Morgenstund hat Hoffnung im Mund

Autoren: Iris Schischmanow, Oliver H. Herde, Sven Wedeken, Werner Skibar und andere

OHH

Zwei wunderschöne, vertraute Stimmen begleiten Atreo durch einen langen finsteren Tunnel. Sie klingen traurig und aufmunternd zugleich. Dann, nach einer Weile, erkennt der Einhändige in der ferne ein grünliches Licht. Bald hat er es geschafft!
Ein zufriedenes Lächeln breitet sich über Atreos Gesicht. Wohlig brummend dreht er sich auf die andere Seite, dass es für Marlit im Bette etwas enger wird. Ein schwerer, ruhiger Atem kündet davon, dass er noch lange keine Anstalten macht, aufzuwachen.

WS

Aber auch Marlit scheint noch nicht so schnell aufwachen zu wollen; tief und fest ist ihr Schlaf. Die Träume sind gewichen, und ihr Atem ist ruhig. Lange ist es her, dass sie in sicherer Umgebung ruhig schlafen konnte. Wenn sie irgendwo verbotenerweise Unterschlupf suchte, war immer ein Teil von ihr auf Bereitschaft gewesen, aber das ist hier nicht nötig.

IS

Längst ist es hell draußen, und die Angroschim wird wach. Vor einem Augenblick sah es noch so aus, als wäre sie versteinert. Nun aber schlägt sie die Augen auf, gähnt einmal herzhaft und knackt beim Aufstehen mit den Gelenken. 'Hoppla, da muss ich wohl doch eingeschlafen sein', denkt sie sich. Eigentlich hat sie sich ja nur zurückgelehnt, um zu warten bis ihre beiden Gefährten aufwachen. Na, gut dass ihr das nicht in einer gefährlicheren Situation passiert ist. Vorsichtig hebt sie das reparierte Kettenhemd vom Boden auf und versucht, es sich so leise wie möglich über den Kopf zu ziehen. Natürlich funktioniert das nicht so ganz, vor allem als es an ihrem Körper runterrutscht.

WS

Marlit blinzelt verschlafen. Was ist hier los? Lärm? Und was ist das für einer? Und wo ist ihr Thronsaal? Eigentlich möchte sie ja nur weiterschlafen, also schließt sie wieder die Augen.

OHH

Verführerisch streicht sich die Kriegerin über ihren Kettenbikini. Das kommt einer Einladung gleich. Wie ein Bär tappst Atreo auf sie zu und legt ihr sanft brummend den Arm um die Hüfte - was Marlit wohl etwas verwundern dürfte.

IS

Nachdem das Kettenhemd angezogen ist, blickt Gudelne zu den beiden Schläfern hinüber. Scheinbar hat sie sie mit dem Lärm nicht geweckt. Gut so, die beiden brauchen ihren Schlaf. Vorsichtig legt sie ihren Waffengurt um. Leise raschelnd legt sie noch Kettenzeug und -haube an. In den Gurt schiebt sie einen schweren Dolch und eine kurze, kompakte Handaxt. Dann begibt sie sich zur Tür. Leider ist das mit etwas Geräusch verbunden, da die Dielen unter ihrem Gewicht ächzen und knarren. Vorsichtig macht sie die Tür auf, und ohne einen weiteren Blick in das Zimmer zu werfen, schließt sie die Tür wieder und geht die Treppe in den Schankraum hinab.

OHH

Zufrieden lächelnd schmiegt sich Atreo dichter an die Kriegerin. dass sie nur die Größe eines vierzehnjährigen Mädchens hat, fällt ihm im Schlafe nicht auf.

IS

Nachdenklich geht Gudelne die Treppe hinab. Irgendwas war da doch noch, grübelt sie. Etwas wichtiges, das sie gestern Abend gehört hat. Als sie unten angekommen ist, fällt es ihr plötzlich wieder ein. Sie wollte doch mit Atreo zusammen so schnell wie möglich aufbrechen, bevor ihn jemand wegen des Vorfalls mit den 'ungeschickten' Bauern suchen kommt! Flugs dreht sie sich um und stürmt unter lautem Poltern die Treppe wieder hoch. Oben angekommen reißt sie die Tür zu ihrem Zimmer auf und ruft, so dass es durch die ganze Etage schallt: "Aufstehen, Atreo, wir müssen weg." Und damit er es auch ja mitbekommt, geht sie zum Bett und schüttelt ihn an der Schulter.

OHH

Plopp, weg ist das herrliche Weibsbild und macht einem wesentlich jüngeren sowie zusätzlich einem wesentlich bärtigeren Platz! In ersterem Falle peinlich berührt, so aufdringlich gewesen zu sein, zieht er sich sogleich zurück und richtet sich die Bewegung fortsetzend und finsterlich blickend zu dem brüllenden Metallklumpen mit der ramponierten Nase auf: "Bist du irrsinnig, so zu schreien?" zischt Atreo. "Hier muß nicht jeder meinen Namen hören!"

WS

Wieder ist die tapfere Königin Marlit in Gefahr - ein großer Bär will sie zerdrücken - es wird auf einmal so warm...
Da läßt eine laute Stimme die Traumblasen zerplatzen, und von einem Herzschlag zum anderen ist das Mädchen munter. Noch benommen - und damit den Sittenstrolch an ihrer Seite nicht mitbekommend - ruft sie mit aufgerissenen Augen: "Ich habe nichts getan!"

