Morgens in der Mannschaftskajüte

Verfasser: Günter Hölscher, Julia Richling, Oliver Baeck, Oliver H. Herde und Ralf Büngener

OHH

Wenn man mit dem Knarzen der Schiffswand, dem Knirschen der Wanten und dem Schnarchen vieler Matrosen vertraut ist, lässt man sich nicht leicht von aufstehenden Schlafsaalgenossen wecken - um so weniger von rücksichtsvollen Sklavenbürschlein, welche sich auf leisen Sohlen aus dem Bett und dem Saale stehlen. Entsprechend tief und nicht unbedingt leise ruht der Kapitän scheinbar entgegen dem eigentlichen Wortsinne in seiner Festlandkoje. Nein, mit Ruhe hat dieses an mehrere Schiffszimmermänner gemahnende Geräusch nicht unbedingt so viel zu tun. Zum Glück mag auch unter den anderen Gästen mancher einiges gewohnt sein.

JuR

Vinizarah liegt in Thorkars Gesellschaft und zu Beginn eines neuen Lebensabschnitts, und beides will gefeiert werden. Plötzlich bekommt die kleine Frau Lust, den Tag mit einem Lied zu begrüßen, was sie schon lange nicht mehr getan hat.
Nur was? Zu eigener Kreativität fühlt sie sich noch zu schläfrig, also etwas Bekanntes. Etwas Schwungvolles, etwas, das mit... etwas, womit vielleicht auch ein Thorwaler gerne geweckt werden würde und das sie ohne große Textschwierigkeiten hinbekommen kann...
Den Blick auf die Decke gerichtet, beginnt Vinizarah mit schlafsaalgerecht gedämpfter Stimme das eben gefundene Lied anzustimmen:
"Wir lieben die Stürme, die brausenden Wogen
der eiskalten Winde rauhes Gesicht.
Wir sind schon der Meere so viele gezogen,
und dennoch sank unsre Fahne nicht."
Beim Refrain entscheidet sie sich gegen ihre Gewohnheit für die tiefe Stimme, anstatt wie sonst die hohe Begleitung zu singen, und es fällt ihr schwer, die Lautstärke dabei nicht zu steigern: "Heio, heio, heio, heioheioheioho, heiho, heioho, heiho!"

OB

Noch immer mit geschlossenen, aber von der Morgensonne beschienenen Augen begrüßt Bosper den neuen Tag und ordnet ihn in seinen Gedanken. Was steht heute, morgen und übermorgen an? Eine Traviafeier, wenn auch eine in einer bisher ungekannten Art. Danach die Weiterreise nach Kuslik, dann eine Schiffspassage nach Balträa. Eine Schiffspassage.
Noch während Bosper diesen Gedanken wälzt, dringt von rechts leiser Gesang an sein Ohr. Stürme. Brausende Wogen. Eiskalte Winde. Bospers Lächeln friert ein, sein Leib wird starr. Trotz der wärmenden Morgensonne fährt ein Zittern durch seinen Körper.

GH

Ja, das ist so bezeichnend für Frau Knedsen; so pflegt sie es in der Morgenfrühe zu tun, wenn andere noch ruhn: Seemannslieder aus ihrer Heimat singen und dabei fröhlich die langstielige Scheuerbürste schwingen. Heio, heio - und bei jedem dieser einförmigen Ausrufe wird kräftig mit dem Leuwagen, wie sie ihn nennt, gegen die Türschwelle der Schlafkammer gestoßen. Nur damit ein kugelrunder und grundgescheiter Mann in den besten Jahren seine wohlverdiente Bettruhe nicht bekommt. Der Neid der Rastlosen...
Bevor es also gleich mit dem Gerumse wieder losgeht, hält der jäh aus wohligem Halbschlummer Entrissene sich rasch die Ohren zu und wälzt sich auf die den Geräuschen abgewandte Seite, den Kopf eng ans Kissen gedrückt.

OHH

Kann das bunte Federvieh nicht einmal still sein, wen es darauf ankommt? Ausgerechnet im Anflug! "Still, Borka, sonst hören sie uns vor der Zeit!" brummelt der Kapitän im Schlafe daher. Doch als das 'Heiho' beginnt, zuckt er genügend zusammen, um mit dem Holzbein gegen den Bettrahmen zu schlagen.
"Donnerkeil, dussliges Federbündel, das haben wir nun davon!" Ruckartig schrickt Kvalor auf und blickt sich ungläubig um. Wo ist denn der Al'Anfaner hin? Eben saß er doch noch auf dem Papageien des Maates und... Nein, Unsinn, gewiss saß er im Mastkorb! Aber wie kommt er dann in die Mannschaftskajüte - und wer singt da?

