Schlaftrunk

Verfasser: Günter Hölscher, Oliver H. Herde und andere

GH

Herr Tellicherri öffnet die Pforte ins gastliche Haus und tritt ein.

RB

Thorkar löst sich jetzt endgültig vom Tisch und steht auf eigenen Beinen. Er macht einen Schritt auf Winnisara zu, die sich ebenfalls nähert. Als sie beieinander angekommen sind, beugt er sich zu ihr runter und fragt mit etwas schwerer Zunge: "Womma uns ma oppet Ohr haun?"

JuR

"Gerne", erwidert Vinizarah. Sie weist mit der Hand in Richtung Treppe.

OHH

Fast wirkt das zwischen dem Thorwaler und der verhinderten Braut ein wenig nach einem Geschäftstermin. Man wird ja morgen die Minen der beiden als Anhaltspunkte bekommen.
Mit einem Lächeln richtet der Einäugige seinen Blick etwas weiter in die Ferne zur Türe dahinter, wo soeben der gute Herr Tellicherri zurück erscheint. Bevor der Kapitän nicht sicher dessen Zielort kennt - mutmaßlich diesen Kamintisch, jedoch sind auch Treppe oder Theke ja gut denkbar - mag er noch nicht aufspringen, sein eigenes nächtliches Vorankergehen einzuleiten.

GH

Drinnen in der Gaststube ist es nicht nur wärmer, als draußen, was der Körper des Zurückkehrenden mit einem wohligen Pickeln zur Kenntnis nimmt, es ist auch heller. Nach einer kurzen Gewöhnung seiner Augen und einem ebensolchen Rundblick nimmt der kleine Mann wahr, dass sich ein Teil der Anwesenden zur Nachtruhe zur rüsten scheint. Sein thorwaler Tischgenosse ist bereits in Begleitung an der Treppe, doch Freund Hullheimer harrt noch wacker aus.
Einen kleinen Abendausklang mag sich Herr Tellicherri auch noch gönnen. So durchquert er die Schankstube und tritt an den gemeinsamen Tisch. "Noch einen Schlummertrunk, Herr Kapitän?" fragt er den Seemann.

OHH

Jener hat den Jungabenteurer gehobeneren Alters bereits erfreut erwartet. Sich aufzuraffen, in die Kohje zu gehen, fällt ihm heute noch fast so schwer wie dereinst in Kindheitstagen - um so mehr, wenn er eigentlich todmüde ist, aber heute hatte er ja bereits ein angenehmes Nachmittagsschläfchen.
"Unbedingt; sehr gerne!" erwidert Kvalor schon allein aus Gründen der Höflichkeit. Einen gemeinsamen Umtrunk lehnt man nicht ab, nein. Da müssten schon die Al'Anfaner im Ansegeln begriffen sein.

GH

Ein solcher alter Haudegen gefällt dem Abenteurer in den jugendlichen besten Jahren. Einer, der sich nicht dem Bette ergibt, bevor der Abend erschöpft ist an Freude und gutem Beisammensein. Zu lange hat der vernünftige Arbeitsmensch in Herrn Tellicherri die Lampe früh am Abend gelöscht, nun soll die Lampe noch ein wenig mit dem Öl des Vergnügens begossen werden. Als er jung war, hat er gelebt wie ein Alter, nun, wo er alt ist, mag er leben wie ein Junger. Was beweist, dass Zeit nichts anderes als relativ ist, wie die Variablen einer Gleichung.
"Was darf's denn sein, der Herr?" verbeugt er sich fröhlich vor dem Seebären. "Ein Humpen Bier, ein Krug Wein - oder" - hier senkt er die Stimme mit einem gleichzeitigen Augenzwinkern - "etwas Geistigeres, Kühneres, Schärferes, Abenteuerlicheres?"

