Noch eine Drachengeschichte

Verfasser: Matthias von Zedlitz, Oliver Baeck, Oliver H. Herde, Volker Weinzheimer und andere

VW

Horathio schüttelt sachte den Kopf: "Und wie glücklich bin ich, zu eben dieser Kategorie zu gehören! Ich habe einmal einen Meckerdrachen erlebt, mehr Drachen benötige ich mein ganzes Leben lang nicht mehr."

OHH

Nunmehr gilt Horathio Reskas volle Aufmerksamkeit. "Erzählt!" Gewiss macht einen Meckerdrachen mehr aus als sein Name ohnehin vermuten lässt. Andernfalls mag wenigstens Interessantes über den Inhalt seiner damaligen Worte zu erfahren sein.

MvZ

Zaünins nichtssagender Blick wendet sich gebannt Horathio zu. Meckerdrache. In ihrem Kopf formt sich das Bild einer übergroßen Ziege mit Drachenschwingen.

VW

Horathio räuspert sich: "Was soll ich sagen; das liegt alles gefühlt ein Leben zurück. Ich war noch ein junger, draufgängerischer Sohn aus gutem Hause, hatte mich gerade gegen den dezidierten Willen meines Vaters an einer Krieger-Schule eingeschrieben und begleitete einen meiner damaligen Lehrmeister auf einer Reise in die Berge."

OHH

Wieder ein Vater, der vermeint, für sein Kind besser entscheiden zu können als es selbst. Diesem gilt auch für kurz Reskas vorwurfsvoll ernster Blick, bevor die Miene sich wieder entspannt und offenem Interesse und Mitgefühl weicht.

VW

"Fragt nicht, wie, irgendwann hatte ich meinen Lehrmeister überholt und war tüchtig ausgeschritten, als ich an eine Wegkreuzung gelangte und mich genötigt sah, zu warten, bis mein Meister irgendwann auftauchen würde. Ich machte meinem Unmut Luft - nun, damals war meine Wortwahl wohl noch ein wenig feuriger - und hörte plötzlich eine knarzende Stimme, die mich zurechtwies: 'So was sagt man nicht!'"

OB

Floris ahnt, worauf diese Geschichte hinauslaufen wird, und beginnt schon vorher amüsiert zu glucksen.

MvZ

"Die Stimme des Lehrmeisters?" vermutet Zaünin. Eine rätselhafte Geschichte scheint ihr das zu sein. Aber Lehrmeister weisen ihre Schüler normalerweise zurecht, wenn die etwas ungehöriges von sich geben. Wahrscheinlich war der Lehrmeister schneller unterwegs als Horathio gedacht hatte.

OHH

Ein Drache mit Witz? Warum nicht! Sie sollen ja recht klug sein - mehr als manch ein Mensch. Dagegen erscheint Reska Zaünins Vermutung wenig naheliegend; dann hätte Horathio die Stimme fraglos nicht als knarzend, sondern als dem Lehmeister angehörig beschrieben. Nun ja, die arme Echse versteht ja so manches nicht, was Reska ein etwas mitleidiges Lächeln abnötigt.

VW

"Mitnichten", entgegnet Horathio. "Ich sah mich verwirrt um, fand weder eine Spur meines Lehrmeisters noch irgendeines anderen Wesens und schloss daraus, mir etwas eingebildet zu haben, was ich natürlich ebenfalls wieder entsprechend kommentierte."

MvZ

Zaünin starrt Horathio an und blinkt dabei zweimal mit beiden Augenlidern. Worauf diese Erzählung wohl hinauslaufen wird? Da fällt ihr ein, dass es doch um einen Drachen gehen sollte. Könnte die Stimme von einem Drachen stammen? Nicht von den Drachen, die sie kennengelernt hat. Deren Stimmen erschienen in ihrem Kopf. Außer wenn der Halbwüchsige seine Menschengestalt angenommen hatte. Sie starrt weiter, gespannt, wessen Stimme es nun war.

OB

"Ich habe da so eine gewisse Vermutung", wirft Floris immer noch mit einem breiten Grinsen ein, "aber erzähl' bitte weiter..."

