Nächtlicher Rundgang

Autoren: Friederike Hölscher, Günther Hölscher, Oliver H. Herde und andere

OHH

Den Stab unter den die Kerze haltenden Arm geklemmt, zögert Yashkir kurz, als seine freie Rechte die Klinke umschließt. Und als er die Türe passiert hat, weiß er auch gleich wieder, warum: Was für eine Arscheskälte! Spontan macht sich schon jetzt sein Unterkiefer selbstständig - wenn auch nur kurz, quasi als Vorankündigung weiteren Protestzitterns.
Viel gibt es nicht, was die flackernde Kerze erhellen könnte. Der Nebel scheint sich weitgehend verzogen zu haben, doch wenn es auch kein widerwärtig wechselwütiges Windwetter zu beklagen gibt, ist doch ob der Kälte, welche man als Südländer nun einmal nicht gewohnt ist, schon der kleinste Hauch höchst unangenehm. Der Schnee des Vortages ist weitgehend verschwunden, wodurch Yashkir den Boden nur in dunkle und besonders dunkle Stellen zu unterteilen vermag. Die vereinzelten Bäume recken wie tote Daimonen ihre blattlosen Arme empor, als wären sie auf der Suche nach zwischen Wolkenfetzen aufblitzenden Sternen.
Die Augen gewöhnen sich recht schnell an die neuen Lichtverhältnisse, doch muss Yashkir die Kerze seitlich von sich weg halten, um nicht von ihr so geblendet zu werden, dass alles andere darüber im Dunkel unsichtbar wird.
Weit kann er nicht sehen, jedenfalls scheint niemand in der Umgebung mit Licht unterwegs zu sein. Aber steht dort nicht eine Gestalt an der Straße?
Unheimlich, wie unbewegt sie da im Dunkel verharrt! oder sollte es gar kein Mensch sein? Yashkir ahnt ja nicht, dass er die Person sogar von früher kennt.
Schon will er sich lieber abwenden, bevor er sich noch um nichtige Dinge unnötig ängstigt, als vom Landesinneren her ein Wagen zu hören ist. Bestimmt hält der nicht an, also sollte man sich schleunigst in Bewegung setzen, um nicht eines jämmerlichen Erfrierungstodes zu versterben, so meint Yashkir. Dann aber bleibt er doch neugierig stehen, gibt es doch sonst hier draußen wenig zu hören und zu sehen.
Ganz still verharrt er freilich nicht. Gegen ein neuerliches Zittern der Zähne und sich ob des Frierens verkrampfende Beinmuskulatur beginnt er, ein klein wenig zu hopsen - nicht hoch, doch sichtlich, zumal er ja noch die Kerze hält, die unübersehbar mitwippt.
Tatsächlich, ein Mann ist abgestiegen und nähert sich der Eingangstüre. Im Grunde nichts Besonderes, doch vermeint Yashkir, dieser Tage überhaupt noch nichts Ungewöhnliches erlebt zu haben - vom Durcheinander seines Schlafrythmusses mal abgesehen.
So setzt er seine sicherlich nicht besonders Intelligent wirkende Bewegung fort, weiter den Mann beobachtend und mit einem Nicken grüßend. Der muss verrückt sein, so spät noch hier draußen in eisigster Eiseskälte herumzurennen!
Und schon klappern Yashkir wieder die Zähne.

RL

Das Nicken im Vorbeigehen beantwortend. eilt der späte Gast weiter auf die Tür zu. Jetzt, wo er die Kapuze zurückgeschlagen hat, kann man erkennen, dass er überschulterlanges, dunkles, glattes Haar hat. An der Tür angekommen, versucht er sie mit Hilfe der Ellenbogen zu öffnen. Aufgrund des vielen Gepäcks will das nicht gelingen und es rutscht ihm auch noch der Rucksack von der Schulter in die Armbeuge. Hilfe suchend blickt er doch wieder zu dem in der Nähe stehenden Fremden.

OHH

Fast scheint es das unbeteiligte Interesse eines wunderlichen Wissenschaftlers zu sein, mit dem Yashkir den Neuankömmling bei seinem Türöffnungsscheitern beobachtet. Sicher, dieser unbeholfene Mensch hat beide Hände voll. Aber eine wirklich hilflose Situation hat er eigentlich nicht zu ertragen. Als Yashkir jedoch sieht, dass der Korb den jungen Mann wohl doch mehr behindert, als ihn selbst die Kerze, tritt er freundlich lächelnd heran und öffnet die Türe seinerseits mit dem Ellenbogen.

RL

Dankbar lächelt der junge Neuankömmling den hilfreichen Mann an. Aus der Nähe und im Licht der Kerze und dem aus dem Schankraum ist jetzt zu erkennen, dass der schlanke Mann wohl etwas über 20 Jahre alt ist, und neben horasischem auch etwas Waldmenschenblut in seinen Adern fließen muss. Tief sonnengebräunte Haut und seidig schwarze, sanft geschwungene Augenbrauen stehen im Widerspruch zu auffällig hellblauen Augen und rosig blassen Lippen. Glattes schwarzes Haar fällt glänzend über die Schultern und das bartlose Gesicht mit seinen fein geschnittenen Zügen ist für einen Mann schon auffällig hübsch zu nennen.
"Danke", sagt er mit sanfter Stimme und läuft dann eilig in den Raum hinein, wobei er sich offensichtlich darauf verlässt, dass die Tür hinter ihm auch wieder geschlossen wird.
Erst ungefähr in der Mitte des Raumes hält er inne und lässt Wanderstab und den in seiner Armbeuge hängenden Rucksack zu Boden gleiten. Es ist ein hoher Rucksack aus grauem Wildleder mit vielen Seitentaschen, an den außen auch noch eine tönerne Trinkflasche und ein aufgeschossenes Seil mittlerer Dicke geschnürt sind. Oben drauf befindet sich eine Strohmatte und unter dem Boden ein Schlafsack aus blaugefärbter Wolle, so dass er ein wahrliches Ungetüm bildet.
Als die Sachen auf dem Boden zu liegen gekommen sind, atmet der junge Mischling kurz durch und beginnt sich neugierig umzuschauen. Er trägt eine dunkelbraune Lederhose mit Verschnürungen an den Seiten und gut eingelaufene Stulpenstiefel. Außerdem einen schwarzen Mantel mit wasserabweisender gewachster Oberfläche und Knöpfen aus Fischbein, sowie einer nun zurückgeschlagenen Kapuze. Am Kragen schaut ein bunter Schal in allen Farben des Paradiesvogels hervor. Mehrere exotische Schmuckstücke geben seinem Äußeren weitere Farbtupfer. Im rechten Arm hält er immer noch den am Boden etwa eineinhalb Spann, oben etwas mehr, messenden zwei Spann hohen, runden Weidenkorb.

