Honikuchenverabredung

Verfasser: Astrid Brandt, Oliver H. Herde, Ralf Büngener und andere

AB

'Interessante Wortwahl... und ebenso interessante Umstände bei den besagten Herren und Damen.' Mitfühlend stimmt Urszula in den Seufzer der Signora ein. "Ja, wirklich schade. Sollte uns das zu denken geben, dass man uns so mit Missachtung straft? In meinem Fall habe ich es auf dieses kleine Missverständnis bei meiner Ankunft geschoben - wobei der Herr Avessandro davon ja eigentlich nicht betroffen war, nur zugegen - aber er meinte er müsse sich auf seine anstehende Verabredung konzentrieren und könne deshalb nicht mit mir an einem Tisch sitzen. Der Capitano hingegen scheint nachhaltig verärgert zu sein und entzieht sich bislang jedem Versuch einer Aussöhnung, ach was, einer Entschuldigung." Nun ist es an der Bornländerin, theatralisch zu seufzen und Jana einen spielerisch-leidenden Blick zuzuwerfen. "Wer weiß, vielleicht hat er einfach ein Problem mit Frauen wie uns."

VW

Vorsichtig, um das angeregte Gespräch nicht zu stören, stellt Siona die Teller mit der Suppe ab. Dabei fällt ihr einmal mehr auf, wie sehr sie in ihrem Arbeiten eingefahren ist und wie sehr sie ihr schmerzendes Handgelenk stört. All die gewohnten Bewegungen gehen einfach nicht, und jedes Mal muss sie umdenken, wie sie 'um das schmerzende Gelenk herum' arbeiten kann. Aber es geht, und das verschafft ihr denn doch ein kleines Gefühl von Stolz. "Guten Appetit, die Herrschaften. Das Fleisch kommt gleich," sagt sie leise genug, um das Gespräch nicht zu stören und dass man sie ignorieren kann, während sie die Löffel auf den Tisch legt.

OHH

So recht verstanden hat Reska den Vorgang mit den beiden Herren vorhin ohnehin nicht, geschweige denn in allen notwendigen Details mitbekommen. Vermutlich liegt eben dort das Rotpüschel im Pfeffer. Frauen wie ihnen? Ja, möglicherweise mag er lieber solche wie diese Avessandro, wobei der Unterschied weniger in der Gesprächigkeit zu liegen scheint. Alles Spekulation ohne nenneswerte Grundlagen.
Gehaltvoller dagegen wirkt die Suppe. Reska ist ganz froh, nicht mit dem Kuchen beginnen zu müssen, der doch viel mehr als Nachtisch geeignet wäre, aber es kommt, wie es kommt, und Reska nimmt, wie es kommt. Gegeben wird auch: ein dankendes Nicken und Lächeln an die Bedienung.

RB

'Frauen wie uns.' Ja, es gibt wohl einige Ähnlichkeit zwischen der Freiin und ihr selbst, auch wenn das rein äußerlich überhaupt nicht der Fall ist. "Es tut mir leid, dass ich als Grund herhalten musste, dass Dom Avessandro Euch abgewiesen hat." Jana senkt die Stimme etwas, als sich der Angesprochene nähert. "Er scheint etwas eigen zu sein.
Was den Capitano angeht, er hat mich bislang auch nicht mehr beachtet als unvermeidbar, sogar ohne Missverständnis. Das Eure muss wohl vor meiner Ankunft passiert sein, davon habe ich nichts mitbekommen", bohrt sie gerade so viel, wie sie kann, ohne als neugierig zu gelten, allerdings unterstützt von einem fragenden Blick. So kann Urszula selbst entscheiden, ob sie von dem angedeuteten Missverständnis berichten will oder nicht.
Zunächst aber wird das Gespräch durch die Ankunft der Suppen unterbrochen. Zum Glück sind es nur zwei Teller. Zwar riecht es durchaus gut, aber um diese Zeit hat Jana noch überhaupt keinen Appetit. Mit dem warmen Teebecher in den Händen lehnt sie sich in ihrem Stuhl zurück und wünscht ebenfalls: "Guten Appetit."