OHH

Ganz recht, die Geschichte könnte etwas an Fahrt aufnehmen, zuminest was den bloßen Erzählfluss anbelangt. Womöglich liegt die Langsamkeit Horathios in der späten Stunde begründet. Auch Reska verliert an Wachheit und damit dem Überblick über die verschiedenen Geschichten um Schnee oder Drachen. Mit Urszula dürfte heute wohl nicht mehr zu rechnen sein.
Vielleicht noch irgendeine Kleinigkeit zur Nacht, bevor man im Bette später noch hungrig wird? Obst oder Kuchen? Wobei es auch ein schlichtes Stück Käse täte.

VW

"Kaum hatte ich meinen letzten Kommentar in die Luft geworfen, als mich irgendwas am Rücken traf. Wutentbrannt fuhr ich herum, sah aber nichts. Sogleich erwischte mich etwas am Hinterkopf, und herumfahrend nahm ich war, dass sich mir im Zickzack ein Holzapfel näherte, der, obgleich ich sofort aus dem Wege sprang, unvermittelt kehrt machte und mich und meinen Versuchen ihm auszuweichen eine Absage erteilte, stattdessen Fahrt aufnahm und mich mitten auf die Stirn küsste. Meine Reaktion und vor allem das, was ich in die Landschaft schrie, beschämt mich immer noch."

MvZ

"Ein Holzapfel?" Zaünin vermutet, dass sie sich verhört hat. Wahrscheinlich gibt sie sich durch ihre Nachfrage der Lächerlichkeit preis, aber das möchte sie nun doch genau wissen.

OB

Floris hört der Erzählung aufmerksam zu und versucht sich offenbar in diese Situation hineinzuversetzen. Zumindest deutet er mit einem Zucken des Kopfes oder des Oberkörpers die Drehungen an, die Horathio da beschreibt. Schon von diesen Gesten wird ihm leicht schwindlig, so dass er die Verwirrung seines Reisegefährten gut nachfühlen kann.
"Aha?" fragt er mit neugierig-amüsiertem Unterton.

OHH

Zuerst klingt für Reska der vermeintliche Angriff ein wenig nach Schneebällen, doch klärt Horathio hierin rasch auf. Ein Apfel aus Holz? Wie eigenartig - und wie schmerzhaft! Er kann froh sein, dabei nicht das Bewusstsein verloren zu haben! Demnach war es wohl ein zu Scherzen aufgelegter Drache mit der magischen Fähigkeit, Dinge aus der Ferne zu bewegen - oder sich unsichtbar zu machen, sofern er die Holzkugel in der Hand hielt.

VW

Kurz ist Horathio aus dem Erzählfluss gerissen: "Holzäpfel sind eine sehr klein geratene Apfelsorte. Sehr sauer. Und verdammt hart. Vor allem unerwartet am Hinterkopf."

OHH

Bisweilen zeigt sich eben doch noch, dass Reska hier nicht die Muttersprache hört und in gewohnter Sparsamkeit spricht. Dies tut der Geschichte hingegen bislang keinen Abbruch, denn zum einen dürfte auch der Aufprall eines noch so reifen Apfels am Haupte wenig angenehm sein, zum anderen weiß Horathio durch seine Formulierungen und Redewendungen zu fesseln. Richtig zu verstehen vermag man eine Erzählung naturgemäß eh erst, wenn man sie zur Gänze genossen hat.

MvZ

Also hat Zaünin sich doch nicht verhört. Zum Verständnis des erzählten Geschehens trägt die Erklärung für sie allerdings wenig bei. "Aber wo kam der Holzapfel denn her?"

VW

"Das genau fragte auch ich mich und sah mich um, als aus einem nahen Apfelbaum etwas aufstieg, das definitiv an einen Drachen gemahnte, indes in der Größe eher an einen Dackel erinnerte, ohne Schwanz versteht sich. Und dieses Wesen flog genau auf mich zu."

OHH

Unwillkürlich muss Reska an eine kleine Geschichte der Norbarden denken, in welcher ein Wesen dieser Größe, zudem allerdings auch mit einem hundeartigen Haupte vorkommt, welches im Norbardischen als ein 'Fuchur' bezeichnet wurde - ein eher lustiges Geschöpf. Jenes in Horathios Erzählung scheint zumindest ebenfalls zu Scherzen aufgelegt gewesen zu sein.