RB

Thorkar will gerade Winnisaras Aufforderung Folge leisten, als er bemerkt, dass sein anderer Tischgefährte zurückgekehrt ist. Er überlegt, ob er noch ein paar Worte mit ihm wechseln sollte, doch der andere begibt sich ohne Umschweife zurück zum Tisch und redet dort mit dem Käpt'n. Also werden sich die beiden alten Männer wohl allein vergnügen können. Nachdem das geklärt ist und sein Landsmann mit der Maraskani die Treppe freigegeben hat, steht dem Aufstieg nichts mehr im Weg. Er nickt seiner Bettgefährtin bestätigend zu und geht hoch.

OHH

Aufmerksam hüpft die Braue empor. Worauf will der gute Kerl wohl hinaus? Auf einen gepflegten Rum vielleicht? "Als da wäre?" erkundigt sich der Kapitän lieber, als unbekanntes Fahrwasser allein wegen des Abenteuers zu wählen. Dabei ist er auch unschlüssig, ob er sich nun neugierig vorbeugen soll oder um den Stehenden besser anschauen zu können ein Zurücklehnen nicht angeratener sei.

JuR

Vinizarahs Blick wird zunehmend fragender, als der Thorkar zögert, ihrem Wink Folge zu leisten. Gerade als sie überlegt, eine entsprechende Frage zu formulieren, setzt sich der Thorwaler in Bewegung und die kleine Frau folgt ihm.

GH

Der Stehende für seinen Teil entscheidet sich für ein geheimnisträchtiges Vorbeugen, wozu ein Raunen über seine Lippen geht: "Als da wäre ein feines Lebenswässerchen aus Albernia, gerade flüssig genug, um vertrocknete Kehlen wieder zu befreuchten und gerade feurig genug, um eingeschlafene Lebensgeister wieder zu erwecken."

OHH

Wiederum hebt sich die Braue. Das klingt an sich nicht schlecht, weswegen der Kapitän auch zunächst einmal anerkennend nickt. "Ihr macht mich neugierig, durchaus. Aber ich hoffe, es erweckt nicht so sehr, dass es den nahenden Schlaf in die Flucht schlägt." Es wäre ungünstig, morgen schon wieder den halben Tag im Wagen zu verschlafen. Am Ende verpasst er deswegen doch noch einen seiner Leute. Genau besehen, könnte dies gar bereits geschehen sein.
Nun entschließt sich der Seebär doch für ein Zurücklehnen. "Ihr müsst wissen, dass sich meine ausgeblichenen Knochen bereits auf die Koje freuen. Einen Schlaftrunk hingegen will ich gern annehmen. So euer geheimnisvoller Tropfen eher für den Morgen geeignet ist, würde ich ihn auch dorthin verschieben wollen." Freundliches Lächeln zeugt davon, wie unverändert erfreut er über den Tischgefährten und seine Liebenswürdigkeit ist, wenn auch das Auge etwas müde blinzelt.

GH

"Oh, da macht Euch keine Sorgen", besänftigt der Schlummmertrunkanbieter die Sorgen seines Gegenübers mit einer Geste, als preise er ein Heilmittel an. "Dieser geheimnisvolle Tropfen ist für alle Tages- und Nachtzeiten geeignet. Denn die Lebensgeister wecken ist nicht das gleiche, wie den Körper aufzuschrecken. Der Geist kann wach sein, selbst wenn der Leib schlummert. Dann schenkt er uns schöne oder wegweisende Träume. Und", setzt er nach kurzem Nachsinnen hinzu, "wenn ich mich recht erinnere, habe ich nach dem Genuss eines solchen Becherchens selten schlecht geschlafen."

OHH

"Ja, wenn das so ist", lächelt der Kapitän befriedet, "dann will ich gern annehmen und den Abend damit beschließen." Ein wenig munterer richtet er sich im Stuhl wieder auf.
Wenn es mehr solche Leute wie diesen kleinen Neureisenden gäbe, wäre Kvalor womöglich nie Pirat geworden. Aber möglich, dass ein solches Leben, bei welchem man alles spendiert bekommt, auf Dauer auch recht langweilig würde. Zumindest gäbe es gewisse Abhängigkeiten zu fürchten, derer er irgendwann mutmaßlich fliehen würde. Für kurze Zeit hingegen kann man sich wohl wenig besseres vorstellen.
Es stehen genügend leere Becher umher, von welchen wahllos der nächstbeste ergriffen und zu dem gastgebenden Gast hinübergeschoben wird.