IS

Seinen Namen will er nicht genannt wissen? Da scheint er ja echt in Schwierigkeiten zu stecken. Vielleicht waren die Bauern nur ein Vorwand, um sie abzulenken! 'Na, das werde ich schon rausfinden', denkt sich Gudelne. Aber erstmal ist es wichtiger, von hier zu verschwinden. Dann zieht sie die Tür hinter sich zu und flüstert unnötigerweise: "Komm Atreo, laß uns verschwinden, bevor sie dich suchen kommen!" Und zu Marlit gewandt fragt sie verwirrt: "Was hast du nicht getan? Macht nichts, damit können wir uns später befassen. Erst mal müssen wir hier weg. Beeil dich, wir haben heute einen langen Weg vor uns!"
Eigentlich ist die Zwergin froh, dass sie gestern abend noch in weiser Voraussicht ihre Sachen gepackt hat und jetzt reisefertig ist. Und schon geht sie zu ihren Taschen, um sie zu schultern.

WS

Marlit reibt sich verschlafen die Augen. "Was ist los?" fragt sie verwirrt. Im Augenblick weiß sie noch nicht einmal, WO sie ist.

OHH

"Jaja, nichts getan!" grummelt der Hammer in seinen Stiel. "Mich nicht kußretten wollen, aber mit dem alten Zausel kuscheln!"
Der Einhändige beachtet das Gemurmel nicht, und selbst für Marlit hat er momentan kaum genug Überblick, so sehr verwundert ihn seine alte Freundin. dass diese Zwerge immer so übertreiben müssen! Nette Kerle, aber etwas schwierig im Gebrauch.
"Gemach, gemach! Falls man mir folgt, ist auffälliges davonpreschen der schlechteste Rat, der mir einfiele. Für einen Marsch nach Bethana brauchen wir alle etwas im Magen. Und so leid es dir vermutlich tut" - er streicht sich mit der Hand über das Stoppelkinn - "so muß ich mich doch erst einmal rasieren."
Um Gudelne aber nicht nur verbal zu beruhigen, bewegt er sich seelenruhig aus den Federn und beginnt mit dem Ankleiden.
"Eine bessere Tarnung als euch beide kann sich nicht mal das Prinzlein leisten", womit Atreo wie üblich Seine Königliche Majestät den Reichsverweser meint, derweil der sich ignoriert fühlende Hammer nur unverständlich vor sich hin nörgelt.

IS

Bei Atreos träger Reaktion bleibt Gudelne erst mal die Luft weg. Das gibt ihr die nötige Zeit, um ihr Gehirn in Gang zu setzen und schließlich doch die Logik in seinem Verhalten zu sehen. Etwas verlegen murmelt sie: "Na, wenn das man nicht schiefgeht. Aber es ist ja deine Haut!" Dann stellt sie ihre Taschen wieder ab und wendet sich Marlit zu: "Na, gut geschlafen? Dann laß uns runtergehen und frühstücken", sagt sie mit einem Schmunzeln.

IS

Kopfschüttelnd betrachtet Gudelne ihren Gefährten: "Mit einem ordentlichen Bart siehst du fast attraktiv aus! Möchtest du dir das nicht doch noch mal überlegen?" Scheinbar kennt sie die Antwort schon, da sie nur seuftzt und "Diese Menschen!" murmelt. Kurz überlegt sie, ob es vielleicht möglich wäre, ihm sein Rasierzeug zu klauen. Da er weder Tasche noch sonstige Behältnisse bei sich trägt, müßte er es in seinem Mantel mit sich tragen. Diesen Gedanken verwirft sie sofort als unpraktikabel. Vielleicht ist hier doch ein subtilerer Ansatz gefragt. Und so geht sie hinüber zu ihrem Hammer und flüstert ihm verschwörerisch zu: "Findest du nicht auch, dass Atreo mit Bart viel besser aussieht?" Na, vielleicht beißt der Kleine Feigling ja an. Könnte amüsant werden - und es würde auch des Hammers Drang nach Unfug auf nützliche Weise befriedigen.

WS

Marlit reibt sich noch die Augen. Langsam tauchen wieder die Erinnerungen aus dem Meer des Vergessens auf. Sie nickt, und will noch etwas sagen - aber da ist Gudelne bereits in andere Gespräche vertieft. Und wer ist der Mann? Atreo dürfte er heißen, soviel bekommt sie aus den Worten Gudelnes mit. Irgendwo hat sie den Namen schon gehört, nur momentan fällt es ihr nicht ein, also fragt sie den Mann: "Wer bist du?"

OHH

Wohl versteht der Kleine Feigling, was Gudelne in etwa von ihm erwartet, allerdings überschätzt sie noch immer seine Fähigkeiten. So tut er, was in seiner Macht steht - und läßt sich selbst einen imaginären Bart wachsen.
Atreo derweil erwidert lächelnd: "Danke für die Blumen, aber momentan fühle ich mich entstellt einfach sicherer."
Er steht auf, schlüpft noch in die von vergangener Nässe verformten Schuhe, den Mantel aber ignoriert er vollkommen. Gedanklich schon die Tür ansteuernd, spricht ihn das Mädel an. "Ich?" Er räuspert sich unschlüssig-verlegen. Gewiß hat er keine Angst vor dem Kinde, doch solche neigen meist noch zu einer unbefangenen Ehrlichkeit, die Erwachsenen allzu oft abhanden gekommen ist. Besser, sie erfährt noch nicht alles. Wer weiß, mit wem sie bis Bethana in Gespräche verwickelt werden! "Geron von Reinickenberg", erklärt er und verbeugt sich schmunzelnd wie vor einer kleinen Prinzessin, dass sein locker geknöpftes Hemd für einen kurzen Moment Einblicke bis hinab zum Bauchnabel gewährt.