OB

Auch den Fortgang der Erzählung lässt Floris sich vor seinem geistigen Auge erscheinen. Wenn dieses Wesen nunmehr sichtbar ist, dann könnte man es ihm doch mit gleicher Münze heimzahlen und es seinerseits mit den herumliegenden Äpfeln bewerfen. Und wenn der Drache sich dann mit seinen Mitteln zur Wehr setzen und Feuer spucken würde? "Dann gibt's Bratäpfel", sagt Floris scheinbar zusammenhanglos.

MvZ

"Ohne Schwanz?" Zaünin wiederholt das Detail, das ihr am wichtigsten erscheint und ignoriert völlig den von Floris geäußerten Nachtisch-Wunsch. "Wie hat der Drache denn seinen Schwanz verloren?"

OHH

Warum der Drache seinen eigenen Apfel braten sollte, erschließt sich Reska so wenig wie die Annahme, ein Wesen ohne Schweif müsse einen solchen verloren haben. Entsprechend unschlüssig wird zwischen den drei Sprechenden umhergeschaut. Nun, immerhin letzteres könnte so eine Echsen-Sache sein...

VW

Horathio blickt irritiert seine Tischgenossin an: "Natürlich hatte der Drache einen Schwanz, er war halt so groß, ohne dass sein Schwanz dazugerechnet war. Halt wie man Spinnen auch in ihrer Größe ohne Beine angibt." Dann ruckt sein Kopf zum Reisegefährten: "Meinst du, so was kann man hier als Abschluss bekommen?"

MvZ

Zaünin gibt einen Seufzer der Erleichterung von sich. Die Vorstellung, ihren Schwanz zu verlieren, ist für sie grässlich. Wieviel schlimmer muss es für eine fliegende Echse sein!

OHH

Horathio möchte eine Spinne haben? Ach so, nein, wohl eher einen Bratapfel. Leise lächelt Reska über sich selbst wie über Zaünins offenkundiges Mitgefühl mit einem für sie nun doch nicht unvollständigen Drachen.

VW

"Wo war ich noch mal stehen geblieben?" Horathio runzelt die Stirn. Diese ganzen Zwischenüberlegungen machen die Sache des Erzählens definitiv nicht einfacher. Dann nickt er, als er den Faden wiederfindet: "Auf alle Fälle flog das Vieh auf mich zu und fluchte dabei wie ein Rohrspatz."

MvZ

Vieh? Was für eine despektierliche Bezeichnung für einen majestätischen Drachen! Auch wenn es ein Drache in Dackelgröße ist - ohne Berücksichtigung des Schwanzes. Aber Zaünin geht hierauf nicht ein. Dafür ist ihr ein anderer Aspekt der Erzählung viel zu erklärungsbedürftig: "Wie genau flucht ein Rohrspatz?"

VW

Horathio grinst: "Laut, in einem fort ohne Luft zu holen und in so unflätiger Weise, dass ich dies nicht wiederholen mag..."

VW

"Kaum hatte mich dieser Miniaturdrache erreicht, setzte er sich auf meine Schulter, als sei ich ein herumstehender Baum, und sah mich interessiert an."

OHH

Offenbar setzen sich demnach Rohrspatzen auch auf Bäume, überlegt Reska schmunzelnd.

OB

Die Frage nach dem Nachtisch irritiert Floris kurz, aber sichtlich - offenbar verbindet er sie mit den zuletzt gehörten Worten 'Drache ohne Schwanz' und nicht mit seiner eigenen, eher unbewusst ausgesprochenen Bemerkung. Der Gedanke, Horathio könnte schwanzlose Drachen zum Dessert verspeisen wollen, ist aber so absurd, dass er der berühmten Rasierklinge des Mönchs nicht lange standhält.
"Auf der Karte stehen sie nicht", antwortet er mit etwas Verzögerung. Und damit seine Tischgenossen nicht in ähnliche Verwirrung fallen wie er selbst vor wenigen Augenblicken, setzt er hinzu: "Ich meine Bratäpfel. Nicht Rohrspatzen."

