem um Illusionszauber handelte, aber wen interessiert schon solch ein feiner Unterschied... hähä...
Jedenfalls entschloss sich Irian, über den Limbus nach Engasal zu reisen, was die Angelegenheit auch für den Meister erleichterte, zumal Aperian mitgenommen werden wollte und wurde.
Das Wagenrennen rund um Engasal