WS

Nun, solche 'Einblicke' war sie schon von ihrem Großvater gewohnt, denn wenn er ab und zu von einer Sauferei zurückgekommen war, fand sie ihn dann meist nackt wie einen Neugeborenen vor dem Kamin liegend - die ungefähren Unterschiede zwischen Männlein und Weiblein sind ihr also schon bekannt - wobei das Küssen das Einzige wäre, was ihr zum Thema 'Wie macht man Kinder?' wirklich geläufig ist.
Aber wie gesagt, es sind nicht die Einblicke, die das Mädchen stutzen lassen, vielmehr: "Aber Gudelne sprach von einem Atreo - ich dachte, das wärst du?"

OHH

Verflixt aufmerksames Mädchen! Aber im Grunde ist ihm das so viel lieber. Es macht die Sache interessanter. Jedenfalls kann ihn die Frage nicht wirklich aus der Ruhe bringen, hat er sich doch schon gestern Abend am Tische etwas einfallen lassen, nachdem ihn Gudelne vor den sich dann als weniger neugierig herausstellenden Gästen am Tische bereits mit Atreo ansprach: "Ja, das ist schon richtig. Atreo ist ein Ehrentitel bei den Zwergen."
Schon fingert die Hand nach der Tür, als wolle sie von der knappen Zeit eines Erwachsenen künden. "Ihr entschuldigt mich..."

WS

"Ach so, ein Ehrentitel. Und was bedeutet er?" fragt Marlit - wie könnte es auch anders sein - sofort nach. "Ich habe ihn gestern schon einmal gehört - aber mir fällt momentan nicht ein, wo."

IS

Na, der ist ja auch keine große Hilfe, denkt sich Gudelne, als sie den Hammer nun mit Bart sieht.
Nebenbei registriert sie, wie sich ihr Gefährte förmlich dem Mädchen vorstellt. Die Konversation verfolgt sie nur am Rande. 'Hmmhmm... Geron... Atreo... Ehrentitel...' Auf einmal schreckt sie hoch. Hat sie sich verhört, oder hat Atreo gesagt er hätte einen Ehrentitel bei den Angroschim? Das muss sie sich eingebildet haben. Als dann aber Marlit fragt: 'Was bedeutet das?' wird ihr klar, dass sie sich wohl nicht verhört hat. ein Ehrentitel? Was bildet der sich ein? So eine unverschämte Lüge zu erzählen. Gudelnes Blick verfinstert sich. Na, mal sehen, wie der da wieder rauskommt. Gespannt wartet sie auf Atreos Erklärung.

OHH

Da sieht man wieder einmal, wie wenig Atreo in allzu langer letzter Zeit mit Kindern zu tun hatte! Sie zu belügen, bringt nur erhöhten Erklärungsaufwand ein. Wie leicht wäre es, Marlit einfach zu sagen, es handele sich um ein Spiel, und sie solle ihn deshalb Geron nennen! Dies wäre durchaus sehr dicht an der Wahrheit. Doch wie so oft in seinem Leben begeht Atreo den Fehler, vor diesem doch eigentlich nebensächlichen Problemchen auszureißen und sich weiter in Unwahrheiten zu verstricken.
'Großer Bartmurmler' fällt schon einmal weg, wie er sich gerade noch rechtzeitig an seine neue Kinnfrisur erinnert. "Ähm, also..." beginnt er, um die Denkpause zu überspielen. Unschlüssig kratzt er sich am Stumpf, da möchte er sich plötzlich am liebsten gegen die Stirne klatschen. "Das heißt so viel wie 'Einhändiger'." Wie zum Beweis zeigt er den linken Arm vor. "Aber wir können ja noch beim Frühstück weiter darüber sprechen", schließt er seine Ausrede, während er dem entgegen die Türe öffnet.

WS

'Einhändiger' eine Ehrenbezeichnung der Zwerge? Der Mutige, Stolze oder etwas dergleichen hätte Marlit zufriedengestellt - aber der EINARMIGE? "Was hat ein Arm mit zwergischer Ehre zu tun?" stellt Marlit naiv die Frage in den Raum.

OHH

"Hand, Kleines, Hand!" verbessert Atreo, bereits hinausschlüpfend. "Natürlich habe ich sie im Kampf verloren! Bis gleich!" Und schon zieht er die Tür hinter sich zu.
Dann atmet er erst einmal tief auf, wischt sich symbolisch nicht vorhandenen Schweiß von der Stirne und begibt sich zur Treppe.
dass bereits viel Volk im Hause wach und unterwegs ist, wenn er das Zimmer verläßt, ist für Atreo nichts Neues. So etwas ist man gewohnt, wenn man meist als letzter ins Bett fällt.
Während er die Treppe hinabsteigt, erinnert er sich daran, dass seine Haare offen herumwuscheln. Es ist wohl zu spät, jetzt noch etwas dagegen unternehmen zu wollen. Bloß nicht durch Hektik auffallen! Der Wirt mag ihn nun, da er seinen Stumpf nicht einmal in einer Tasche verstecken kann, ohnehin wiedererkennen. Aber man muß in diesem Falle ja nicht den Eindruck erwecken, als wäre irgendwas dabei.
So tritt er an die Theke und spricht den Herrn des Hauses an: "Herr Wirt, hättet Ihr wohl Rasierzeug für mich?" Dabei reibt er sein kratziges Kinn, um zu unterstreichen, wie nötig er es habe.