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"Schade", ist alles, was Horathio erwidert. "Wie dem auch sei, dieser verflixte Minidrache hatte es sich augenscheinlich zum Ziel gesetzt, mir seine Meinung von Dere, Alveran und dem übrigen Universum im Allgemeinen und meiner Person im Besonderen mitzuteilen. Und dies mit Worten, die wiederzugeben an dieser Stelle nicht geziemt."

MvZ

Eine Frage, die Zaünin schon seit mehreren Sätzen von Horathios Erzählung beschäftigt, stellt sie nun in einem denkbar unpassenden Moment: "Wie sieht eigentlich ein Rohrspatz aus?"

VW

Und wieder bricht der Erzählfluss. "Wie sieht...?" Horathio muss sich erst einmal sortieren.

OHH

Genau genommen stehen vermutlich auch Rohrspatzen nicht auf der Karte, überlegt Reska. Horathios Zurückhaltung hingegen lässt die Frage offen, ob er sich womöglich auch gar nicht mehr so genau an die Worte des Drachen erinnert.

OB

"Wie ein Spatz, dem man einen weißen Kragen umgelegt und eine schwarze Kappe aufs Haupt gesetzt hat", antwortet Floris auf die Frage der Heilerin. Dann schaut er neugierig zu Horathio, weil er doch gerne wissen möchte, wie dessen Geschichte weitergeht.

MvZ

Zaünin nickt Floris zu, dankbar für die Beantwortung ihrer Frage. Die Beschreibung erklärt zu ihrem Bedauern nicht, woher der Rohrspatz seinen Namen hat. Die Heilerin spart sich jedoch die Nachfrage und versucht stattdessen, sich den Rohrspatz bildlich vorzustellen, und sich zu erinnern. Vielleicht hat sie einen solchen Vogel ja schon einmal gesehen, ohne dessen garethischen Namen zu kennen. Vielleicht ist 'Rohrspatz' auch eine lokale Bezeichnung für ein Tier, das im Mittelreich ganz anders genannt wird.

OHH

Mitanhörend, wie Floris ohne jedes Grinsen die arme Zaünin veräppelt, stützt Reska die Stirne kurz auf die Handfläche, um sich dann über erstere zu streichen. Bei der Gelegenheit gibt es auch gleich noch eine kribbelnde Stelle, die sich über ein Kratzen freut.

VW

Kurz atmet Horathio durch und lässt dabei Floris' Antwort unkommentiert. Allerdings ergänzt er schicksalsergeben: "Das Schimpfwort 'Schimpfen wie ein Rohrspatz' kommt daher, dass diese Spatzen sich einen Spaß daraus machen, einen Jäger, der sich anschleicht, um ein Beutetier zu schießen, auszuschelten und so die Beute zu verjagen, was in der Regel dazu führt, dass auch der Jäger wild zu fluchen anfängt...
Wie dem auch sei, dieser Handtaschendrache ließ es nicht an blumigen Ausdrücken dafür fehlen, dass ich seiner Ansicht nach weder höflich noch erzogen sei und auch sonst jede Form an Respekt fehlen lasse; und dies mit Worten, denen jeglicher Respekt und jegliche gute Erziehung mangelte."

OB

Kurz überlegt Floris, auch noch das 'Rohr' in 'Rohrspatz' zu erläutern, aber da ist Horathio mit seiner Geschichte schon wieder ein ganzes Stück weiter. Oder vielmehr: Er setzt zum dritten Mal an fast derselben Stelle an. Sein Reisegefährte hat auch leider kein wirklich dankbares Publikum. Er lächelt ihm aufmunternd zu.

OHH

Wie wohlerzogen er tut, der gute Horathio! Ob dies jedoch vielleicht nur gespielt ist, nimmt sich Reska nach so kurzer Bekanntschaft nicht zu beurteilen heraus. Aber bei so häufiger Beteuerung des angeblich Unwiederholbaren steigt doch die Neugier ausreichend, um eine heisere Äußerung aus ungewohnter Tischecke hervorzurufen: "Zum Beispiel?"