RB

"Heio, hei... nee", versucht der Thorwaler einzustimmen, trifft aber die richtige Tonart nicht. "Heioho..." Wieder passt es nicht und wird von einem Husten unterbrochen. "Heioho, heiho!" Thorkar kann zwar laut singen, schön ist nicht so seine Stärke, und wenn es dann auch noch leise sein soll... So braucht er bis zum Ende des Refrains, um richtig mitzusingen.
"So bin ich schon ümmers nich mehr weckt worn", kommentiert er amüsiert. Er gähnt, streckt die Arme zur Seite und räkelt sich. Allerdings passt er auf, dass der Kopf der Sängerin, so er noch auf ihm ruht, nicht herunterrutscht.

JuR

Als Thorkar in ihr Lied einstimmt, freut sich Vinizarah so sehr, dass ihre eigenen 'Heios' von leisem Glucksen untermalt und etwas zittrig geraten. Das ist wirklich ein großartiger Tagesanfang! Die Freude ob der Begleitung beflügelt die Rothaarige sogar so sehr, dass sie spontan eine Version für Landratten-Ex-Bräute hinterherdichtet:
"Wir lieben die Krisen, das ist nicht gelogen,
und auch Konflikte scheuen wir nicht.
Wir sind schon so oft auf die Schnauze geflogen
und dennoch sank unser Lebensmut nicht."
Zugegebenermaßen entspricht es nicht gänzlich der Wahrheit, ist aber vielleicht etwas, auf das es sich hinzuarbeiten lohnt? Auf den Refrain verzichtet sie jedenfalls. Statt dessen rollt sie sich auf den Bauch und gleichzeitig so auf ihren Bettgefährten drauf, dass sie mit dem Oberkörper auf seiner Brust zu liegen kommt und ihn anstrahlen kann. "Ist eine Nicht-Hochzeitstags-Spezialität von mir."
Sie betrachtet einige Herzschläge lang das Gesicht des Thorwalers, ehe sie ihn mit weiterhin rücksichtsvoll gedämpfter Stimme fragt: "Hast du gut geschlafen? Und hast du was geträumt?"

RB

Als Antwort erhält Thorkar eine ihm gänzlich unbekannte Strophe und die Erklärung gleich hinterher, noch bevor er darauf reagieren kann, dass die Sängerin plötzlich auf ihm liegt und ihr Gesicht - angenehm oder unangenehm? - nah vor seinem erscheint. Er entscheidet sich für angenehm, da das Strahlen die Zeichen des Alters gnädig versteckt.
Irgendwie kann er in diesem Moment Alrik verstehen. Winnisara ist schon sehr anziehend und bestimmt auch eine faszinierende Persönlichkeit, mit ihr zu Leben wäre aber bestimmt anstrengend. Da er das aber nicht vorhat, kann er sich ganz dem Moment hingeben und sich über dieses ungewöhnliche Wecken freuen.
Und dann spricht sie ihn im Plauderton an, als würden sie jeden Morgen nebeneinander aufwachen. "Wie'n S-tein", antwortet er, "un genau so vill träumt." Er verschränkt die Hände hinter seinem Kopf und fragt zurück: "Un selbs?" Dabei muss er lächeln, diese Unterhaltung könnte er noch eine Weile führen.

OHH

Potzdonner, er liegt ja gar nicht auf einem Schiffe in der Koje, sondern in diesem grünebrigen Gasthaus landeinwärts! Und statt des Papageien besingen sich drüben sanft Thorkar und sein Mädchen für eine Nacht. Da will der Kapitän nicht weiter stören. Wie ihm auffällt hat er das anscheinend auch gar nicht getan. Gut so!
Leise schnaufend, richtet er sich weiter auf und zum Sitzen, schwingt Fuß und Holzbein über den Bettrand und setzt sie zu Boden, um gleich darauf diese Anker wieder lichten zu wollen, indem er sich erhebt und ausgiebig zu strecken beginnt.

OB

Mit einem tiefen Durchatmen öffnet Bosper die Augen.