OHH

Noch denkt Yashkir gar nicht daran, die Türe wieder zu verschließen - vielmehr hält er sie gar mit dem rechten Fuß offen, um dem Jüngling nachzuschauen. Bei Licht betrachtet - und Yashkir benötigt ohnehin für manche Dinge etwas länger - weist der junge Kerl durchaus einige Merkmale auf, die in Yashkir Assoziationen hervorrufen.
Sollte jener etwa aus dem Süden stammen? Ein Halbblut gar? Vielleicht hat er Möglichkeiten, die Seuche zu umgehen, von denen andere nichts ahnen. Angesichts des Korbes in Verbindung mit dem Seil kommen Yashkir allerdings noch ganz andere Ideen, welche ihn zunächst wieder in sein aufregendes Traumland absinken lassen. So ein Weidenkorb ist ja auch viel kuscheliger als ein Metallkäfig...
Der zankvolle Auflauf am kleinen Tisch neben der Türe holt den Rockträger wieder in die Wirklichkeit zurück - wenngleich er diese auch nicht recht durchschaut. Erst der kurze Blick des Beamten erinnert ihn an das Übermaß an Frischluft, welches er dem Schankraume soeben zugutekommen lässt. Unwillkürlich und über seine Gedankenlosigkeit selbst erschrocken, tritt er rücklings einen Schritt hinaus und zieht die Türe hinter sich zu.
Ungläubig starrt der Verschleierte für einige Momente auf die Türe, als hätte man sie ihm vor der Nase zugeworfen. Dann fasst er sich - oder vielmehr die Kälte ihn. Eilig orientiert er sich.
Rein, raus? Schräg hinter ihm noch immer die undefinierbare Silhouette, die ihm doch etwas Unbehagen bereitet. Am besten schnell einmal ums Haus herum, um sich heute wenigstens ein Mal ein Klitzebisschen bewegt zu haben. Links, rechts? Gerade eine Entscheidung über völlig unwichtige Dinge mag besonders schwer fallen, wenn man den Anspruch hat, doch einen Vorzug des einen oder anderen zu finden.
War da nicht eben eine Stimme von links? Neugier voran, Vorsicht hintan! Aber nicht gar zu weit hinten! Immerhin ist es dunkel und vor allem viel zu kalt für eine Prügelei. Dennoch recht zügig, schreitet Yashkir auf die nächste Hausecke zu.
Nach einigen Schritten hat er sie erreicht und spät zunächst vorsichtig um sie herum, ob sich auch keine offenen Messer und dergleichen dahinter verbergen. Doch nein, nur eine weiter entfernte massige Gestalt ist zu erkennen, daneben eine hagere. Seine Gnaden, der Teespender und der Kartenleger wohlmöglich? Hat die Komödie noch einen weiteren Akt?
Unschlüssig bleibt Yashkir an der Hausecke stehen, um sich darüber klar zu werden.
So recht schlau wird Yashkir nicht aus dem aufgeregten Getuschel - nicht auf diese Entfernung. Ob er mal eben ganz zwanglos vorüberstören kann? Vielleicht schnappt er ja etwas dabei auf, ansonsten beendet er seinen Rundgang allemal schneller, als wenn er hier festfriert.
Also setzt er sich in Bewegung und schreitet in Sicherheit vorgebenden Tritten auf das ungleichgewichtige Paar zu, den Stab ganz betont bei der Fortbewegung einsetzend.

FH

Gerade öffnet er den Mund, um so behutsam wie möglich zu einer Erklärung anzusetzen, da löst sich ein weiterer Schatten aus der Dunkelheit (ein langer, schmaler diesmal), und gerade noch gelingt es dem Schwarzlockigen, den Mund wieder zuzuklappen, bevor ein saftiger Fuch daraus entwischen kann. Was zum Difar tut der Turbanträger hier? Hat er an der Hausecke gelauert und womöglich ebenfalls Riftars pyrotechnische Künste bewundert, oder treibt ihn einfach ein menschliches Bedürfnis hierher?
Jetzt gilt es rasch zu handeln; und während er im Geiste ein Stoßgebet zu jenem listigen Beschützer der Listigen formuliert, der unter anderem auch dafür bekannt ist, dass er dem Sterblichen, der auf ihn vertraut, gelegentlich außerordentliche Glücksfälle beschert, spricht er laut und deutlich: "Je nun, Euer Gnaden, ich bin zwar weder Medicus noch Tierbändiger, aber wenn Ihr mir schon Euer Vertrauen schenken wollt, so bin ich gerne bereit, mir den Fuß - pardon, Huf - Eures treuen Eselchens noch einmal anzusehen... Hesinde zum Gruße!" fügt er, noch um eine Spur lauter und deutlich an den Ankömmling gerichtet hinzu, während er sich schon in Richtung der Gasthausvorderseite wendet.

GH

Allzu fremd erscheint dem Bruder, was der Hagere gar so unvermittelt von sich gibt - Tierbändiger, Medicus, Vertrauen (warum betont er dies so?) - was ist das für eine Schmierenkomödie, die dieser Beinahebrandstifter und Jahrmarktszauberer hier anzettelt? "Moment, Meister Wortverdreher", kommt es fast heftig von seinen Lippen, "lenkt nicht vom Thema ab...!"
Da erst fällt der Blick des Bruders auf die sich nähernde Silhouette eines langen Stabträgers, die durch die Dunkelheit herankommt. Deswegen dies merkwürdige Getue - daher dies hervorgehobene Wort Vertrauen - offensichtlich will der Almadaner das Geschehene nicht vor unberufenen Ohren erklären! Kurz muss sich der Geweihte zusamenreißen, aber dann ist er doch bereit, dem Weggenossen noch einmal etwas von dem eingeforderten Vertrauen zu schenken.
Nicht ohne tief durchzuatmen - und nicht ohne eine gewisse Gehässigkeit setzt er deswegen den angefangenen Satz fort. "Lenkt nicht vom Thema ab!" wendet er sich scharf an den Scharlatan. "Ihr habt mein Vertrauen missbraucht - und in meiner Abwesenheit die arme Grissella mit Euren pyrotechnischen Experimenten so verschreckt, dass sie durchging und stolperte. Es ist also mehr als recht und billig, dass ich Euch nicht bitten muss, sondern Ihr das Beschädigte wieder in Ordnung bringt - und mir erklärt, was Ihr da heimlich mit dem armen Tier angestellt habt!" Dies alles ist so laut, deutlich und betont gesprochen, dass es der sich nähernde Zuhörer zwangsläufig hören muss. Zugleich macht sich der Priester daran, dem Scharlatan auf dem Fuß zu folgen.

OHH

Hesinde? Ja, wäre wirklich fein, wenn die mal etwas zur Aufklärung dieses Gaukelspieles beitragen könnte!
Pyrotechnische Experimente? Heimlich? Da haben wir die Erklärung! Die beiden versuchen offenkundig, ihn mir ihren lauten Reden und der Benutzung altgüldenländischer Gelehrtenwörter neugierig zu machen. Doch das soll ihnen nicht gelingen!
"Hrm, jaja... Hesinde mit Euch!" erklärt Yashkir mit einem Untertone, als hätten dies die beiden wirklich bitter nötig und setzt seinen Weg mit dem alten Tempo, das ihn eben kurz verlassen hatte, weiter fort.