MvZ

Zaünin nickt zu Horathios Erläuterung. Solch warnendes Verhalten kennt sie nicht nur von Spatzen, sondern von vielen Vögeln.
Ihr Gedankengang bricht ab, als sie das Wort ‚Handtaschendrache‘ vernimmt. Wie das wohl gemeint ist? Hatte der Drache eine Handtasche dabei? Oder werden diese kleinen Drachen gejagt und zu Handtaschen verarbeitet?
Bevor Zaünin nachfragen kann, hat Reska schon eine Frage gestellt, deren Beantwortung somit Vorrang hat.

VW

Und wieder eine Störung. Horathio blickt zum Tischende und meint: "Zum Beispiel: Wenn du weiter die klare Luft mit unsinnigen Phrasen und noch bescheuerten Einwürfen verpestest, wird es hier stinken wie im Schweinekoben. Oder: Wenn du noch spitzfindiger wirst, dann sollst du Schwienigel heißen."
Horathio zuckt mit den Schultern: "So etwas halt. Ich bitte um Verzeihung, aber die Ausdrucksweise von Meckerdrachen ist nicht unbedingt nett."

OHH

Nun, diese Worte klingen doch recht harmlos in Reskas Ohren, was mit einem milden Lächeln beantwortet wird. Interessant hingegen der Umstand, dass diesen Äußerungen zufolge das gegenüber - also Horathio - selbst irgendwelche Gegenrede gehalten haben muss, deren Charakter nicht weiter klar wird.

MvZ

Schwienigel? Vermutlich eine Abwandlung von Schweineigel. Zaünin erinnert sich daran, einmal Geräusche von einem Feld vernommen zu haben, die einem grunzenden Schwein ähnelten, aber von zwei Igeln beim Liebesspiel stammten. Vielleicht waren das ja Schwienigel. Wenn es diese Spezifikation gibt, müsste es aber eigentlich auch noch andere Igel geben, die sich nicht so anhören. Da sich Horathio und Floris schon mit Vögeln so gut auskennen, überlegt sich Zaünin, ob sie mal nachfragt.

OB

Immerhin an einen Zuhörer ist Horathios Scherz nicht verloren. Floris gluckst leise in sich hinein und lächelt dann seinen Reisegefährten verschwörerisch an.

OHH

Jener Blick von Floris weckt allerdings noch einen anderen Verdacht in Reska. Womöglich ist dies alles von vorne bis hinten eine Lügengeschichte. Letztendlich mag dies gleichgültig sein, wenn sie nur hinreichend unterhält.

VW

Kurz hält Horathio inne. Kein Kommentar? Keine wegführende Frage? Kein Widerspruch? Er atmet langsam aus.

MvZ

Zaünin bemerkt, dass Horathio seine Erzählung unterbrochen hat, offenbar um Fragen entgegenzunehmen. "Wieviele Arten von Igeln sind Euch bekannt?"

OB

Floris' Lächeln erstarrt zu einer Grimasse. Es wäre ja auch zu schön gewesen. Er ordnet seine Gesichtszüge wieder zu einer neutralen Maske, bevor er sich zu der Heilerin umwendet. "Ich für meinen Teil würde jetzt lieber hören, wie die Geschichte meines Reisegefährten weitergeht."

VW

Horathio lächelt. Er hat es gewusst. Was die Frage angeht... "Keine, um ehrlich zu sein. Man sieht den ein oder anderen Igel am Wegesrand, aber bekannt gemacht habe ich mich nie mit einem."
Ein Nicken zum Reisegefährten: "Aber bekannt wurde ich, wie gesagt, mit eben jenem Meckerdrachen. Es dauerte eine geraume Weile, bis sich der Kerl ausgemotzt hatte und ich ertrug dies mehr oder weniger gelassen, wurde mir doch irgendwann klar, dass mein Gegenüber sanfte und unterschwellige Kommentare entweder ignorierte oder gar nicht bemerkte. Also hielt ich es mit meiner Muhme und ertrug den Wortschwall, bis er irgendwann abebbte und dann endgültig einem - sehr kurzen - Schweigen wich."