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Weiterhin - jedoch nicht mehr blinzelnderweise - umherschauend, macht Nestario sich auf zur Theke. 'Das wird doch wohl der Wirt sein, dort hinter dem Tresen?' denkt Nestario in seiner üblichen Verunsichertheit. "Heda, Herr Wirt, was hat Er denn zum Frühstück zu bieten?" fragt er in leichtem Befehlston, der seine Bevorzugtbehandlung sicherstellen soll. 'Hoffentlich klappt's - und hoffentlich IST das auch der Wirt, ansonsten wäre das schon WIEDER die nächste Arangenschale...'

OHH

Mit einem Blick, der soviel ausdrückt wie: 'Ich bin mindestens so edel wie du und älter und war zuerst hier, also halt die Klappe, bis du dran bist!' schaut Atreo auf den jungen Kerl herab, der eben an die Theke getreten ist, um ihm in seine Rasiervorbereitungen zu quasseln. dass jener diesen Blick nicht sehen, sondern bestenfalls spüren könnte, ahnt der Einhändige natürlich nicht.

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Der Wirt schluckt gerade den letzten Bissen herunter, mit etwas Tee nachgespült, als sich in Form von nahenden Gästen auch schon das Ende seiner Frühstückspause ankündigt - zumindest das der ersten.
"Einen Bartschaber?" Tesden faßt sich ebenfalls ans Kinn, wo sein Bart in sauber gestutzter Pracht wächst und gedeiht. Nachdenklich wird sein Blick dabei, und an dem Kopfschütteln kann man die Antwort bereits erahnen: "Bedauere, Herr, der, den ich nutze, ist in Solstono, beim Barbier, daher sieht es damit schlecht aus."
Im Anschluß wendet er sich gleich an den herrischen Jungadligen, der, aller Lautstärke zum Trotz, sich doch auch gedulden muss, bis der Wirt seinen Satz beendet hat. Die Frage jedoch verwundert ihn und so weist er neben sich auf die Theke. "Tee, Milch, Brote. Nehmt Euch einfach davon, Herr."

OHH

Überlegend brummend verzieht Atreo den Mund, dann schaut er sich suchend im Schankraum um. Die meisten Leute sehen nicht so aus, als könnten sie weiterhelfen, und es erscheint ihm besser, sich nicht durch Herumfragerei in vieler Gäste Erinnerung einzuprägen.
Vielleicht findet er ja zufällig jemanden am Brunnen, der besser ausgestattet ist als dieses Gasthaus. Notfalls täte es ja ein kleiner Dolch oder Messer für das Allergröbste. Waschen muß er sich ohnehin.
So marschiert er zur Vordertür hinaus, das Haus zu umrunden.
Noch ehe er den Hof erreicht, schießt plötzlich der braunhaarige Kerl mit den vielen frischen Blessuren um die Ecke und verschwindet im Hause. Anscheinend wollte der sich mit dieser Raserei genügend Wind zum Trocknen verschaffen. Jedenfalls scheinen ihm weder ein Zant, noch irgendwelche Gardisten auf den Fersen zu sein.
Den Hof überquerend, überkommt den Einhändigen direkt ein gewisser Tatendrang. Der strahlende Himmel heitert ihn auf, und irgendwie reizt es ihn, mal wieder einer unsicheren Zukunft entgegenzutrotzen. Das hat ihm lange gefehlt.
So kommt ihm unwillkürlich ein simples Rasierliedchen in Erinnerung, das er irgendwann mal mit Schaum um die Nase daherdichtete. Der Drang, es zu singen, ist unwiderstehlich, und es ist ihm recht gleichgültig, ob sein halblautes Gebrumme von irgendwem gehört wird:
"Schwertkönig Raidri, so gründlich so glatt, weil Raidri zwei Schwerter hat.
Schwertkönig Raidri, so gründlich so glatt, weil Raidri zwei Schwerter hat.
Angwardig, das köpft so gut,
noch einmal es Ken'gan'kir tut.
Schwertkönig Raidri, so gründlich so glatt, weil Raidri zwei Schwerter hat."
Damit biegt er schwingenden Ganges um den Stall und bekommt den Brunnen und drei Männer in Sicht.

HCL

"Ah, Freund Kherbach. Auch schon wach? Vor lauter Langeweile begann ich schon den Codex Dimensionis auswendig aufzusagen. Ihr könnt euch vorstellen, wie merkwürdig man mich ansah. Aber dann können wir jetzt ja bald aufbrechen." Ein breites Grinsen durchzieht Cameroons Gesicht.

SW

Ein weiterer Mann gesellt sich zu den dort Stehenden. "Einen tsagefälligen guten Morgen", grüßt er freundlich, aber nicht mehr so fröhlich, wie es bei ihm vor kurzem noch in der Wirtsstube klang.