FH

Dem listigen Phex sei`s gedankt, und der Allweisen dazu: Der Priester scheint seine fünf Sinne wieder beisammen zu haben; und eine gewisse Schlagfertigkeit beweist er außerdem. Immerhin in dieser Hisicht kann Riftar für den Augenblick beruhigt sein.
Beunruhigend hingegen ist das Gehabe des Stabträgers, der so betont desinteressiert seinen Weg fortsetzt, was in Anbetracht der zuvor von ihm an den Tag gelegten Neugier so gar nicht recht zu ihm passen mag. Wieviel hat dieser Mann gesehen und gehört? Immerhin deutet einiges darauf hin, dass auch ihm magische Möglichkeiten der erweiterten Informationsbeschaffung zu Gebote stehen!
In dieser Hinsicht wäre es dem Almadaner nur recht, wenn er den Vermummten noch im Auge behalten könnte - allein, auch Riftar kann sich nicht zerreißen; und nun gilt es vor allem, den Priester hier wegzubringen und zu beruhigen, so weit das möglich sein kann.
So beschleunigt er nach einem weiteren Blick über die Schulter seinen Schritt und biegt, gefolgt von dem Orangeberobten, um die Hausecke, während er schon weiter auf den Priester einredet. "Ja, da habt Ihr vollkommen recht, Euer Gnaden", beginnt er immer noch hörbar und deutlich in zerknirschtem Ton, "ich bin Euch wirklich und wahrhaftig eine Erklärung schuldig. Aber seht, die ganze Angelegenheit ist verzwickter, als Ihr ahnen könntet..."

OHH

Ein kleiner Verschlag schließt sich gleich hinter dem Hauptgebäude an, und selbst dem Vermummten wird trotz aller vielleicht manchmal etwas übertriebenen Unvoreingenommenheit einigermaßen schnell klar, was dies sein muss. Wo er schon einmal hier ist, kann er das Stille Örtchen auch gleich nutzen, bevor er nachher wohlmöglich noch einmal das Gasthaus verlassen muss.
Während er die Türe öffnet, hört er noch immer die hocherhobene Stimme des Hageren mit der Hakennase, obgleich die beiden Herrschaften doch schon um die entfernte Hausecke biegen. Wirklich, er übertreibt! Oder sollte es sich bei alledem um ein experimentelles Improvisationstheater handeln, bei dem es natürlich gälte, sich ein Publikum heranzuziehen? Ein ganzes Gasthaus als Bühne?
Nein, das ist absurd und kann wirklich nur einem maßlos gedankenverirrenden Träumer wie Yashkir einfallen! Bestimmt versuchen die beiden nur, ihn als Informanten gegen den Beamten, seinen Bewacher und den Stapel für einen vernunftbegabten Menschen uninteressanter Akten anzuwerben, weil sie irgendwie mitbekommen haben, dass er morgen mit diesen dreien weiterreist.
"Ph!" Mit hochgezogener Nase zieht Yashkir schwungvoll die Tür wieder hinter sich zu und beginnt, den Rock zu raffen.
Doch so geht es nicht, der Rock muss ein Augenblickchen warten, da der Mantel ständig ins Gehege kommt. Geübt bindet Yashkir ihn seitlich mit den Enden seines langen Seidengürtels zusammen, dass er nicht mehr überall stört, sondern nur noch an jener einen Stelle. Dann entledigt sich Yashkir erst der Fäustlinge, dann der langen Fingerhandschuhe. Letztere sind einfach zu schade und zu empfindlich, um mit ihnen dieses Geschäft zu verrichten. Wohlmöglich würden sie sich Splitter einfangen! Allesamt werden auf das Brett neben der Kerze abgelegt - möglichst weit entfernt vom Loch im Boden.
Dann erst wird neuerlich der Rocksaum emporgehoben und die Lederhose darunter geöffnet. Sorgsam achtet Yashkir darauf, dass die vielen Enden der Seitenschnürung nicht in irgendwelchem Dreck landen. Als nächstes wird die lange, enganliegende Samthose hinuntergestreift und das Lendentuch beiseitegeschoben.
Endlich kann sich der geplagte Südländer auf den Donnerbalken niederlassen. Doch trotz aller Vorsicht zuckt er leicht ob der frostigen und kratzigen Unkuscheligkeit der Berührung. Firun lass nach!
Segensreicherweise wird es ein kurzes Geschäft werden. Dennoch immer wieder überraschend, was einem bei dieser Tätigkeit alles für Gedanken kommen!
Ein Esel? Das wäre ja leicht nachzuprüfen. Irgendwo wird bei dem Rundgang ja auch ein Stall zu finden sein. Dabei zweifelt Yashkir keinen Augenblick, dass `Dick und Dünn' nicht zugegen sein werden.
Das recht ungewöhniche Geräusch, welches aus dem Loch hervordringt, lenkt den untenherum zu seinem eigenen Leidwesen nur noch unzureichend Verhüllten wieder zu einem neuen Problem. Wonach klingt das wohl? Wasser auf halb gefrohrenen Exkrementen hört sich normalerweise doch irgendwie anders an. Stroh vielleicht? Erde? Höchst unglaubwürdige Erklärungsversuche! Wer würde sich solche Arbeit machen, eine Latrine derart zu pflegen? Einen Moha des Hauses gab es bislang jedenfalls nicht zu sehen.
Neinnein, alles Unfug! Es klingt mehr, als träfe der wasserstrahl auf Kleidung. Die Augen werden Größer, Yashkir muss schlucken. Kleidung? Eine Leiche etwa?
Mit einem neuerlichen Kopfschütteln versucht er, diesen Gedanken fortzuscheuchen. Dass auch immer wieder die Phantasie mit ihm durchgehen muss, wie vorhin auf der Straße, wo unter diesen Bedingungen bestimmt niemand stumm umherstand! Vielleicht ein kaputter alter Sack, den jemand fortgeworfen hat. Das wird es sein.
Und darin dann die Leiche.
Ein Schaudern läuft Yashkir den Rücken hinunter und lässt ihn teils erstarren, teils erbeben. Es wird ebenso hervorgerufen durch das makabre Gedankenspiel wie das ungastliche Klima dieses Gasthausabortes. Was musste Yashkir auch den Süden verlassen!
Durch um die Wette eifernde Kälte und Unheimlichkeiten zur Eile getrieben, versetzt er die Kleidung wieder in den Normalzustand - was ob zitteriger Hände doch ein wenig länger dauert als das Entkleiden zuvor. Dann verlässt er dieses Örtchen ungezügelter Untotenirritationen.
Während er sich stumm selbst schimpft, sich immer solch einen Unsinn einzureden, tappst er hastig weiter um das Gasthaus herum - und erschrickt sich fast zu tode, als ein Skelettarm seinen Rock festhält. Natürlich nur ein herumliegender Ast.
Ob der Zitterigkeit benötigt Yashkir unsachgemäß lange, die Falten der ledernen Damenbekleidungunterteiles zu befreien, doch dann stiefelt er stracks weiter, als könne es keine weiteren mehr geben.
Ein neues im Dunkel auftauchendes Gebilde lässt ihn allerdings schon nach wenigen Schritten wieder langsamer werden. Für einen weiteren Verschlag zu niedrig, zudem oben etwas unregelmäßig, stellt es sich aus der Nähe zudem als einigermaßen Kreisrund heraus. Nur ein kunstvoll aufgeschichteter Holzstapel, den der Schwazgewandete lediglich im Vorübergehen mustert.
Weitere Schritt entfernt folgt ein Brunnen. Wie praktisch! Der Eimer steht noch auf dem Rande und enthält ein wenig Wasser, in dem nur einzelne dünne Eisschöllchen schwimmen. Genug, um die Hände zwecks notdürftiger Waschung einmal kurz unterzutunken.
Kerze abgestellt, Stab angelehnt, zwei Paar Handschuhe ausgezogen, dann kann es auch schon losgehen. Vielleicht hätte er lieber darauf verzichten sollen, zumal der gute Stoff der Fingerhandschuhe ohnehin schon etwas verunreinigt sein dürfte. Aber nun ist er so weit gegangen, da sollte er seine Reinigung auch konsequent durchführen.
Zweimal erstarrt Yashkir beim doch so kurzen Handbade beinahe, doch um so ruckartiger wird das jeweilige Körperteil wieder herausgezerrt. Klamm und verkrampft hält er sie vor den Mund, aus dem bemüht langsam und intensiv warmer Atem ausgehaucht wird. Ohje, kein Handtuch, und das Leder trägt er ja gerade aus jenem Grunde, weil es eben nicht Feuchtigkeit saugt. Trotzdem wischt er kurz über Hemd und Rock, dann fällt ihm wieder sein Turbantuch ein, das bei der Trocknung schon viel behilflicher ist.
Jetzt aber schnell wieder in die Handschuhe, so lange sich die Finger überhaupt noch bewegen lassen!
Kurz darauf setzt der geplagte Südländer seinen Weg fort - nun restlos durchgefrohren. Was hat ihn nur zu dieser Wahnsinnstat des Händewaschens geritten!?
Stocksteif erreicht Yashkir den Hof. Durch seine Haltung und die ungelenken kleinen Schritte, die für ihn gar nicht üblich sind, wirkt er um so schlanker, da sein Rock nicht wie sonst weit aufgefächert wird.
Als er bemerkt, dass es zur Linken ebenso wie zur Rechten ein größeres Tor gibt, die beide gleichermaßen auf einen Stall schließen lassen könnten, bleibt er unschlüsig schnatternd stehen. "V-v-verflixt, man will mich in den Irrsinn treiben!"
Hin und her schielen die Augen, dann ist die Entscheidung getroffen: Rechts ist es bestimmt etwas wärmer, weil das dortige Tor noch zum Hauptgebäude gehört.
Ein Ruck durchfährt den stangenförmigen Körper, dann stakst er noch immer steif, doch ob eines konkreten Zieles gewahr voran. Nur einen Spalt öffnet Yashkir das Tor - gerade hinreichend, den Kopf hindurchzustecken und hineinzuspähen. Mit Kerze und Stab ist das ohnehin umständlich genug.
Doch wie kann das sein!? Die beiden verschrobenen Gestalten sind ja wirklich hier drinnen! Kann er sich so geirrt haben, oder spielen sie einfach nur konsequent?