OHH

Nanu, hat er den Faden verloren? Bei der Suche mag Zaünins Frage weniger hilfreich sein, da sie doch etwas vom Thema ablenkt. Offenkundig ist Floris derselben Meinung. Reska hingegen hat im Grunde keine hierzu. Kenntnis um Igelarten mag im weiteren Leben eher eines Tages einmal nützlich sein als manche Erzählung welchen Wahrheitsgehaltes auch immer. Andererseits könnte es ja noch erbauliche Wendungen in der Meckerdrachenbegegnungsgeschichte geben. So oder so dürfte an diesem wenngleich späten Abend noch für beides genügend Zeit sein.
Horathios Erwiderung erübrigt weitere Überlegungen oder Erwartungen. Dem 'kurzen Schweigen' zufolge fand der kleine Drache seine Redseligkeit alsbald wieder. Worauf wohl läuft diese Mär hinaus?

MvZ

Zaünin erkennt, dass sie die erzählerische Pause Horathios falsch verstanden hat und hält sich erstmal mit weiteren Nachfragen zurück. Außerdem ist Horathio nach eigener Aussage ja sowieso nicht so kundig in Bezug auf Igel, wie er es bei Spottdrosseln ist. Nein, Rohrspatzen. Moment, könnte es sein, dass Spottdrosseln hierzulande als Rohrspatzen bezeichnet werden? Zaünin beschwört erneut das Bild des Spatzen mit weißem Kragen und schwarzer Kappe vor ihrem geistigen Auge herauf... Nein, definitiv keine Spottdrossel.

OB

Floris lächelt verschmitzt. Bei 'kurzem Schweigen' hat er jemand Bestimmtes im Sinn. Einen Sprecher des Schweigenden Kreises...
"Fürs Schweigen ist nicht jeder gemacht", wirft er augenzwinkernd ein, aber will damit keinesfalls den Erzählfluss unterbrechen.

OHH

Langsam bekommt Reska doch den Eindruck, die beiden würden sich über jemanden lustig machen. Möglicherweise die unbedarfte Zaünin? Einem aufmerksamen Beobachter mag Reskas Sichzurücklehnen mit ausdrucksloser Mine wie eine Distanzierung vorkommen.

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"Ich möchte nicht sagen, dass ich die kurze Ruhepause nutzte, doch dachte ich, dass es so nicht lange bleiben werde und schoss schnell eine Frage dazwischen: 'Warum, oh edler Drache, vermeinst du, mich ausschimpfen und maßregeln zu müssen, wo du doch selbst in deiner Wortwahl nicht minder blumig bist?'"

OHH

Vermutlich wollte der gute seiner Artbezeichnung gerecht werden, mutmaßt Reska - voraussetzend, dass ein wahres Haar an der Geschichte sei. Doch für einen erfundenen Meckerdrachen dürften dieselben Regeln gelten wie für einen tatsächlich erlebten.

VW

Der Drache legte den Kopf schief und sah mich an, als habe er etwas sehr Interessantes bemerkt: "Ha", meinte er, "geht doch."

OHH

Den Fortgang der Geschichte nun kritischer abwartend, schlägt Reska ein Bein über und verschränkt die Arme.

VW

"Ich spare die folgende Phase des gegenseitigen Anstarrens aus und auch weitere kürzere Geplänkel. Irgendwann kam mein Meister dazu und griente über das ganze Gesicht, beugte ehrerbietig sein Haupt vor meinem geschwätzigen Gefährten und sprach: 'So habt ihr euch bereits einander vorgestellt und kennengelernt?'"

MvZ

Meister? Zaünin hat das Gefühl, etwas entscheidendes an der Geschichte nicht mitbekommen zu haben. Wer und wo war denn Dom Horathios Meister? Nachzufragen traut sie sich nicht. Unterbrechungen der Erzählung sind ja nicht erwünscht, wie sie gelernt hat. Zudem ist es wahrscheinlich eh ihre eigene Schuld, dass sie es nicht mitbekommen hat, weil sie sich ständig Gedanken über Details der Geschichte gemacht hat.

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"Ob mich mein Meister gewollt hat vorpreschen lassen, damit ich den Drachen zuerst alleine treffe, wer kann das sagen. Fakt ist, mein Meister stellte mir den Drachen als Lehrer für Anstand und Benimm vor."