CJ

"Paßt bloß auf, dass Euch keine Schwester vom Orden der heiligen Noiona dabei erwischt. Ich habe mir sagen lassen, das kann schlimme Folgen haben", meint er scherzhaft zum Magister, als er den Eimer im Brunnen versenkt.
Während er mit dem Hinaufkurbeln beginnt, fügt er hinzu: "Es hat ja schon seinen Sinn, dass die Türen zu den Bibliotheken groß und schwer sind, damit bloß kein Menschenfreund hinein gelangt und versucht, den armen, verlorenen Seelen dort zu helfen, die tagein tagaus immer nur sinnloses Zeug vor sich hinbrabbeln."
Kurz nachdem er den Eimer auf den Brunnenrand gestellt hat, badet er seine Hände darin, zieht sie aber recht schnell fröstelnd wieder heraus. 'Verdammt kalt das scheiß Wasser. Scheiß Wasser? Habe ich das gerade gedacht? Huch!' Etwas erstaunt über sich selbst beugt sich Kherbach über den Brunnen und entleert den Eimer über seinem Kopf. Dann läßt er ihn achtlos neben sich fallen und streicht sich das Wasser aus den Haaren. 'Wird mal wieder Zeit, nicht nur in Studierstuben zu hocken. Die Reise von einer Gaststätte zur anderen macht auch nicht schlank und ausdauernd.'
Verzweifelt versucht er, sich an den letzten Zauber zu erinnern, der ihm die Schweißperlen auf die Stirn getrieben hat, aber es will ihm nicht gelingen - es wird Zeit für so etwas, defintiv.
Auf eine weitere Wäsche verzichtet er, es wird sich schon noch irgendwo warmes Wasser auftreiben lassen.
Als er einigermaßen sicher ist, dass das meiste Wasser aus seinen Haaren herausgedrückt wurde, richtet er sich wieder gerade auf und bemerkt, dass sich schon wieder zwei Personen dem Brunnen nähern. Anbauen müßte man, noch einen Brunnen und ein paar Einzelzimmer...

HCL

"Mein werter Kherbach, manchmal erscheint mir eine ruhige Zelle in einem Noioniten-Kloster sehr erstrebenswert. Wenn um einen herum das Chaos tobt und mal wieder alles in Stücke fällt, dann wünscht man sich auf seine alten Tage ein ruhiges Plätzchen. Wenn man mal wieder hinter einen Felsblock hechten mußte, weil die Scholaren bei den Kampfzaubern rumpfuschen, dann fragt man sich schon, warum man sich das noch antut."
Cameroon lächelt zwar weiterhin, aber sein Ausführungen sind wohl nicht nur scherzhaft gemeint.

OHH

Einen Moment lang wirkt Atreo wie versteinert. Versonnen starrt er auf den Brunnen. Wie anders sieht es hier aus als neulich Abend! Und doch wie vertraut. Wieder wimmelt man herum, aber das Bezauberndste fehlt natürlich.
Den Gesprächen nach, handelt es sich hier ganz offensichtlich um zwei Magier bei ihren Lieblingsthemen.
Dem dritten Mann, der soeben hinzutritt, erwidert er dessen Gruß mit einem gekürzten "Guten Morgen", wobei er dies mit einem Blick auch auf die Magier ausweitet.
Scheinbar hat hier ebenfalls niemand Rasierzeug. Aber bis Bethana mag es genügen, sich zu waschen. Unwillkürlich schaut er hinab in den Schacht, bevor er den Eimer aufhebt und dort hineinwirft.
Statt das Behältnis aber nun wieder heraufzuholen, entledigt sich Atreo erst einmal des Hemdes. Auf diese Weise fördert er mal wieder sein seltsam an Schuppen erinnerndes Brandmal auf der Brust vor dem Herzen zutage, doch beachtet er diesen Umstand nicht weiter. Er beginnt zu kurbeln.

SW

Während der Einhändige den Eimer in Beschlag nimmt, legt Haakon seine Sachen erst einmal vorsichtig auf die Brunnenmauer - nicht das die am Ende noch hineinfallen oder neben dem Brunnen im Dreck landen. 'Wobei - so sauber sind sie ja auch grade nicht.' Daneben legt er das Bündel mit den verborgenen Wurfdolchen.
Da der Einhändige noch damit beschäftigt ist, den Eimer heraufzubefördern, öffnet Haakon die rechte Gürteltasche und sucht ein wenig darin herum, wobei er darauf bedacht scheint, niemanden Einsicht in den Inhalt zu geben. Nach kurzem Suchen holt er dann einen vielleicht einen halben Spann messenden und daumenstarken silbernen Gegenstand hervor.
Mit einem leichten Druck auf einen kleinen Hebel schnappt die glänzende und definitiv sehr scharfe Klinge des Rasiermessers auf - beste Al'Anfaner Feinmechanik. Der einstige Besitzer dieses wertvollen Stückes - ein Hofbarbier der Paligans - wird es sicherlich vermissen.

OHH

Wer heimlich tut, braucht sich über neugierige Blicke nicht zu wundern. So linst Atreo während der Eimererhebung immer wieder unwilkürlich zu der Tasche des Blondschopfes. Dabei hat er nicht einmal Hintergedanken. Als aber das silberne Rasiermesser erscheint, vermeint man beinahe das gedämpfte Klingeln einer Vinsalter Registrierkasse zu vernehmen.
Doch Atreo ist nicht hier, Beute zu machen. An jenem Stück würde ihn das Abenteuer mehr reizen, als sein Wert. Längst sind Zeiten herangebrochen, in denen er sich solches im Vorübergehen kauft und wenn nötig einen Wanderbarbier dazu. Vielleicht ein Fehler, fehlt es doch auf diese Weise an der nötigen Spannung im Leben.
Im Moment bekommt der Gegenstand allerdings einen noch anderen, viel wichtigeren Aspekt: Man kann sich damit rasieren!
Der Eimer umständlich auf dem Brunnenrand abstellend, fragt er: "Sagt, würdet Ihr mir dies wohl nachher kurz leihen? Ich hätte es nötig." Und wieder streicht er sich über das kratzige Kinn.