OHH

Ob Seine Gnaden wohl auch schlecht geträumt hat? Irgendwie kommt es dem Kapitän so vor, aber passenderweise geht ihn dies nicht nur nichts an - es interessiert ihn auch erst einmal nicht weiter.
Nicht nur rechts etwas steifbeinig, stakst er zwei Schritte seine Schlafstatt hinab zu der Truhe, auf welcher sein Gehrock liegt. In diesen schlüpft er nun hinein. Dabei bemerkt er, dass seine Augenklappe ein klein wenig verrutscht ist. Solchen Anblick muss er niemandem zumuten, zumal es doch etwas drückt. Aber der Zustand ist rasch behoben.

GH

Nachdem nach einem kurzen Wiedereinnicken keine Fortsetzung des Gesanges zu vernehmen ist und auch das tockende Geräusch von Holz auf Holz in der Nähe nicht nach einer Scheuerbürste klingt, riskiert der rundliche Patron auf seiner Schlafstatt doch ein Auge. Dies ist nicht seine Kammer, dafür ist es hier zu groß und dafür befinden sich hier offensichtlich zu viele andere Personen, die dort nicht hingehörten.
Langsam dämmert es Herrn Tellicherri. Er befindet sich auf der ersten größeren Reise seines Lebens. Dies ist der zweite Tag. Und der erste richtige Morgen seines neuen Daseins. Höchst abenteuerlich hat er in einem Wirtshaus übernachtet. Er setzt sich auf.

OHH

Drüben regt sich der gute Herr Tellicherri-Pfefferkorn, da kann man mal nicken und winken. Darüber hinaus möchte der Kapitän sich jedoch nicht unbedingt an Geräuschen beteiligen. Andernorts wird ja schon genug getuschelt zwischen Thorkar und dem Mädel, was etwaige weitere Schläfer in Unruhe versetzen könnte. Aber gibt es solche überhaupt? Seine Gnaden ist ja nun auch schon wach. Möglicherweise ja auf dem oberen Schlafdeck unter dem Dache.
Wie auch immer; Hut und Krücke gelangen in altgewohnter Weise an ihren Platz.

GH

Ah, es war der Kapitän, der da auf Holz gepocht hat beim Aufstehen, erkennt der kleine Herr in seiner neugewonnen aufrecht sitzenden Haltung. Kurz winkt er dem Seebären zu, dann erklärt er, als spräche er zu einem unsichtbaren Publikum: "Dieser Tag ist der Beste meines Lebens. Wie der, der war. Wie der, der kommt." Seine Hände ruhen dabei nach oben geöffnet auf der Bettdecke. Auf seinen Zügen liegt ein Lächeln.

OB

Die Morgensonne lässt auch ein feines Lächeln auf Bospers Zügen erstrahlen. Der Geweihte - auch wenn er mit seinem Untergewand und dem verstrubbelten Haar gerade nicht wie einer aussieht - setzt sich auf und stellt die Füße auf den Boden.
Das Lächeln weicht abrupt einem tiefen Stirnrunzeln bei dem Anblick, der sich ihm bietet. Vinizarah, gestern noch Braut, heute auf der nackten Brust eines anderen Mannes liegend und schäkernd. Bosper schüttelt sachte den Kopf. Aber für den Augenblick hat er Wichtigeres zu tun.
"Praios zum Gruße", sagt er vernehmlich, aber an niemand Bestimmten gerichtet, in den Raum hinein. Der Gruß gilt allen, die guten Willens sind.

OHH

Beachtlich, was der kleine Kerl da von sich gibt - und ein wenig rätselhaft. Die Bewegung des Geweihten lenkt des Kapitäns Augenmerk auf jenen und entlockt dem Piraten ein kurzes Feixen, bevor er dem Blick des anderen folgt und nunmehr über die Turteltäubchen schmunzelt.
Der Morgengruß des Geweihten lässt Kvalor wieder diesen ansehen, ihm zunicken und freundlich noch einmal den Hut lüften. "Des gleichen, Euer Gnaden." Etikette kann ja so viele Türen öffnen! Manchmal hält sie auch welche geschlossen, wie zum Beispiel solche von Kerkerzellen.

RB

Thorkar zeigt seiner Bettgefährtin seine Hautbilder. "Der Oga kann soga sin Keule hem." Er spannt die richtigen Muskeln an, was leichte Schwankungen für die auf ihm Liegende mit sich zieht. Der Oger auf der rechten Brust hebt tatsächlich die Keule und lässt sie auf seinen unsichbaren Gegner hinabsausen. "Dat kann der echte nich mea", grinst der Thorwaler.
"Wat treibsn du einglich so, wenns de nich grad..." '...nicht heiratest', kann er sich gerade noch verkneifen; das wäre wohl das größtmögliche Fettnäpfchen gewesen, das da lauernd auf ihn wartete. Hektisch überlegt der junge Mann, was er stattdessen sagen kann. Zum Glück bietet ihm der Praiosgeweihte einen Ausweg: "Praios zum Gruße, Euer Gnaden", unterbricht er sich selber und blickt zum Geweihten im Nebenbett.