AB

Urszula zuckt die Schultern und hebt beschwichtigend die Hände. "Ich bitte Euch, da könnt Ihr doch nichts dafür. Er will sich wahrscheinlich nur voll und ganz auf Euch und Euer Anliegen konzentrieren können." Die Ankunft der Suppe bringt die Bornländerin kurz in Schwierigkeiten. Dass Reska am Liebsten sofort mit dem Löffeln loslegen möchte ist unübersehbar. Und Jana hat ja unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie zu dieser Tages- bzw Abendzeit ungern größere Mahlzeiten zu sich nimmt, so es denn nicht durch äußere Umstände vonnöten sei.
Anders Urszula, deren Magen leise aber nachdrücklich zu Verstehen, gibt dass er keineswegs einer Mahlzeit abgeneigt sei. Aber die Höflichkiet gebietet, nicht einfach im Beisein von Jana zu Essen. Und da ist ja noch der Honigkuchen.
Mit leichtem Bedauern schaut die Freiin daher auf die dampfende Schüssel und meint: "Schade, das kam jetzt unerwartet. Wo wir uns doch erst an einem Stückchen Honigkuchen laben wollten. Und genau das werden wir jetzt auch tun!" Mit diesen Worten beginnt sie das Wachspapierpaeckchen auszuzwickeln.
"Ja, genau. Bei unserer Ankunft trafen Reska und ich vor der Tür des Gasthauses auf zwei Männer: der eine ordentlich und der Kälte angemessen gekleidet und der andere halbnackt ohne Stiefel oder Strümpfe daneben stehend."
So langsam kommt ein dunkelbraunes Gebäckstück zum Vorschein, von welchem ein süßlich-würziger Duft ausgeht.
"Der Bekleidete war so nett, mir vom Pferd zu helfen, und dann habe ich nur gefragt, wer sich wohl um mein Gepäck kümmern würde. Und der Capitano - von dem ich ja nicht wusste, dass er nicht ein weiterer Knecht oder Bediensteter des Hauses, war so freundlich, sich anzubieten."
Inzwischen ist der Honigkuchen fertig ausgewickelt.

RB

"Aber nein!” wehrt die Teetrinkerin ab. "Ich bitte Euch, esst doch erst einmal! Der Kuchen eignet sich sowieso besser als Dessert denn als Amuse-Gueule. Es wäre mir sehr unangenehm, wenn meinetwegen Eure Suppe kalt werden sollte; dafür ist sie zu schade." Sie legt eine Hand auf Urszulas Unterarm und hindert sie so daran, den Honigkuchen anzuschneiden, gleichzeitig blickt die Signora die Freiin aus ihren dunklen Augen freundlich aber bestimmt an.
"Da Dom Avessandro offensichtlich immer noch damit beschäftigt ist, sich auf unser Treffen vorzubereiten", fährt sie mit amüsiertem Seitenblick in dessen Richtung fort, "kann ich Euch von dem Anliegen erzählen. Dann könnt Ihr ungestört essen und müsst keine Angst haben, ich könnte mich langweilen. Und anschließend erzählt Ihr mir mehr vom halbnackten Capitano." So ganz verstanden hat Jana die Geschichte noch nicht, aber sie erinnert sich, dass der Capitano immer noch auf Socken unterwegs war, als sie eintraf. Und mit einem abgerissenen Knopf, fügt sie in Gedanken hinzu.

OHH

Zum Glück hat Reska den Vorzug, sich nicht um solch alberne Etikette sorgen zu müssen. Falls der Kuchen wieder eingepackt werden sollte, bringt sein Duft auch nicht den Geschmack der Suppe durcheinander. Beim vorsichtigen Schlürfen wird der sichtbare menschliche Gesprächsgegenstand drüben noch einmal gemustert. Ja, diese Avessandro empfindet Reska als die gegenwärtig Hübscheste. Möglicherweise ist es gerade die Rätselhaftigkeit jener Person, welche einen solchen Reiz ausmacht. Oder vielleicht auch...

AB

Die blauen Augen erwidern den Blick der dunklen ohne Abschweifen. Treuherzig, möchte man im ersten Augenblick meinen, doch kann man im Hintergrund ein gespanntes Interesse erahnen. "Meint Ihr wirklich? Es wäre ja auch zu schade, sie duftet so gut. Und schmeckt wohl auch, oder Reska?"
Ohne den Arm unter Janas Hand hervorzuziehen, lässt Urszula mit der anderen vom Honigkuchen ab und greift den Löffel. "Also denn, ich bin sehr gespannt, was das für ein Anliegen ist, das euch mit Herrn Avessandro zusammenbringt." Die Höflichkeit gebietet allerdings, jetzt wenigstens mit dem Essen zu warten, bis Jana den Arm freigegeben hat.