FH

"Aus der Kiste dort am Eingang. Ich dachte, Grissella würde sich freuen... Ach, DAS meint Ihr!" Die Hand mit dem Apfel unverrichteter Dinge sinken lassend, hebt der Almadaner die Linke, so dass die Holzperlenkette vor des Priesters Gesicht baumelt, während der Apfel unverhofft doch noch in Reichweite des Eselchens gerät.
Ein Geistesblitz erhellt des Almadaners Gehirnwindungen: "Das ist Eure, nicht wahr? - Je nun, ich fand sie unter den besagten... hm, dort, wo wir uns begegnet sind. Und da, wie Ihr mir gerade dargelegt habt, Euch Eure liebliche Weggefährtin gelegentlich das Denken abzunehmen pflegt, wenn ich Euch recht verstanden habe, so wollte ich die Dame Grissella gerade bitten, Euch zukünftig auch insoweit behilflich zu sein, dass sie ein Auge auf Eure Sachen hat, damit Ihr Euch fürderhin nicht genötigt seht, solcherlei Kostbarkeiten in Kälte und Dunkelheit an schmutzigen Orten zu suchen." Aus Stimme und Blicken des Schwarzgelockten sprechen Freundlickeit und aufrichtige Besorgnis.
In diesem Moment öffnet sich das Stalltor; und Riftar wendet den Kopf in die Richtung, Apfel und Perlenschnur für den Moment aus den Augen lassend.

GH

Schnell gewinnt der Beleibte seine Ruhe wieder, nachdem sich seine Verwirrung darüber, wie die Schnur um aller Götter Namen willen in die Futterkiste gekommen sein soll, über der fast putzigen Erklärung des Hageren gelegt hat.
"Wenn`s denn ein nächstes Mal geben sollte, lieber Meister", lächelt er verschmitzt, "wäre freilich Grissella mit Suchen dran, denn, wie gesagt, wir leben in Arbeitsteilung, was heißen soll, dass es jetzt wieder an mir ist zu denken. Und ich denke, ich sollte mich zunächst bedanken für Eure liebenswürdige Aufmerksamkeit, was ich hiermit tue!"
Während er noch die Hand des Almadaners ergreifen will, wendet sich dieser unvermittelt in Richtung Stalltür - und der Blick des Bruders folgt dieser Bewegung mechanisch, so dass er nicht mehr achtet, wohin er eigentlich fasst. Er spürt nicht nur eine Hand in der seinen, sondern auch etwas, Rundes, Glattes - ein Apfel, wie er mit einem kurzen erstaunten Hinsehen feststellen kann. Mit fragend verwunderten Augen schaut er erneut den Scharlatan an.

Kaum merklich versucht das Grautier, sich in der Box zu drehen. Recht eng ist es darinnen, dennoch gelingt ihm eine halbe Drehung. Mit wenigen beschleunigten Schritten ist Grissella heran - da hängt der `Strick' unbeobachtet - in unmittelbarer Reichweite. In der Gewißheit, sich die Belohnung zu verdienen, öffnet das Langohr die Kiefer - und schnappt zu.