JuR

Als der Oger die Keule schwingt, kann Vinizarah gar nicht anders, lauter als beabsichtigt aufzulachen.
Gerade als sie auf das Ende von Thorkars anschließender Frage wartet, erklingt Bospers Gruß, und wenn er sie auch nicht trifft wie eine Ogerkeule, spürt sie dabei doch einen leisen Schmerz in ihrer Brust. Die kleine Frau mit dem roten, schlafverwirrten Haar richtet sich auf und dreht sich in Richtung des Geweihten um. "Praios zum Gruße", erwidert sie mit ernster Stimme.

GH

"Und auch Euch einen vollkommenen guten Morgen, Euer Gnaden", antwortet Herr Tellicherri dem soeben gehörten Gruß. Mag sein, dass seine Replik nicht an das Ohr des Geweihten dringt, doch was tut das. Gewünscht ist gewünscht und gesegnet ist gesegnet. "Den Besten, den Ihr bekommen könnt", setzt er noch dazu, mehr für sich selbst. Denn es führt zu Unglück, sich die Dinge nicht zum Besten dienen zu lassen. Ist man nur lange genug missvergnügt, ist das, was einem begegnet, am Ende wirklich nicht mehr gut. Und das liegt weniger an den Sachen, Personen oder Umständen, die wohl selten an sich schön oder schlecht sind, sondern an der eigenen Einstellung.
Deswegen schiebt der rundliche Mann auch ohne Zaudern stillvergnügt die Beine aus dem Bett, gespannt, auf was ihn dieser Morgen noch alles einlädt.

OB

Bosper muss sein Bett auf gewissen Umwegen umrunden. Seine Kleidung - natürlich ordentlichst gefaltet - liegt auf der Truhe am Fußende. Er nimmt die Robe und trägt sie - um die Leiter ins Dachgeschoss herum - auf ausgebreiteten Händen wie ein Samtkissen zu dem Fenster, in dem ihm die Morgensonne entgegenstrahlt. Der freundliche Kapitän hat sich ja schon auf den Weg gemacht.
Am Fenster angekommen, wendet der Geweihte sein Gesicht der Sonne zu und lässt sich von ihrem Schein wärmen. Den Stoff der Robe fasst er an den Fältelungen im Schulterbereich. Eine einzige leichte Bewegung, und das zusammengelegte Kleidungsstück entfaltet sich in ganzer Länge.

OHH

Ungewöhnlich possierlich sieht er aus, Seine Gnaden, trotz allen Zeremoniells. Vielleicht auch gerade deswegen im Kontrast zu seiner gegenwärtigen Frisur um so mehr. Dass Geweihte auch nur Menschen sind, wird bisweilen gern vergessen, wenn auch selten vom Kapitän Hullheimer. Lächelnd verfolgt jener noch kurz den Vorgang. Ja, sich das Antlitz bescheinen zu lassen, ist schon ein feines Ding! Dafür wird aber später auf dem Wagen Rovenas noch genügend Zeit sein.
Um nun nicht den Geweihten zu stören und in Ermangelung weiteren Zwecks wendet sich Kvalor endlich zum Gehen. Mag es auch mit daran liegen, dass seine Gelenke des Morgens erst einmal in Gang kommen müssen, schadet es nie, vom Publikum unterschätzt zu werden - sofern es nicht gerade umgekehrt um einen Kampf oder eine Wette geht, bei welchem jeglich schwächlicher Eindruck anderer von Vorteil ist. Entsprechend schwerfällig humpelt der Seemann auf den Vorhang zum Korridor zu.

GH

Erstaunlich leichtfüßig hat sich der vergnügte kleine Herr emporgeschwungen und steht nun vollends sichtbar in einem knitterfreien und blütenreinen weißen Nachthemd vor seiner Ruhestatt. "Einen fröhlichen guten Morgen allerseits", verkündet er an die Allgemeinheit, dann setzt er sich auf bloßen Füßen in Bewegung, auf den den Schlafsaal begrenzenden Vorhang zu.