RB

Jana hält den Arm nicht länger fest als nötig. Als Urszula ihrem Wunsch entspricht, lehnt sie sich wieder entspannt zurück. "Dann wünsche ich den Damen guten Appetit."
Als jene zu essen beginnen, beginnt Jana, zu erzählen: "Das Anliegen, das uns hier zusammenbringt, ist etwas, mit dem ich mich schon längere Zeit herumtrage." 'Genau gesagt eigentlich seit ich Mutters Grab gefunden habe.' Bei diesem Gedanken macht sie eine kurze Pause und fährt mit den Fingern über das aufklappbare Amulett, das sie um den Hals trägt.
Während der Pause dringen ein paar Worte vom Nachbartisch an ihr Ohr: 'Warum sollte Avessandro mit Orks sprechen wollen?' Das weckt ihre Aufmerksamkeit, aber leider ist diese jetzt an diesem Tisch vonnöten, deshalb nimmt sie sich vor, ihn nachher darauf anzusprechen und sich jetzt auf ihre Erzählung zu konzentrieren: "Es geht dabei um ein Theaterstück, das ich gerne auf die Bühne bringen möchte."

AB

Während die Bornländerin nun ebenfalls die Suppe genießt, lauscht sie der Erzählung der Signora. Die Pause lässt sie aufblicken, und so entgeht ihr die Berührung des Amuletts nicht. 'Ob es etwas mit der Geschichte zu tun hat? Vielleicht ein Erinnerungsstück an ein besonderes Geschehnis... oder einen besonderen Menschen.'
Da Urszula Jana in ihren Gedanken, die offenbar sehr von dieser Erinnerung in Besitz genommen werden, nicht zu stören wünscht, löffelt Urszula erst einmal schweigend weiter. Die dann folgenden Worte lassen sie aber doch erstaunt das Besteck absetzten. "Ein... Theaterstück? Für Euer Theater in Vinsalt?" 'Was für eine Erinnerung mag das jetzt sein, dass man ihr ein Theaterstück widmet?'

OHH

Woher denn soll Reska wissen, ob Avessandro gut duftet! Und schmeckt? Moment, da muss etwas anderes gemeint sein! Der Kuchen scheidet aus, weil er im Garethi sprachlich als männlich einsortiert wird. Erkennend zieht Reska für einen Augenblick das Gesicht über sich selbst zusammen. Natürlich ist die Suppe gemeint!
Da Urszula schon wieder weiterplappert, erwartet sie wohl maximal ein Nicken, welches sie auch erhält. Die andere Dame bekommt auch eines für ihren guten Wunsch.
Theater - auch so ein Ort, den Reska noch nie besucht hat. Es sei denn, man wolle etwas wie das original Koscher Wengeltheater hinzurechnen. Das ist allerdings grandios!

RB

"Ja", antwortet die Impresaria, die das Theater in ihrer Freizeit neben ihrer eigentlichen Arbeit führt, "und natürlich auch für andere Theater, wenn es ein Erfolg wird." Ihre Augen leuchten vor Begeisterung, als sie fortfährt: "Es soll modernes Aktionstheater werden im Stile von Rosendorn. Keine langen Monologe, sondern Spannung und viel Bewegung auf der Bühne. Es wird geliebt, gehasst, gelacht, gekämpft, gestorben und neues Leben gezeugt.“ 'Insbesondere mein eigenes.'

AB

'Aktionstheater, darunter kann ich mir ja noch was vorstellen, aber wer bei Hesinde ist Rosendorn?' "Das klingt ansprechend, Spannung und Bewegung und all das andere", stimmt Urszula zu und nimmt einen weiteren Löffel Suppe, dadurch signalisierend dass sie auch weiterhin ohne Unterbrechung zuhören wird.
'Vor allem das neue Leben. Ich kann mir vorstellen wie das beim Bardentreffen in Norburg dargestelt würde - dort ist ja die Form des Spontantheaters immer beliebter. Wobei ich sicher bin, dass nicht alles, was als Theater verkauft wird, auch ein solches ist.'

RB

"Ja, das ist es, was die Leute sehen wollen", pflichtet Jana ihr bei. "Und natürlich Skandale. Man muss das nur so dosieren, dass die örtlichen Behörden nicht einschreiten, aber die Kritiker außer sich sind. Wenn man es schafft, mit einer Schlagzeile wie 'Skandal in der Dunkelheit' oder 'Unzucht auf offener Bühne' in die Zeitung zu kommen, dann hat man gewonnen. Dann rennen einem die Zuschauer die Bude ein", erklärt sie lachend. "Aber da man sich auf die Kritiker nicht verlassen kann, sind natürlich Charaktere, mit denen man sich identifizieren kann, und eine gut geschriebene Geschichte ebenso wichtig. Und hier kommt Dom Avessandro ins Spiel."

OHH

Der Name Rosendorn ist Reska so unbekannt, dass sich jeder weitere Gedanke daran erübrigt. Klamauk ist also gefragt, ganz wie im Puppentheater. Gewiss ließen sich mit Handpuppen wunderbare Parodien auf die von der Dame beschriebenen Vorgänge darstellen.
Die Suppe auf dem bis eben emporgehaltenen Löffel sollte nun genügend abgekühlt sein. Ja, sehr schmackhaft.