GH

"Oh nein", hebt der Neureisende in freundlicher Abwehr die Hand, "es wäre schade, den Rest des einen guten Tropfens mit diesem Neuen zu vermengen. Wartet nur einen kurzen Augenblick, so besorge ich uns angemessene Trinkgefäße."
Und kaum, dass er dies gesagt hat, wendet er sich bereits ab und durchquert entschlossenen Schrittes den Raum in Richtung Theke, an deren oberen Ende er seine Truhe erreicht.

OHH

Herrje! Irgendwie hatte der Kapitän es ja bereits im Bauch, diese Variante könne etwas länger dauern. Wo er doch vor dem Zubettgehen noch ein solches anfordern und auch mal draußen um die Ecke muss und langsam wirklich müde wird! Aber was so ein rechter erfahrener Seemann ist, der weiß natürlich auf so manche harte Nachtwache zurückzuschauen, da ist dies hier doch ein Klacks dagegen - zumal bei einem so durchaus interessanten Versprechen.
Besonders leicht fällt abendliches Warten, wenn man das Kinn in die Hand stützt und herzhaft gähnt. Um diese Zeit gibt es kaum was Besseres. Mit Ausnahme eines Schlummertrunks, versteht sich.

GH

Schließlich kehrt der kleine Herr im dunkelblauen Gehrock an den Tisch mit dem geduldig wartenden Seemann zurück. Seine linke Hand umfasst eine Flasche aus Ton, in der rechten trägt er einen kleinen ebenso erdfarbenen Stoffbeutel. In seinen Augen glitzert es vorfreudig, als er sich auf seinem Platz niederlässt.
"So", steigt es behaglich aus dem Inneren des Geniessers. "Nun haben wir alles, was wir brauchen beisammen. Eine Flasche" - selbige stellt er auf den Tisch - "zwei Trinker und" - er weitet die das Stoffbehältnis verschließende Schnur - "zwei hübsche Becherchen." Schon hat er zwei kleine silberne und sogrsam polierte Trinkgefäße in der Hand.

OHH

Aufmerksam lächelnd beobachtet der Kapitän die Zeremonie. Dieser Mann weiß, Erwartung aufzubauen!

GH

Mittlerweile hat der rundliche Mann in den besten Jahren es sich auf seinem Sitzplatz bequem gemacht und die blankpolierten Silberbecherchen vor seinem Tischgenossen und sich selber aufgebaut. Wer näher hinschaut, merkt, dass es Rankenornamente mit in einem Reigen darin umherkletternder Gestalten mit langen Extremitäten sind, die in die glatte Rundung der Trinkgefäße hineingraviert sind.
Nun nimmt der kleine Herr die Flasche zur Hand und entkorkt sie mit einer gleitenden Bewegung. Genießerisch schließt er die Augen, zieht die Luft ein und verharrt einen kurzen Moment in Andacht.
"Uisge Beata nennen es die Einheimischen, wenn ich es reicht behalten habe. Ich weiß nicht, ob das etwas mit dem bosparanischen Wort für 'selig' zu tun hat. Aber schon der Duft kann einen glücklich machen." Und damit füllt er feierlich das Becherchen des Kapitäns mit einem guten Schluck.

OHH

Die Einheimischen wovon? Ach ja, Albernia war's. Seltsame Wörter.
Unwillkürlich saugt auch der Kapitän sich abermals vorlehnend durch sein ausnahmsweise vollständiges Riechorgan ein, was bereits heranwehen mag, derweil das Auge neugierig dem durch Kerzenlicht hervorgerufenen Glitzern beim Eingießvorgang folgt. Zugleich wandert seine Hand dem Gefäß entgegen, als schleiche sie sich nach einigen scheuen Möwen an.
Kaum eingeschenkt, wird das Opfer ergriffen und zum Munde wie der Nase geführt.