OHH

Zwar scheint der Herr Tellicherri weniger zerzaust als der Geweihte, doch mag dies auch an seinem Leibesumfang liegen: Je dicker jemand ist, desto straffer legt sich die Kleidung über seinen Körper und desto weniger vermag sie Falten zu schlagen - außer dort, wo sie allzu sehr auseinandergezerrt wird, natürlich.
"Gleichfalls - und allen anderen ebenso!" wünscht der Kapitän, um weiterem in Verwaltungsakte ausartenden Zeremoniell vorzubeugen. Besser, er haut jetzt schleunigst ab.
Da saust der kleine Herr Tellicherri herbei; den scheint die Blase ja ganz ordentlich zu drücken! Warum benutzt er dann keinen Nachttopf? Wie dem auch sei, lässt Kvalor den Eiligen gern vorgehen.

OB

Mit hundertfach geübten Bewegungen schlüpft Bosper in seine Robe. Ohne sein Gesicht von der Sonne abzuwenden, zupft und streicht er das Kleidungsstück mit sicherer Hand glatt.

JuR

Vinizarah ist gerade zu traurig und schafft es nicht, den fröhlichen Gruß des vergnügten Herren zu erwidern. Statt dessen lässt sie sich mit einem Seufzen wieder auf die sie an ihr eigenes Abenteurerleben erinnernde Brust ihres Bettnachbarn sinken.

OHH

Anscheinend betrachtet die Schlafsaalgemeinschaft die Formalitäten mit dem Praiosgruße als abgeschlossen und wendet sich wieder den eigenen Interessen zu. Auch gut. Wie sein Zimmergenosse hat der Kapitän derweil den Vorhang beinahe erreicht - und wird das Theater, den Krüppel spielen zu müssen, obgleich er doch nach einer steifen Briese lechzt, bereits ein wenig über. Aber eigentlich muss er ja gar nicht. Welche Gegner könnten ihn hier wohl beobachten!

GH

Der Nachthemdträger teilt offensichlich nicht die ihm auch unbekannten Gedanken, die sich der Seemann über sich selber macht, sondern hält diesem mit einer raschen Bewegung den Vorhang auf: "Nur immer hindurch, Herr Kapitän", muntert er diesen auf, ihm voranzugehen. Sorgen, dass er ihm wegen dessen Beeinträchtigungen nur verlangsamt folgen und deswegen Ungeduld entwickeln könnnte, macht sich Herr Tellicherri offensichtlich keine.

OHH

Aufgrund des kurzen Verharrens seines Tischfreundes hat der Kapitän bereits fest mit solchem gerechnet. "Besten Dank, Gutester!" erkennt er die Freundlichkeit an und hoppelt hindurhch auf den Flur.
Aber soll er denn nun bis unten und womöglich hinaus den Lahmen mimen? Das würde ihm inzwischen doch zu langweilig! Bereits während dieser Gedanken nimmt er erkennbar an Fahrt auf, was man selbst noch im Schlafsaal anhand der hölzernen Klopfgeräusche verfolgen könnte, wenn man sehr genau darauf achtete. Doch wer sollte solchen tun? Und den kleinen runden Hemdenmatz darf man gewiss als den harmlosesten Vertreter des gesamten Hauses vermuten. Freilich kann so etwas auch täuschen. Womöglich handelt es sich um einen heimlichen Nachfahren des Brabacciano, welcher ebenfalls hinter dem Schatz her ist. Eine köstliche Vorstellung, die Kvalor in das Dunkel den Ganges voranschmunzeln und tatsächlich noch ein wenig schneller werden lässt.

GH

Drehte sich der nun flotter voraushumpelnde Seebär um, so sähe er nichts weiteres als ein Lächeln auf den Zügen des nachfolgenden rundleibigen Nachthemdträgers. Ob es gedankenlos, mitfühlend oder gar ein wenig amüsiert ist, wer vermöchte dies zu sagen?
Vierzig Jahre im Kontor einer Handelsgesellschaft sind eine lange Zeit, um sich in unbeteiligter Haltung und neutralem Ausdruck zu üben. Vierzigjährige Beschäftigung in der Stille der Bücher sind eine lange Zeit, um das Gehör und die Aufmerksamkeit für kleinste Details zu schulen. Um zu verstehen, dass Außenseite und Innenseite von Sachverhalten, Dingen und Personen bei weitem nicht immer kongruent sind.
Wer nicht zu täuschen versteht, sollte wohl weder Pirat noch Buchhalter werden.

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Redaktion und Lektorat: Oliver H. Herde im Jahre 2018