SW

Zwar versucht Haakon sein Bestes, Neugierigen den Blick in die Gürteltasche zu verwehren, doch kann er es natürlich nicht verhindern, dass ein gelegentliches verräterrisches Klirren und der kurze Widerschein von mattem, seltsam geformten Metall in der Morgensonne einem Kundigen zumindest die Vermutung nahelegen, dass es sich bei einem Teil des Inhaltes um Dietriche und Nachschlüssel handeln dürfte.
Das Aufklappen des Messers verfolgt er mit geradezu fasziniertem Blick und so schreckt er regelrecht auf, als ihn der Einhändige anspricht. "Wie? ... Ah so, ja sicher. Allerdings verfüge ich nicht über Rasierseife... Ihr wohl auch nicht, oder? Aber es geht auch ohne ganz gut - die Klinge ist beste Qualität."

OHH

Derweil die beiden schwatzenden Magier den Brunnen verlassen, achtet Atreo viel mehr auf die vielsagenden Laute aus des Blondschopfs Tasche. Seine Mimik entspannt sich zu einem verschmitzten Schmunzeln, doch als er auf fehlenden Schaum aufmerksam gemacht wird, blickt er beinahe etwas gequält drein. Sich das Antlitz trocken zu zerkratzen, paßt eigentlich nicht gut zu seiner Edlen-Rolle. "Nein, Ihr seht, ich habe meine Utensilien im Hotel in Shenilo vergessen", erwidert er leicht näselnd. "Doch in der Not frißt der Daimon Butterblumen. Es wird schon gehen", endet er mit einem herzzerreißend bescheidenen Seufzerchen.
Dann beginnt er, sich Gesicht und Brust zu waschen.

SW

Die gekünstelte Mimik und Ausdrucksweise des Einhändigen entlocken Haakon ein amüsiertes Grinsen. "Ich pflege für gewöhnlich solcherart Utensilien gar nicht mitzuführen, sondern kehre auf Reisen wo es geht in größeren Ansiedlungen ein, wo man das Lebensnotwendigste vorrätig hat", hält er nicht minder hochgestochen dagegen. "Auch wenn es bisweilen nicht ganz glückt."
Er lehnt sich an die Brunnenmauer, während er darauf wartet, dass ihm der Einhändige den Eimer freigibt.

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"Hach, wem sagt Ihr das!" seufzt Atreo diesmal wie eine verwöhnte Hofschranze. "Da vermeint man im Lieblichen Felde zu sein, doch wahre Kultur zeigt sich bestenfalls noch auf, aber wohl selten noch neben der Reichsstraße." Um seiner gnadelos albernen Rolle auch gerecht zu werden, die ihn selbst langsam zu amüsieren beginnt, überschwemmt er sich nicht in der gewohnten Weise ungezielt den Koppf und den gesamten Oberkörper, sondern tupft einmal hier, einmal da, während er versonnen ins Leere schaut. Es kostet ihn einige Anstrengung, sich bei bei dieser morgendlichen Wärme dermaßen zurückzuhalten. Wie soll man da wach werden!
Schließlich wird es ihm selbst zu viel. "Oh, verzeiht, ich möchte Euch nicht unnötig warten lassen!" Mit allen fünf Fingerkuppen und dem Armstumpf nimmt er den Eimer, als wolle er sich möglichst wenig daran beschmutzen, wirft noch einen wehmütigen Blick auf den anderen Brunnengast, dann bricht sich ein beinahe boshaftes Schmunzeln Bahn und er kippt sich das Wasser schonungslos über, dass es stellenweise noch Hose, Strümpfe und Schuhe erreicht.
"Herrje, wie unvorsichtig", entschuldigt er seinen schockierenden Ausbruch und reicht den leeren Eimer hinüber.

SW

Mit breitem Grinsen verfolgt Haakon die Darbietung des Einhändigen. Den verwöhnten Adeligen jedenfalls nimmt er ihm keinesfalls ab, und selbst letzte Zweifel werden durch die 'Gewaltdusche' zerstreut.
"Hmpf, wie gewöhnlich!" verzieht Haakon pikiert das Gesicht, nur um gleich danach wieder breit zu grinsen, als er den Eimer entgegennimmt und nach unten läßt, um sich selbst auch mit Wasser zu versorgen.
"Aber selbst in der Stadt ist man nicht mehr sicher... Dieses elende Streunerpack mit ihren ewig zu langen Fingern tanzen der Garde auch auf der Nase herum." Die Worte sind ähnlich albern und hochnäsig herausgebracht wie vorher die des Einhändigen und es folgt wieder ein breites Grinsen, doch ein guter Menschenkenner wird bemerken, dass Haakon sein Gegenüber bei diesen Worten aufmerksam auf seine Reaktion hin beobachtet. 'Ein Schuss ins Blaue, aber mal sehen...'