FH

Sieh da, der Turbanträger hat tatsächlich Verdacht geschöpft und ist gefolgt - Nandus sei Dank für den umsichtigen Einfall, sich tatsächlich wie angekündigt in den Stall zu begeben!
Doch ehe noch Riftar den Eindringling mit munteren Worten begrüßen kann, wird seine Aufmerksamkeit von mehreren Dingen geichzeitig in Anspruch genommen: Ein wohlgezielter Doppelangriff zielt darauf, ihm beide Gegenstände gleichzeitig aus den Händen zu reißen; wobei die beiden Esel - pardon, der Esel und die Dame... ach nein, der Herr und das Eselein - offenbar die jeweilige Bestimmung der Gegenstände gründlich verkannt haben.
Da der Angriff zur Linken nicht nur dem empfindlicheren der beiden Gegenstände gilt, sondern auch mit wesentlich höherer krimineller Energie ausgeführt wird, wendet Riftar sein erschrockenes Augenmerk zunächst der Eselin zu, welche begeistert an der Perlenkette zerrt. "Aber nicht doch, meine Dame!" ruft er aus. "Bedenket, was Ihr tut!" Und als sich das Grautier von solch wohlgesetzten Worten nicht im mindesten beeindruckt zeigt, bleibt dem Scharlatan nichts anderes übrig, als das in seiner Hand verbliebene Ende der Perlenschnur loszulassen, will er nicht Gefahr laufen, demnächst die Perlen einzeln im Stroh zusammenklauben zu müssen.
Mit entsetztem Blick auf der gierigen Bestie verweilend, verlegt er sich auf seine hundertfach erprobten Künste der Überredung: "Schau, meine Schöne", beginnt er in schmeichelndem Ton, "Seine Gnaden hat mir eben dargelegt, dass er dich dieses Mal noch nicht für zuständig erachtet, auf seine Sachen achtzugeben. Willst du nicht lieber die lästigen Pflichten vergessen und stattdessen geruhen, von meiner Hand diese Perainefrucht - Verzeihung, Euer Gnaden, wollt Ihr sie loslassen? - anzunehmen?" Seine Rechte der des Priesters entwindend befördert der Almadaner listig den Apfel ebenfalls in Reichweite der Eselsschnauze, während er mit der Linken vorsichtig, ganz vorsichtig wieder nach dem Ende der Gebetsschnur greift.

OHH

Wie üblich erfasst Yashkir nur ganz am Rande, an welchem Ort er angelangt ist, zumal er ja einen Stall erwartete. Viel rasanter entsteht bei ihm der Eindruck, schon einmal hier gewesen zu sein, wodurch alle Details erst einmal vor dem lärmenden Dreigestirn in ihrer Bedeutung im Nichts verschwinden.
In der Tat, er hatte wohl von Anbeginn recht, schon seit dem nachmittäglichen Stolperauftritt der beiden Herren: Es muss sich um eine Gaukeltruppe handeln, und der hektisch verfressene Esel gehört dazu.
Die Anwesenheitserklärung, zu der Yashkir unbewusst angesetzt hatte, benötigt ob der Selbstbeschäftigung der dreie keine Umsetzung. Schlüssiges Handeln wird genügen, daher schlüpft er durch den kaum größer gewordenen Spalt herein und zieht das Tor sogleich hinter sich zu. Sicher, es riecht hier nicht gerade angenehm, doch Firuns Atem ist im Moment noch das größere Problem.
Dann blickt er sich suchend um, wobei er unbewusst ein wenig aus den Fußgelenken heraus hüpft, um schneller warm zu werden.
Trotz des Laternenlichtes vom anderen Ende des Stalles her und dessen der mitgebrachten Kerze kann Yashkir wenig von dem Gerangel erkennen, das dort zwischen den beiden Possenreißern und ihrem vermutlich grauen Grautier abläuft. Irgend etwas fliegt umher, doch er ist ja an ganz anderem interessiert, um danach zu hechten, oder etwa nicht? Jedenfalls schaut er betont der Reihe nach auf die Tiere in den Stallabteilen.
Irgendwie sehen die Pferde doch alle ziemlich ähnlich aus, zumal wenn man auf so schlechte Lichtverhältnisse angewiesen ist. Da sind Farben schwer zu unterscheiden, und die Größe lässt sich schwerer abschätzen, wenn man nicht direkt daneben steht. Apropos stehen: Es ist doch verwunderlich, dass sie es sich nicht etwas bequemer machen.
Wie auch immer; Yashkir entdeckt sein Zugpferd schließlich nahe der Lampe. Dies scheint ein glücklicher Umstand, da er zwar auf die Entfernung noch weniger von der Dreieinfältigkeit mitbekommen wird, aber dafür doch um so sicherer ist, dass keiner von ihnen versehentlich auf seinen Fuß treten wird - oder Schlimmeres.
Eilig zieht er sich dorthin zurück.

GH

Bei der Holzkette angekommen, bückt sich Rudeblad. In der Bewegung nimmt er jedoch den Turbanträger wahr, der hier schon wieder ganz unvermittelt auftaucht. Der Almadaner hatte also recht! "Travia mit euch!" setzt er deswegen mit möglichst unauffälligem Tonfall zu einer Begrüßung an, während er sich aufrichtet. "Wollt Ihr auch nach Eurem Reittier schauen? Ach nein, Ihr kamt ja per Schiff, sagtet Ihr nicht so etwas?"

OHH

Abrupt bleibt Yashkir schon nach seinem ersten Schritte stehen, da der Gruß des Gaukelpriesters allzu offenkundig ihm gilt. "Was?" Er dreht sich seinem plötzlichen Gesprächspartner zu. "Sagte ich?"
Das fortgesetzte Rumoren im Hintergrunde mehr notgedrungend denn wissentlich ignorierend, überlegt er kurz, was er gesagt haben könnte. Doch in der Hast will es ihm nicht wörtlich genug einfallen, woraufhin er die Nebensächlichkeit dieses seiner zurückliegenden Worte konkreten Inhaltes beschließt, da sie ohnehin aus dem Zusammenhang gerissen scheinen.
Und da es sich hier zweifelsfrei um humorvolle Gestalten handelt, werden sie auch entsprechenden Wortwitz zu schätzen wissen, weswegen der Verschleierte in ironischem Tone erwidert: "Nun, ich reise immer mal wieder mit dem Schiff an, Euer Gnaden, doch reicht das Meer momentan nur bis einige viele Meilen weiter westlich, weswegen ich auf ein pferdgezogenes Räderschiff, vielfach auch Fuhrwerk oder Kastenwagen gerufen, umgestiegen bin. In jener massigen Kreatur dort hinten vermeine ich mein Zugtier zu erkennen." Unbestimmt fuchtelt er rücklings mit der Kerze.

FH

Mit einer ironischen Verbeugung in Richtung der Eselin zieht sich Riftar auf die Stallgasse zurück, wo sich gerade eine launige Unterhaltung zwischen dem Priester und dem Turbanträger entspinnt.

GH

`Jetzt bin ich wieder ganz der Esel gewesen', kann sich der Wohlgenährte bei der Antwort des Brabakers den Anflug eines Schmunzelns nicht verkneifen. `Natürlich hat er recht - hier gibt es nicht einmal einen Hafen. Doch wenn er nicht als Seeoffizier unterwegs ist, werden es ohne Frage Angelegenheiten der Akademie sein, die ihn hierher treiben. Wie praktisch, solch ein Doppelberuf.'
Und so erwidert er mit einem Grinsen: "Dann gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr mehr in Eurer Eigenschaft als Magnibi... denn als Admiralität hier seid. Ich hoffe dennoch, dass Euch das Schaukeln Eures seltsamen Gefährts nicht allzu seekrank hat werden lassen, noch dass die Dunkelheit dieses Ortes eine Sehkrankheit herbeiführen möge.
Ja, ich denke, um solches zu verhindern, wird mein Gefährte hier" - er weist mit der Hand auf den hinzutretenden Almadaner - "sicher gern bereit sein, Eurem Pferd noch einmal Hafer nachzuschütten, so dass Ihr ganz beruhigt wieder hinein ins Warme könnt! Nicht wahr, Meister Shúyjakin?"
Bei diesen Worten rollt ihm etwas aus der Richtung Grissellas direkt vor die Füße. "Nanu, lieber Meister, mir scheint Euer Betörungsversuch ist fehlgeschlagen", erkennt er den Apfel und bückt sich erneut, um selbigen und die Gebetsschnur an sich zu nehmen.