Kurz blickt Horathio in die Runde. Spätestens hier hätte er eigentlich mit Reaktionen gerechnet. Gerade nach den vorangegangenen Geplänkeln.

Horathio zuckt innerlich die Achseln. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt... "Ihr könnt euch meine 'Freude' vorstellen, ein lästiges Plappervieh als Lehrer in höfischer und sonstiger Etikette zu bekommen, aber ich war Schüler und das Erste, was ich an der Akademie gelernt habe, war, dass niemand den Befehl eines Meisters in Zweifel zieht. Also beugte ich mich dem Willen und somit dem Drachen."

OHH

Eine wahrhaftig ungewöhnliche Bekanntschaft, welche der Meister da vorzuweisen hatte! Wenn er jedoch meinte, diese sei für das rechte Benehmen ein geeignetes Vorbild, so mag die Schilderung Horathios möglicherweise sehr aus seiner persönlichen Sicht heraus den Drachen so unvorteilhaft darstellen. Dann müsste man sich hingegen fragen, woher die Bezeichnung Meckerdrache komme. Ebenfalls denkbar wäre, dass der Meister seinen Schüler nur in irgendeiner Weise auf die Probe stellen wollte - zum Beispiel auf den Gebieten der Geduld oder Demut.
Immer voraussetzend, dass dies alles nicht bloßer dahererfundener Unfug ist.

MvZ

Da war sie wieder, die Erzählpause, die geradezu zum Nachfragen einlädt. Aber Zaünin ist nicht darauf hereingefallen. Nicht dieses Mal.

OB

Bei der Vorstellung, dass ein Meckerdrache Benimmlehrer sein sollte, muss Floris ein Lachen unterdrücken - vielleicht hätte er nicht gerade unmittelbar vor der Schlusspointe einen Schluck von seinem Getränk nehmen sollen. Um die Flüssigkeit nicht dem gewandten Erzähler ins Gesicht zu prusten, versucht er sie unter Aufwendung aller Beherrschung im Mund zu behalten und dann hinunterzuschlucken - ohne sie außerdem noch in den falschen Hals zu bekommen.
Etwas außer Atem ringt er anschließend nur hervor: "Benimmlehrer?"

VW

Horathio zuckt schicksalsergeben die Achseln: "Benimmlehrer. Und ja, auch ich war erst einmal völlig irritiert."

MvZ

Es braucht Weisheit, ein weises Wesen zu finden, um ihm eine wichtige Aufgabe zu übertragen. Dass ein Mensch es schafft, einen drachischen Lehrer für seinen unbedarften Schüler zu verpflichten, ist aus Zaünins Sicht wahrlich eine Meisterleistung. Sie nickt zustimmend.

OB

"Er hat jedenfalls ganze Arbeit geleistet", sagt Floris zwar mit einem Schmunzeln, aber doch in einem Tonfall ehrlicher Anerkennung. "Dein Benehmen in den vergangenen Wochen war ohne Fehl und Tadel."

VW

Horathio verbeugt sich leicht. "Es war auch eine wirklich harte Zeit. Zumal der Drache einerseits darauf achtete, dass ich immer die Contenance wahrte, andererseits bei einem Verstoß eine Ausdrucksweise an den Tag legte, die er mir widerum verbot - wahrscheinlich um zu erreichen, dass selbst ein andergaster Seebär auf Landgang mich niemals wieder zu Schimpftiraden hinreißen lassen würde."

OHH

Ob man Floris hierin wohl glauben darf? Hingegen kann Reska Horathios Erklärung für den Zweck dieses eigentümlichen Lehrers gut nachvollziehen, auch wenn der Punkt mit dem Konto unverständlich bleibt. Eine hübsche kleine Anekdote. Langsam entspannen sich Züge und Haltung weiter und lassen Reska schließlich gar wieder nach dem Becher suchen.

VW

"Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Was ist ein Meckerdrache? Nun, ohne der Spezies zu nahe treten zu wollen, scheinen diese besonders kleinen Drachen die wegfallende Masse durch besonders viel Mitteilungsbedürfnis wieder wett machen zu wollen. Sehr kleine Hunde agieren meines Wissens vergleichbar..."