OHH

Ganz offenkundig hat Atreo es hier mit einem Manne seines Schlages zu tun. Um so weniger sieht er ein, warum er das nette Spiel nun abbrechen sollte.
"Ja, wirklich! Ohne meinen Degen..." Seine Hand tastet ins Leere, und Atreo scheint sich einen Moment lang selbst nicht recht schlüssig, ob ihn dies überrascht. "Ob es wohl ein Fehler war, ihn auf dem Zimmer zu lassen?"
Nebenbei wandern seine Augen zum Rasiermesser, dann auffordernd zu dem Kerl, der es in der Hand hält. Hoffentlich will der nicht warten, bis sich die Rasur so richtig lohnt!

SW

Obschon er den Einhändigen genau beobachtet, kann Haakon keine sonderliche Gefühlsregung bei diesem auf seine Bemerkung feststellen. Nun ja... wird wohl andere Bewandnis haben, die fehlende Hand... oder sein Gegenüber steht ihm in Abgebrühtheit in nichts nach. Haakons Neugierde ist jedenfalls keineswegs erloschen. Mit einem gewinnenden Lächeln reicht er dem anderen das Rasiermesser, sobald er den Eimer nach oben gezogen hat.
"Das weiß man leider selten vorher, was ein Fehler ist und was nicht - es sei denn man genießt Phexens Wohlwollen in außergewöhnlichem Maße. Aber zur Sicherheit könnt Ihr Euch ja vorerst einmal dieser Waffe hier bedienen.
Ach ja: Haakon ist des Übrigen mein Name", fügt er noch hinzu, bevor er zum Eimer greift, um sich diesen ganz ähnlich wie vorhin der Einhändige einfach über den Kopf zu schütten.

OHH

"Angenehm", erwidert Atreo das Messer nehmend. "Geron von Reinickenberg ist der meine."
Dann beginnt er, sich damit im noch feuchten Gesicht herumzukratzen - ohne Schaum und mit nur einer Hand keine wirklich leichte Sache, und er hat sich im Grunde noch nie gerne rasiert. Andererseits hatte er viele Jahre Zeit, solches zu üben. Gelegentlich sammelt er vom eigenen Oberkörper noch ein paar Tropfen ein, bis er sich letztendlich als fertig betrachtet und das kostspielige Werkzeug zurückreicht. "Ein schönes Stück."

SW

Haakon nimmt das Messer entgegen und dreht es ein wenig in der Hand "Das ist es allerdings. Es war auch gar nicht so einfach, dieses spezielle Stück zu erwerben. Beste Feinmechanikerarbeit."
Mit diesen Worten macht sich Haakon daran, sich ebenfalls zu rasieren. Der Geschwindigkeit und Sicherheit nach, mit der er das macht, scheint er es entgegen seiner vorherigen Aussage gewöhnt zu sein, sich selbst zu rasieren und das auch ohne entsprechende ergänzende Utensilien.
Sobald er fertig ist, klappt er das Messer zusammen und verstaut es wieder in der Gürteltasche. Mit einigen Handstrichen ordnet er sein nasses Haar so gut es geht und bindet es mit einem bunten Band aus Schlangenhaut zu einem Pferdeschwanz zusammen.
"Reinickenberg... hm... zu meiner Schande muß ich gestehen, dass mir der Name nichts sagt. Ihr kommt aber nicht aus dieser Gegend, oder?" Bei diesen Worten ergreift Haakon seine immer noch leicht verschmutzte Seidenkleidung und beginnt sich umzukleiden.
Ein nervöser Blick trifft dabei das Bündel mit den Dolchen 'Verdammt... wo kann ich die ungestört anlegen?'

OHH

Während der andere sich barbiert, streift Atreo das Hemd wieder über und bemüht sich, alles zurechtzurücken. Das Haarband steckt er einstweilen in den Hosenbund. Es macht wenig Sinn, solange die Haare noch trocknen, und mit einer Hand gäbe das ohnehin kein schönes Schleifchen. Ja, wenn er den Handschuh noch hätte! Aber es ist wohl besser so. Lieber niemandem zu etwas verpflichtet sein, schon gar keinem Gott!
Gerade will er gehen, als er noch einmal angesprochen wird. Die Geschichte vom Vorabend verfeinernd, erwidert er: "Ich komme aus Almada." Was man davon halten möchte, wenn ein so hochgewachsener Kerl mit Kusliker Tracht aus Almada zu stammen beanstprucht, mag dahingestellt sein. Atreo hat nicht vor, dies ausführlich zu erörtern. Bei Fremden weiß man nie so genau, wie leicht sie zu einträglichen Auskünften an Ordnungshüter bereit sind.
Ferner bekommt der Einhändige das unwillkürliche Gefühl, Haakon wäre aus irgendeinem Grunde nun lieber alleine. Vielleicht liegt das auch nur an seiner eigenen Unruhe. Wie dem auch sei, er verabschiedet sich: "Leider werde ich dringlichst in Mhoremis erwartet und muß noch schnell Magen wie Darm für den Weg rüsten. Euch eine gute Reise, Herr Kollege!"
Mit dieser unpassend vieldeutigen Anrede entzieht er sich Haakon und dem Brunnen und marschiert forschen Schrittes zum Erleichterungshäuschen.

SW

'Almada... hm, wenn das mal stimmt', denkt sich Haakon schmunzelnd. Aber das ist auch nicht wirklich wichtig - ebenso wie 'Geron' ist sich Haakon inzwischen ziemlich sicher, hier mit seinesgleichen zu tun zu haben, insofern erwidert er dessen Abschiedsgruß mit einem "Auch Euch noch eine gute Reise, Phex mit Euch!"