Kläglich schallt es durch den Stall, als habe sich alle Welt von dem geplagten Eselchen abgewandt: "Hhiiah! Hhhiaah! Hhuuuaah!"

OHH

Offenkundig will ihn der dicke Gaukler verwirren, und das gelingt ihm mit seinen vielen Worten auch recht gut. Muss man Admiral sein, bloß weil man Erfahrung zur See hat? So ein alberner Schmeichler! Doch Yashkir kann darauf selbst wenn er wollte nicht eingehen, ebensowenig auf das Wortspiel um Krankheiten, da Seine Priesterlichkeit muter weiterplappert.
"Hat es hier keinen Stallknecht?" fragt er halblaut und bekommt den Eindruck, mal wieder der einzige zu sein, der ihm zuhört, da sich die Aufmerksamkeit urplötzlich auf einen angebissenen Apfel am Boden konzentriert. Anscheinend ist er dem Esel heruntergefallen. Aber dass dieses Mistvieh deswegen so herumkreischen muss, strapaziert Yashkirs Ausgeglichenheit, die ihm seine eigene geistreiche Rede bescherte, doch über alle Gebühr! Unter solchen Bedingungen erscheint ein Gespräch unfortsetzbar - nicht nur aus akustischen Gründen. Die grausamen Geräusche blockieren Yashkirs Gedankengänge. Die Lider schließend, zieht er ein wenig den Kopf ein, als wolle er einen geistigen Schutzschild errichten.

FH

Die Lage verschärft sich zusehends. Unbedingte Eile ist jetzt geboten, um den Stall zu verlassen, denn erstens besteht die Gefahr, in ein weiteres Nonsens-Gespräch hineingezogen zu werden und zweitens entblödet sich Seine Gnaden nicht, nachdem er schon Riftars Dienste als Gepäckträger und Stallknecht höchst selbstverständlich in Anspruch zu nehmen beliebte, nunmehr diese Dienste auch Dritten anzubieten. Nun ist es für einen götterfürchtigen Menschen selbsverständlich eine Selbstverständlichkeit, einem Diener der Gütigen hilfreich die Hand zu reichen, wenn er ihrer bedarf - jenen skurrilen Herrn dort zu bedienen, dazu sieht der Almadaner hingegen beim besten Willen keinen Anlass.
Als zu allem Überfluss auch noch der blöde Esel lauthals losbrüllt (`Sie will mich wirklich veralbern!'), nutzt Riftar die Gelegenheit. Mit einem entschuldigenden Achselzucken und schmerzverzerrtem Gesicht deutet er auf seine Ohren und dann auf die Stalltür, auf welche er sich dann zielstrebig zubewegt.
Hier drin kann man ja sein eigenes Wort nicht verstehen! Und die letzten Worte Seiner Gnaden sind leider, leider auch im Lärm völlig untergegangen...

GH

Natürlich bleibt auch dem Priester der plötzliche Lärm nicht verborgen, der Travias Frieden und Borons Ruhe empfindlich stört - zumal er von einer bekannten, allzu bekannten Stimme herrührt, der seiner vierbeinigen Gefährtin nämlich.
Auch der Bruder zuckt kurz zusammen, fasst sich aber einen Augenblick darauf wieder. Eine eigentümliche Wischung aus Wut und Humor steigt in ihm hoch. Zum einen ist diese Störung höchst ärgerlich, zum anderen aber auch wieder typisch für die Eselin, die sehr gut für ihre Bedürfnisse zu sorgen versteht. Irgendwie macht es ja auch fast ein wenig stolz, solch eine intelligente Begleitung zu haben.
So erhebt er die Simme zu kräftiger Lautstärke, vor allem da er bemerkt, dass die beiden Menschen in seiner Nähe sich unter dem tierischen Gebrüll abzuwenden beginnen.
"So sei doch ruhig, Grissella! Ich komm' ja gleich!" ruft er in Richtung des Eselsverschalages und wendet sich dann an den Schwindenden und den Beturbanten: "Entschuldigt mich, ich werde das gleich unterbinden! Irgend etwas stimmt mit diesem Apfel nicht. Wahrscheinlich hat der Meister vergessen, mit Grissella vor dem Essen zu beten. Sie ist nämlich ein frommer Esel, müsst Ihr wissen."
Mit diesen Worten entschwindet er die Stallgasse hinauf bis zu Grissellas Box, wo er dem weiter schreienden Grautier den Apfel vor die Nüstern hält. "So, meine Dame, willst du das jetzt, oder nicht, hm?" redet er dem Langohr mit ruhiger und vertraulicher Stimme zu.

OHH

Die Qual ebbt ab, vorischtig wird ein Auge geöffnet. Der Almadaner tut gerade, was eigentlich das Naheliegendste wäre, nämlich dem Lärmen entfliehen. Doch war das Geräusch bislang allzu paralysierend für Yashkir - schlimmer noch als die Kälte, die ihren eisigen Griff noch nicht vollends gelockert hat.
Als die Ruhe hereinbricht wie ein neuer windstiller Tag nach dem nächtlichen Orkan zur hohen See, entspannen sich Yashkirs Körper und Geist gleichermaßen. Ja, er ist sogar in der Lage ein paar der eben noch im tosenden Sturmtief Grusela (oder so ähnlich) untergegangenen Wörter rückwirkend herauszufiltern und einer kritischen Analyse zu unterziehen.
Ein frommer Esel? Das ist so idiotisch wie... Leider fällt Yashkir auf Anhieb nichts ein, welcher Gedanke so idiotisch wie dieser sein könnte.
Während die Rechte sich nicht mehr so verkrampft an dem Stabe festklammert, sinkt die Linke ermattet abwärts. Wachs tropft hinab auf den Boden.

FH

Seine Gnaden hingegen lassen sich durch den Radau nicht im Mindesten beeinträchtigen; nein, der Priester ist sogar in der Lage, seinen eigenen Tonfall an diesen unheiligen Lärm anzupassen. Kein Wunder eigentlich, wenn man bedenkt, dass es meistenteils die Diener der Travia sind, die die Praiostagsschulen auf dem Lande abhalten. Wahrscheinlich ist eine durchsetzungsfähige Stimme für einen Priester eh eine Berufsnotwendigkeit, abgesehen von den Dienern des Herrn Boron natürlich.
Ah ja, das ist natürlich die Erklärung: Riftar hat vergessen, mit dem Esel vor dem Essen zu beten. Selbstverständlich! Wie konnte das nur passieren!? Riftar verzichtet auf die Erwähnung der Tatsache, dass vorhin, als er mit Grissella allein war, dieses scheinheilige Vieh überhaupt nicht daran dachte, vor dem Hafer zu beten.
Ergeben nickend nutzt er den letzten Moment, ehe der Lärm erstirbt und ihm damit des nachvollziehbaren Grundes für seine Flucht beraubt, rasch durch das Stalltor zu schlüpfen. Ehe er die Tür hinter sich wieder schließt, wendet er sich noch einmal kurz um. "Bis gleich, Euer Gnaden!" brüllt er so freundlich wie möglich ins Haldunkel zurück.