AB

Das mit den Skandalen kann Urszula durchaus nachvollziehen, in allen Belangen. Es ist immer ungünstig, die Behörden zu alarmieren, oder den Dorfvorsteher. Aber dafür zu sorgen, dass man sich bei Bier und Meskinnes das Maul zerreisst über die aus Nebenniedersjepengurken, das hat seinen Charme und vor allem seinen Nutzen.
Weiterhin genüsslich die Suppe löffelnd wirft sie daher ein: "Ihr erregt meine Aufmerksamkeit, Frau D'Aminovitch. Obwohl ich annehme, dass es mit der 'Unzucht' nicht ganz so bestellt sein wird, wie es sich mancher vorstellen mag. Oder etwa doch?" Jetzt legt sie den Löffel nieder und wirft Jana einen blitzenden Blick zu. "Ganz und gar? Nackte Haut und alles was dazugehört? Und so überzeugend, dass den älteren Damen die Sinne schwinden und die alterern Herren einen Vorwand suchen, um erneut das Theater zu besuchen? Braucht es da nicht eher gut aussehende Darsteller als eine gut geschriebene Geschichte?"

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Die Impresaria lacht: "Die genaue Ausgestaltung der Szene liegt natürlich immer beim Regisseur. Aber ganz so wild werden wir es wohl nicht treiben, schließlich sind wir immer noch ein Theater, kein Varieté oder Cabaret. Ein bisschen nackte Haut vielleicht, ein nacktes Knie oder so, eine Hand, die sich etwas zu weit vorwagt oder ein Paar im innigen Kuss, bevor der Vorhang fällt. Wenn er sich wieder öffnet, liegen die beiden mit verwuschelten Haaren nebeneinander im Bett, natürlich züchtig unter der Decke", beschreibt sie dann doch mögliche Ausgestaltungen.
"Ich setze immer gerne auf die Fantasie der Zuschauer, nicht nur für solche Szenen. So sind sie aufmerksamer bei der Sache, und es bleibt besser im Gedächtnis. Außerdem habe ich noch nie gehört, dass sich jemand über schlechte Schauspielerei in Szenen beschwert hat, die nur in ihrer Fantasie stattgefunden haben. Da spielt dann doch die Kunst des Autors, die Fantasie anzuregen, eine größere Rolle als das Aussehen der Schauspieler. Es gab sogar vor ein paar Jahren ein Stück, in dem die Hauptfigur nicht ein einziges Mal auf der Bühne zu sehen war."

NW

Mit dem vollen Tablett geht Tesden zurück zum Tisch mit der versammelten Adligenschaft.

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Immer weniger langsam folgt ein Löffel dem nächsten.
Nacktheit hat Reska noch nie sonderlich angesprochen. Seit der Flucht - oder besser: der verrückten Idee des Einhändigen - hat sich dies nicht bloß einseitig noch verschärft. Insofern gibt es keine Enttäuschung bei den Erklärungen der Domna. Der letzte Satz verwundert allerdings. Vermutlich ist es eine Frage der Definition, ob jemand, um den es die Ganze Zeit geht und über den die Rede ist, dadurch schon zu einer Hauptfigur werden kann. Oder sollte es sich um einen Unsichtbaren gehandelt haben? Aufmerksam wird die Schauspielerin ins Auge gefasst.

AB

Eine gewisse Enttäuschung ist der Bornländerin im Gesicht abzulesen, und sie verzieht theatralisch schmollend den Mund. "Ach, nur ein bisschen nackte Haut... Da kann ich in den niveschen Schwitzhütten ja mehr sehen. Wenn auch sicherlich nicht so appetitliche wie bei Euch im Theater. Mit dem Capitano würde ich zum Beispiel jederzeit in die Schwitzhütte, aber das ist ein anderes Thema. Aber bitte, es ist Euer Theater und Euer Theaterstück, Ihr könnt das mit Sicherheit besser einschätzen als ich. Aber helft mir doch bitte, wie genau kommt jetzt der Herr Avessandro ins Spiel? Soll er die Fantasie in Worte fassen, die Ihr nicht darstellen wollt oder könnt?"
'Nun, bei den Diskussionen beim Stammtisch sind die Hauptfiguren auch meistens nicht anwesend. Es lästert sich doch so viel besser über nicht Anwesende. Das senkt auch das Verletzungsrisiko, vor allem bei angetrunkenen Bronjaren.'
Die Suppe geht derweil langsam aber stetig zur Neige. Da ist es gut, dass der Wirt sich erneut dem Tisch nähert. Freundlich blickt Urszula ihm entgegen.

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Redaktion und Lektorat: Oliver H. Herde im Jahre 2019