OHH

Nachdem der Darm reisefertig ist, eilt Atreo endlich etwas zügiger um das Haus. Hat er sich doch wieder einmal verplappert! Immer das Gleiche! Praios schaut schon von viel zu weit oben streng herab.
Im Schankraum stellt er fest, dass Gudelne und das Mädchen nicht anwesend sind. Sollte die Zwergin sich das mit der empfohlenen Gemächlichkeit allzu sehr zu Herzen genommen haben?
Oben in seinem Zimmer angekommen, wird er eines Besseren belehrt. Wo können die beiden stecken? Bestimmt ist Gudelne mit Knirps II unterwegs, also werden sie sich im Stall tummeln.
Als der Einhändige seine Sachen eingesammelt hat, schaut er sich noch einmal um. Irgendwie ist es ein etwas anderer Blick, als einer, der nur der Kontrolle dient. Zwei Nächte hat er nun hier durch eine Verkettung von Zufällen zugebracht, beide Male mit Damen, die als Lebenspartnerinnen kaum in Frage kämen. Unvermutet fühlt er sich wieder so alt wie gestern Abend. Ein eigenartiges Gefühl umwallt sein Herz und er steht einige Augenblicke schwankend an der Tür, bevor er sich vom Raume abwendet und sie durchschreitet.
Auf der Treppe wird sein Blick von einem Blutstropfen auf den Stufen angezogen. Hoffentlich geht es Jasinai inzwischen besser.
Das Frühstück an der Theke weiß seinen wehmütigen Ausdruck aufzuhellen. Ohne sich um andere Gäste oder das Wirtspersonal zu scheren, greift er sich ein belegtes Brot und ein Käsetörtchen. Das mit dem Geld hat bestimmt Gudelne erledigt - und wenn nicht, wäre es auch keine Tragödie. Wenn ihm daran gelegen wäre, hier in zehn Jahren noch persönlich erkannt zu werden, könnte er leicht eines der Kusliker Räder auf den Tresen knallen und 'stimmt so' brüllen, doch richtet sich sein Interesse bekanntlich mehr auf einen stillen Aufenthalt, den er nun rasch zu beenden gedenkt.
Mit einem unbewußten Seitenblick auf den Falkner und seinen schönen Gefähren wendet sich Atreo dem Ausgang zu.
Draußen warten bereits Gudelne und ihr umfangreicher und wunderlicher gewordenes Gefolge. Wahrlich, es wird Zeit! Wer weiß, wie lange das allgemeine Gewusel, welches in seiner Wirkung geradezu einem Ignorantia gleichkommt, noch anhält!
"Alle bereit?" fragt Atreo, als wäre dies nicht offensichtlich. Auf die langen Beine des Pferdes schaut er etwas mißmutig. Da ist schwer mitzuhalten, und seine Erfahrung mit Pferden sagt ihm, dass Knirps sicher nicht gerne so langsam gehen wird wie er. Aber bei diesem monströsen Sattel mitsamt seiner irrwitzigen Aufbauten paßt unmöglich die gesamte Truppe selbst auf diesen Rücken. Wenigstens hat er kein nennenswertes Gepäck zu schleppen - oder gar die Rüstung, die er bereits vorgestern hier im Gasthause zurückließ.
"Alsdann!" Er tut ein paar auffordernde Schritte westwärts.

IS

So schnell es geht, klettert Gudelne auf ihr Pferd, auf dem schon Marlit sitzt. Atreo scheint es jetzt doch eilig zu haben, da er schon vorgegangen ist. Aber ihr langbeiniges Pferd holt ihn schnell wieder ein. Dann fällt es in einen gemächlichen Schritt.

OHH

Welch ein Gefühlschaos in dem Einhändigen tobt! Und doch nimmt er kaum bewußt wahr, was ihn bewegt. Unruhig, aber gedankenleer schaut er hinauf zu den Wolken, von den Winden je nach Höhe in unterschiedlichen Richtungen und auch verschieden schnell getrieben. Früher hätte er solches kaum beachtet.
Unwillkürlich zieht es seinen Blick zurück, dass er sogar einen Moment lang stehen bleibt. Fast scheint es, als rufe ihm sein alter Freund Feledrion aus dem Fenster jenes zweimal besuchten Zimmers zu: 'Lausche immer deiner Intuition!' Diese aber flüstert davon, welche Veränderung jenes Gasthaus und die Ereignisse der letzten Tage für den Einhändigen bedeuten. Sie läuteten eine neue Zeit ein - eine intensive, wenn auch kurze Zeit der Stürme und der Ungewissheit, welche Atreo ganz persönlich betreffen und weitgehend unabhängig von jenen anderen Umstürzen ablaufen werden, die bereits über Aventurien hereinzubrechen beginnen, und bei denen Atreo immer Randfigur bleiben wird.
Einerseits zieht ihn eine mysteriöse Kraft zurück, andererseits fürchtet er sich davor, diese Herberge noch einmal zu betreten. Noch ist er nicht bereit, sich seinen eigenen Gefühlen zu stellen. Und so wendet sich der Einhändige hastig ab, den anderen zu folgen - gleichsam einer Flucht vor dem Wirtshaus Zum Günen Eber.


Ausschnittliste / Ehemalige Gäste / Lageplan / Speisekarte

Redaktion und Lektorat: OHH