OHH

Ein Flackern, zudem ein leises, doch irgendwie nicht hierhin gehörendes Geräusch von der Seite...
Erschrocken reißt Yashkir die Kerze wieder empor, was deren Flamme gerade noch so überlebt. Wie unachtsam, mit offenem Feuer in einem Stall herumzutapsen, mag es auch feuchtkalter Winter sein! Gerade will er sie ausblasen, da wird ihm bewusst, dass er hier eigentlich selbst auch nichts weiter verloren hat.
Der eine Gaukler ist entflohen, der andere mit seinem Tier beschäftigt. Im Grunde könnte sich Yashkir den Blick nach seinem Zugpferd schenken, aber andererseits hat er als Herr ja eine gewisse Verantwortung, sich zu vergewissern, dass es seinem Eigen hinreichend gut geht. Dies betrifft nicht allein die Verpflegung, die anscheinend gewissenhaft vollzogen wurde. Während er den Stellplatz mustert, streichelt Yashkir sanft die Seite des Vierbeiners. Alles wirkt so, wie es sein sollte. Man braucht sich nicht zu sorgen.

GH

Der Priester schreitet die Stallgasse entlang. "Travia befohlen!" nickt er noch dem Südländer zu und ist damit fast schon an der Tür.

OHH

Schon seltsam, warum manche Tiere lieber stehen, statt sich gemütlich hinzulegen, aber soll doch jeder auf seine Art glücklich werden!
Sich abwendend, nimmt Yashkir den angelehnten Stab wieder an sich und bewegt sich zum Stalltore, wo er ob seiner Geistesabwesenheit den Organgeberobten erst recht bemerkt, als jener ihn anspricht. "Hmwas? Achso! Ähm, ich bin auch fertig..." Damit wartet er ab, dass ihm geöffnet werde.

GH

"Ah ja?" erwidert der Bruder, indem er mechanisch nach seinem Gürtel tastet, um den Verbleib der Gebetsschnur am ihr gebührenden Ort sicherzustellen. Irgendwie muss er sie gleich nach ihrer Aufnahme unbewusst dorthin befördert haben - jedenfalls baumelt sie dort und bleibt dort hoffentlich bis zum nächsten Gebrauch auch hängen!
Etwas irritiert es den Geweihten allerdings schon, dass der Turbanträger kaum flüchtig nach seinem Zugtier geblickt hat und sich sogleich zum Gehen anschickt - lohnte sich dafür der Weg in die Kälte? Oder sollte der Südländer doch nur aus Neugier hierher gefolgt sein? Was für ein Interesse verfolgt er dann an der Hinterlassenschaft des Sittenstrolches, an dem Almadaner oder an ihm selbst? Überall Verworrenes und Geheimnisse!
Besser scheint es da, selbst ganz unauffällig zu tun, bevor man wiederum in merkwürdige Geschichten hineingerät. Und so öffnet der Geweihte das Stalltor und bemerkt dabei beiläufig: "Schön! Dann können wir ja auch zusammen gehen. Ihr wolltet mir sowieso noch etwas von Euch erzählen..." Mit diesen Worten tritt der Dicke in die kalte Nachtluft und hält dem Anderen die Tür auf, so dass dieser hindurchtreten kann.

OHH

"Wollte ich?" Irritiert folgt Yashkir hinaus. Sicher, er selbst ist eines seiner Lieblingsthemen - eine Tatsache, die ihm immer wieder ein schlechtes Gewissen bereitet, obgleich das bei anderen Leuten ja meist gar nicht anders ist. Man wird ja sehen, wie sich das Gespräch entwickelt. Soll jener doch `Halt!' schreien, wenn es ihm zu viel wird! "Nun, warum nicht. Was interessiert Euch denn besonders?"
Etwas unschlüssig schlenkert er dem Geweihten nach. Soll er nun lieber den Stab oder die Kerze zwischen sie halten? Letztere mag höflicher erscheinen, auch um dem Manne heim zu leuchten, wenn Yashkir ihn dann auch schlechter erkennen mag. Überhaupt ist seine rechte Hälfte aufgrund kleiner Schwächen der linken die kommunikativere.

GH

Als Seine Magnibilität so freundlich das Licht neben ihm aufscheinen lässt, fällt dem Bruder ein Umstand auf, der ihm bisher gar nicht recht ins Bewusstsein gerückt ist. Hat sich doch der Scharlatan ohne Mühe einer magischen Lichtquelle bedient und dieser - Leiter einer Akademie - nimmt mit einer einfachen Kerze vorlieb! Warum? Will er unauffällig bleiben? Sind seine astralen Kräfte durch Zaubertaten fast verbraucht, so dass er sie sparen muss?
So oder so, sicher ist so ein bedeutender Mann nur so weit von der Heimat unterwegs, wenn es höchst wichtige, wenn nicht gar geheime Belange seines Berufs und Standes verlangen. Und spielt dabei dies Gasthaus - oder gar der geflohene Magier - eine Rolle, dass die Aufmerksamkeit des Brabakers auf den Almadaner und den Priester selbst gelenkt wurde? Das könnte unauffällig zu erkunden sein!
Und so entgegnet er nach kurzer Pause dem Südländer: "Nun, Ihr sagtet vorhin, Ihr wäret in Sachen Künste und Bildung unterwegs. Was darf man darunter verstehen? Ist es eine einfache Bildungsreise, die Ihr unternommen habt?"

OHH

"Nun", beginnt Yashkir, während er sich dann doch entscheidet, rechts vom Dicken zu gehen, wo er auch von beiden Seiten durch jenen und die Hauswand geschützt ist. Allerdings dauert es ein Momentchen mit der Fortsetzung, da er sich fragt, in welchem Zusammenhang er das gesagt haben mag. Andererseits ist dies wohl auch nicht mehr so wichtig.
"Hmja, sicher, man lernt ja nie aus. Sind wir nicht alle ein wenig auf der Suche nach mehr Weisheit?" `Und nach anderen Dingen?' Langsam schlendert er um die Hausecke. "Ja, ich war in Punin unter anderem..."

GH

Die Beiläufigkeit mit der der Rockträger seine Frage beantwortet, bestätigt nur mehr den inneren Verdacht des Bruders: `Schon wieder einer, der ausweicht!' Seine Gedanken gehen zurück an den Wohltäter und besonders den ihn aufopferungsvoll begleitenden Armen. Reisen denn hier alle inkognito?
`Punin - natürlich ! Die Capitale arkaner Gelehrsamkeit', folgert der Dicke messerscharf, während er gemessenen Schrittes den Anderen durchs Dunkel begleitet. `Große Dinge müssen im Schwange sein, wenn sich Leiter anderer Institute von so weit dorthin begeben... ein geheimer Convent? Das würde auch die Anwesenheit sovieler anderer Magi und Magae plausibel machen. Und diese hier an allen Orten wahrzunehmenden schwarzkünstlerischen Umtriebe - wer weiß, was sich da zusammenbraut...' Aber besser ist es, den Brabaker nicht direkt darauf anzusprechen. Manches scheint ihm auch so herauszurutschen.
Und so fragt der Geweihte ganz harmlos weiter: "Aber sicher waren es auch höchstwichtige Gründe Eurer Profession, die Euch von Brabak so weit nördlich trieben, nicht wahr? Ich denke mir, ein Mann Eures Standes wird nicht bloß aus Lust und Laune durch halb Dere reisen."
Mittlerweile ist die Haustüre des Ebers in Sichtweite gekommen.