GH

Ebenso wie das Lebenswasser im Kerzenslicht glitzern die Augen des Silberlockigen, nachdem er sein eigenes Becherchen befüllt und es unter seiner Nase vorbeigeschwenkt hat, dabei tief einatmend.
Nun hebt er das Gefäss dem Kapitän entgegen. "Auf das Leben - und alle die wundervollen Abenteuer!"

OHH

Auch der Kapitän hebt nun an. "Aye, auf das Leben und die Abenteuer!" Und den Schatz natürlich, der vorher ein Abenteuer bedeutet und hinterher ein bequemlicheres Leben. "Mögen wir beide finden, was wir suchen!"
Einen Moment wartet er noch ab, den anderen beobachtend, ob jener den Becher wohl stürzt oder genüsslich nippt. Von einem Fachmann lässt man sich gern beraten, auch oder gerade, wenn man schon so viel Lebenserfahrung gesammelt hat.

GH

Der Beobachtete vermag seinen Beobachter nicht zu sehen, denn er hat seine Augen geschlossen, während er einen kurzen Schluck nimmt. Viel mehr als ein Tröpfchen dürfte es nicht sein, das der kleine Herr auf seiner Zunge balanciert und von dessen Odeur er sich allmählich den Rachenraum ausfüllen lässt. Den Becher hat er dabei ein wenig abgesetzt und hält ihn auf Kinnhöhe.

OHH

Wohlan, es sei! Ähnlich seinem Vorbilde setzt der Kapitän an, begnügt sich aber mit keinem gar so kleinen, sondern mit einem lediglich gemäßigten Schlucke. Das Leben ist kurz und der Abend vorüber.

GH

Die Bäckchen des kleinen Mannes haben sich ein wenig gerötet, als er das im Kerzenschein funkelnde kleine Gemäß vom Mund nimmt und den Seeoffizier mit ebenso glänzenden Augen anblickt. "Nun, was sagt Ihr?" fragt er mit warmem Schmunzeln. "Ist das nicht ein vorzüglicher Schlummertrunk? Die Wärme kann man mit in einen womöglich kühlen Schlafsaal nehmen!"
Und damit genehmigt er sich gleich noch einen diesmal größeren Schluck.

OHH

Ungewohntes, jedoch beileibe nichts Übles bietet sich der Zunge des Kapitäns - welche übrigens ebenfalls noch vollständig vorhanden ist.
"Und es schläft sich schlecht ein, wenn man fröstelt", bestätigt er. "Ja, durchaus! Recht ordentlich!" Durch Geschmack und Vorbild angeregt, kippt er gleich die Hälfte des Übrigen nach.
Im Anschluss erklärt er pausierend: "Ihr seid ein wahrhaft großzügiger Mensch! Solches trifft man selten."

GH

"Nichts für ungut", erwidert der silberlockige Herr mit warmer Stimme und fährt wie beiläufig fort: "Das Gute, das jemand gibt, pflegt zu ihr oder ihm zurückzukommen. Oder umgekehrt, wer kärglich sät, erntet auch kärglich. Alles gleicht sich aus, besonders, wenn man nicht damit rechnet. Eine Buchhalterweisheit, mag sein. Aber eine, die gelassen und vergnügt macht."
Damit lässt er sich einen weit größeren Schluck des recht ordentlichen Getränkes schmecken. "Ja", verkündet er danach, "allmählich fühle ich mich bettwarm!"