MvZ

Einen Drachen mit einem Hund zu vergleichen findet Zaünin nun aber völlig unpassend. "Hunde können nicht sprechen", wirft sie ein. "Und nicht fliegen, Feuer speien oder zaubern."

VW

"Stimmt", erwidert Horathio trocken, "aber je kleiner, desto mehr bellt er.
Der Drache nannte sich selbst der 'Erhabene Xiji von Achazak' und auch wenn er launisch, schwatzhaft und mit einem Sprachschatz gerüstet war, der einem Bjaldorner Bierkutscher in nichts nachstand - und glaubt mir, diese Händler haben den gröbsten Gossendialekt, der mir je untergekommen ist - so habe ich doch mehr bei ihm gelernt als bei allen Lehrmeistern davor und danach, denn er wollte mir nichts beibringen, sondern verstand sich als einen Künstler, der aus seinem Eleven die Kunst herausarbeitete."

OHH

Diese Beschreibung lässt den Drachen für Reska sympathisch erscheinen, was ein wohlwollendes Lächeln um die Lippen erzeugt. Lernen ohne Druck - der einzig zielführende Weg, wenn man kein dressiertes Äffchen fabrizieren möchte. Und ob der gute Horasio wirklich im vorgegebenen Maße erschüttert war über die Sprechweise seines kleinen Lehrmeisters, vermag sich Reska gar nicht recht für bare Münze vorzustellen.

MvZ

Bellen? Zaünin war gar nicht bewusst, dass es bellende Drachen gibt. Während sie noch hierüber nachsinnt, ist die Erzählung schon fortgeschritten. Und wieder ist sie verwirrt. Wie arbeitet man aus jemandem die Kunst heraus? Das klingt mehr nach einem Bildhauer und seiner Statue. Und wenn der Drache ein Lehrmeister war, wieso wollte er seinem Schüler nichts beibringen? Zaünin begnügt sich damit, dass Drachen so ungeheuer klug sein sollen, dass sie selbst mit ihrem vergleichsweise geringen Verstand gar erst versuchen sollte, deren Gedankengänge nachzuvollziehen. Also akzeptiert sie Horathios Erzählungen mit einem "Aha."

VW

"Nur ein Beispiel: Während unserer Wanderungen stellte mir Xiji Fragen, deren Antwort nicht gleich zu erfassen war, ja die sich zum Teil einer Antwort verschlossen, und ließ mich so lange rätseln, bis mir der Schädel brummte. Anstatt aber dann mit einer richtigen Antwort aufzuwarten, zog er mich in eine philosophische Diskussion, an deren Ende ich zwar nicht schlauer, aber offener für die Problematik war."

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Floris nickt nachdenklich und ein wenig anerkennend. "Ich kenne Geweihte, die es ähnlich anstellen", sagt er mit feinem Schmunzeln.

OHH

Für Reskas Ohren klingt das zwar überaus interessant, aber auch verwirrend. Und anstrengend. Darauf braucht es erst einmal noch einen Schluck Tee!

VW

Horathio entgeht die Geste der Tischgesellin nicht. Kurz blickt er über den Tisch, dann seinen Kameraden an: "Da fällt mir ein: Wir sitzen auf dem Trockenen. Sollten wir ändern, oder?"
Horathios Blick erfasst alle am Tisch Sitzenden: "Also ich hätte gerne noch ein Weinchen. Floris?" Ein aufforderndes Nicken geht auch an die übrigen Versammelten.

OB

"Ich wäre dabei", antwortet Floris und schaut dabei an seinem Reisegefährten vorbei Richtung Kamin, denn dort tut sich etwas. "Zumal es gleich wohl ein bisschen Musik für uns gibt."

OHH

Auch Reska nickt freudig. Ein Weinchen, das klingt jetzt gerade recht. Urszula mag es vielleicht gleichgültig sein, ob Horasio oder sie selbst dafür aufkommt. Für Reska ist es mal eine gewisse Abwechslung wie sie auch der Wein zum Tee darstellt.

MvZ

Zaünin schüttelt unterdessen den Kopf.

VW

"Na dann will ich mal," meint Horathio und erhebt sich, um anschließend die Theke anzusteuern.

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Redaktion und Lektorat: Oliver H. Herde im Jahre 2024