OHH

Zu lange nickt Kvalor auf die Klugheiten des Getränkegebers hin, um rechtzeitig darauf zu antworten. So bezieht er sich zunächst auf dessen letztere Bemerkung: "In der Tat, ein so kräftiger Schluck - von etwas so Kräftigem, meine ich - hilft beim Einschlafen ungemein." Solange man es nicht übertreibt, versteht sich. Aber der Kapitän wäre schwerlich ein solcher geworden, läge ihm die Trinkerei nahe.
"Und was eure vorherige Weisheit anbelangt, so stimme ich Euch auch außerhalb jeglichen Arbeitszimmers vollkommen zu. Dies sind auch meine Erfahrungen, wenngleich Glück und Pech immer mal für kleine Abweichungen sorgen mögen. Die See des Lebens ist stürmisch bisweilen. Andererseits mag sich gerade im schlimmsten Rondrikan erweisen, ob man nach diesen Regeln der Vernunft gelebt hat."
Damit schüttet er sich die andere Hälfte hinter die nichtvorhandene Binde.

GH

"Nun denn - auf die Weisheiten", quittiert der ehemalige Buchhalter Worte und Tat des Sturmgeprüften mit erneutem Heben seines Bechers. "Das Beste, worauf man mit dem letzten Schluck trinken kann."
Und damit tut er es Freund Hullheiner gleich und leert den Rest aus seinem Trinkgefäß dorthin, wo er gehört, in die wohlige Wärme des rundlichen Bauches.

OHH

Feurig rinnt die Flüssigkeit die Kehle hinab, dass beim Kapitän der entfernte Eindruck entsteht, warmer Dampf steige ihm aus der Nase. Ja, so soll das sein!
Um dem letzten Trinkspruch zu huldigen, fehlt es nun jedoch an einem letzten Schluck. Dies soll dennoch nicht betrüben oder gar vom Angebrachten abhalten. "Auf die Weisheiten!" bestätigt der Pirat daher, kippt den Becher nochmals und wartet geduldig, bis die letzten Tropfen daraus auf seine Zunge kullern.
Dann setzt er ab. "Wunderbar! Ein würdiges Tagesende, fürwahr! Aber ich muss noch zwei Dinge erledigen, womit ich beginnen sollte, bevor die Wirtsleute im Bette liegen. Wir sehen uns gewiss des Morgens wieder." Ohne den Blick von seinem Saufkumpan in Ausbildung abzuwenden, greift er nach seinem Dreispitz, selbigen an dessen gebührenden Platz zu setzen.

GH

Der kleine Herr hebt seinen geleerten Becher wie zum Abbschiedsgruß und bedeutet dem Aufbrechenden mit einem kleinen Schmunzeln: "Seid gut behütet. Es ist wohl auch für mich an der Zeit, die Nachtmütze aufzusetzen. Ich wünsche Euch geruhsamen Schlaf."
Damit greift er hinter sich, wo Hut und Mantel liegen, nimmt seinen Zylinder und schwenkt ihn sanft, dem Seemann eine gute Reise in die Nacht zuwinkend.

OHH

Kaum berührt die Kopfbedeckung die abstehendsten Haare, wird sie schon wieder emporgezogen und kurz zu erwiderndem Gruße geschüttelt, bevor sie endlich doch auf dem Haupte des Kapitäns landet. Wer des Bosparano mächtig, mag darin eine kleine Besonderheit entdecken.
Zugleich entsteht darinnen - also im Hirn des Vielgereisten - unwillkürlich das Bild des anderen mit Nachtmütze statt Zylinderhutes. Selbiges passt recht gut, will es dem schmunzelnden Seebären scheinen.
"Euch gleichfalls! Gute Nacht!" wünscht er und wächst mühelos von seiner Sitzfläche hinauf. Wiederum blindlings und dennoch nahegleich kunstvoll, angelt dabei die Hand nach der Krücke, schwingt diese ein wenig herum und postiert sie unter der rechten Achsel, woraufhin der Haken am dortigen Unterarme sich an ein Querholz klemmt. Keine Frage: Der Versehrte ist diese Bewegungen seit sehr vielen Jahren ausführlich gewöhnt.

GH

Nachdem der Versehrte sich erstaunlich beweglich auf seine soweit vorhandenen Füße aufgeschwungen hat, erhebt sich auch Herr Tellicherri und verstaut die Silberbecherchen wieder in dem kleinen Beutel. Nicht dass die Frau Mamma oder Frau Knedsen ihm das hätten durchgehen lassen, aber so ist es nun einmal, wenn man sich auf Abenteuern befindet. In keinem seiner Bücher hat der Mann in den besten Jahren gelesen, dass dort jemals gespült wurde.
Abermals beugt er sich zu Boden und nimmt seinen Mantel auf, setzt den Hut auf den Kopf und klemmt das Buch unter den Arm und den Becherbeutel irgendwie noch in die Hand. Nun ist er abmarschfähig zur Nachtruhe.

OHH

Derweil sein neuer Freund noch seinen Aufbruch vorbereitet, setzt sich der Kapitän bereits in Bewegung, nimmt rasch an Fahrt auf und gelangt nach einigen wenigen Pochgeräuschen des Holzbeines und der Krücke an die Türe, aus welcher er flink hinausschlüpft.
Ah, die frische Seeluft! Zumindest das, was bis hierher davon übrig ist. Ja, ein ganz klein wenig Salz kann man noch erahnen, solange der Beleman vorherrscht.
Doch nun erst einmal zu dem Geschäft, was es hier draußen zu erledigen gibt. Nicht unbedingt direkt vor der Haustüre, natürlich! Ein Blick nach links, einer nach rechts. Von West her ist er gekommen, auch wenn er lediglich die eigenen Schritte vom Hofe bis hier auch bewusst miterlebt hat. Vermutlich gibt es hinter dem Hause einen Verschlag, aber eigentlich reicht es doch, wenn er nur mal eben um die Ecke verschwindet. Sieht ja niemand.

VW

Er hat sich dem Haus vorsichtig genähert. Noch ist Zeit, aber er möchte vor Ort sein. Sie wird kommen, das weiß er. Noch nicht. Kurz blickt er zur Tür, die aufgestoßen wird, und folgt dem Mann, der sich suchend umblickt, während ein füchsisches Grinsen über seine Züge huscht; wie passend.

OHH

Niemand da, wie er vermutet hat - zumindest erscheint es dem Kapitän dergestalt. Behende humpelt er die Straße ostwärts zur nächsten Hausecke. Um diese herum, will er soeben zur Wand gerichtet die Hose um das nötige Maß hinabziehen, da wird er einer Bewegung zur Linken gewahr. Da kommt jemand! So, wie der sich an der Wand absichert, mag er nachtblind oder betrunken sein.
Wie dem auch sei, richtet sich der alte Seebär nach einem betonten Blick zu Boden, als habe es dort etwas soeben Erkundetes und doch nicht so Interessantes, wieder auf und die Aufmerksamkeit zur Gänze offen dem Nahenden entgegen, in welchselbige Richtung er sich wieder in Bewegung versetzt. Nicken und lächeln - das ist immer eine gute Taktik.

OB

Aus der Dunkelheit vor Bosper schält sich eine andere Gestalt. Der Geweihte kneift die Augen zusammen, um im Herannahen genauer zu erkennen, wer's denn ist. Die Umrisse, das Humpeln und nicht zuletzt der Geruch verraten's ihm. Er stößt sich von der Wand ab, damit der Ältere sich zur Not daran abstützen kann.
"Bis zur Hausecke und dann noch zwei Schritt geradeaus", weist er dem Kapitän in freundlichem Ton den rechten Weg. "Und dann eine borongesegnete Nachtruhe", fügt er hinzu, als er sich schon der vorderen Ecke nähert.

OHH

Was? Ach so! Seine Gnaden kommt natürlich vom bewussten Örtchen daher. Es klingt in der Tat nicht mehr weit - insbesondere nicht, wenn der Kapitän nun unter Beobachtung brav ansteuert, auf was es aus Bequemlichkeit verzichten wollte.
"Äh, ah ja; vielen Dank, Euer Gnaden und Euch ebenso!" nickt Kvalor höflich lächelnd und setzt seinen vorgeblich furchtbar beschwerlichen Weg fort.

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Redaktion und Lektorat: Oliver H. Herde im Jahre 2018