OHH

Ein neuerliches Frösteln lässt Yashkir erschaudern. Die Formulierungen des anderen verwundern ihn nicht lange, glaubt er doch einen Gaukler, einen unmagischen Schelm vor sich. Leicht zitterig öffnet er die Zahnreihen für die Antwort: "Ja, nein! Natürlich nicht! Das Reisen ist mir im Grunde eher zuwider, zumal in diese ungemütlichen Nordlande. Auf einem Schiff merkt man das ja nicht so sehr, weil man im Grunde ständig zuhause ist. So lange das Wetter gut ist."
Kurz schaut er stutzend den Priester an. "Wie war die Frage? Achja. Ja, ich habe in Punin ein paar Dokumente eingesehen."
Ein Glück, die Türe ist fast erreicht. Schon verlangsamt Yashkir, um sich wieder öffnen zu lassen.

GH

Natürlich - er ist auf einem Schiff zu Hause. Wie naheliegend für Seine Admiralität! Mit einem beiläufigen Nicken registriert der Dicke, dass er vorhin offensichtlich keinem Hörfehler unterlegen ist. Und auch die zweite Vermutung bestätigt sich. Was sollte ein gelehrter Magier auch anderes in Punin zu tun haben, als Dokumente einzusehen, unterwegs in Sachen Forschung.
Während er auf die Tür zusteuert und sie dem Würdenträger mit einer angedeuteten Verbeugung öffnet, fragt er in dem gleichen beiläufigen Plauderton weiter: "Natürlich, ich habe es mir schon fast gedacht, dass das Reisen für Euch eine nicht unerhebliche Belastung darstellt. Bestimmt warten auf Euch zu Hause genug wichtige Aufgaben mit hoher Verantwortung. Ich nehme also an, dass der Austausch mit Collegae Eurer Profession sicher auch ein wichtiger Grund ist, der Euch die Strapazen dieser Fahrt auf sich nehmen ließ. Sicher geht es dabei auch um Dinge von höchster Wichtigkeit für die Menschen in Eurem Verantwortungsbereich, nicht wahr?"

OHH

Wiederum muss Yashkir innehalten und das Antlitz des wunderlichen Kerls mustern. Wovon redet dieser Mensch nur!? "Äh, wie?" Für ein Dankeschön ist er jedenfalls zu verwirrt.
Dann besinnt er sich immerhin, doch erst einmal einzutreten, was er auch sogleich eilig vollzieht. Zurückgewandt versucht er eine Antwort auf die von versteckten Fragen und offenen, doch fehlgehenden Schmeicheleien: "Ja, sicherlich waren die Dinge wichtig! Aber worauf wollt Ihr hinaus? Ihr hofft doch wohl nicht ernsthaft, dass ich auf allgemeine Fragen konkrete Erwiderungen erstatte!"
Es passt ihm gar nicht so recht, wie zielsicher dieser Mann auf ein Themengebiet zusteuert, von dem schon viel zu viele Leute wissen. Er wird doch nicht auch auf die Kartenstücke von Koloman und seinen Leuten aus sein?

GH

Die fast ein wenig gereizte Antwort, die der Südländer ihm zurückgibt, dieses gespielte Unverständnis, lassen es dem Bruder nur immer sicherer werden, dass der andere etwas geheimzuhalten sucht, es aber in dem für Angehörige der magischen Zunft wohl typischen Mitteilungsdrang beinahe unfreiwillig immer weiter eröffnet.
Es gilt also, dranzubleiben und weiterzufragen. Und nachdem der Geweihte selbst eingetreten und die Tür hinter sich geschlossen hat, wendet er sich erneut an den schlaksigen Gesellen: "Nun, um meine Frage konkreter zu gestalten: Es ist bestimmt kein Zufall, wenn sich ein hochgelahrter Herr aus Brabak nach Punin begibt, um Dokumente einzusehen. Ohne Frage werden diese Dokumente eine brisante Bedeutung haben. Ohne Frage werden sich viele für sie interessieren, Berufene und Unberufene. Und bestimmt werdet Ihr mit Euren Collegae alles zu ihrem Schutz unternommen haben. Meine Frage ist jetzt nur: Werden sie großen Schaden anrichten, wenn sie in die falschen Hände geraten?"

OHH

`Richtig, falsch, eingeschränkt richtig, von den sogenannten Collegae abhängig richtig', folgt Yashkir den spekulativen Gedankengängen dessen, den er in mancher Hinsicht irrtümlich als einen Kollegen betrachtet. Doch so langsam kommt ihm der Verdacht, dass sich jener auf irgendeinem höchst bizarren Holzweg ergeht. Die abschließende Frage weist um so deutlicher auf diesen Umstand. Aber um so besser!
"Oh, da kann ich Euch wirklich beruhigen, Euer Gnaden! In einem solchen Falle besteht für niemanden die Gefahr von Leben. Es wäre lediglich schade für mich persönlich."
Hups! Schon wieder zu viel angedeutet! Eines Tages mag Yashkirs Ehrlichkeit ihn mehr kosten, als sie einbringt. Oder ist das ohnehin immer schon so, und sie wird ihm eines Tages reichen Lohn einfahren? Als habe er eine ferne Vision, blickt der Südländer irgendwo an Kopf und Schulter des Dicken vorbei ins halbdunkle Nichts des Deckengebälks.

GH

`Oh, da kann ich Euch wirklich beruhigen, Euer Gnaden!' lässt sich der Beleibte die Worte des Rockträgers auf der Zunge zergehen. `In einem solchen Falle besteht für niemanden die Gefahr von Leben.' So ist das also? Und im anderen Falle, dass der Akademieleiter selber dieser Schriften habhaft würde? Wären dann etwa andere gefährdet? `Es wäre lediglich schade für mich persönlich' - das sagt sich so leicht dahin, aber wer weiß, was dieser lange Kerl wirklich vorhat? Mindestens zwei dunkelsinnige Magier haben sich in den letzten beiden Tagen in diesem Gasthaus herumgetrieben, und wo zwei sind...
`Schluss jetzt, Rudeblad!' unterbricht der Priester seine eigenen Gedankengänge. `Hör endlich auf, deinen Kopf in Dinge hineinzustecken, von denen du nichts verstehst! Dies ewige Misstrauen und Hinterherfragen beschämt deine Herrin. Die Inquisition hat an diesem ehrbaren Herrn nichts gefunden - und da solltest du nicht... Hüte dich, dass ich nichts Übles von dir denke! Die Dokumente sind harmlos, das ist ausgesprochen - und dabei bleibts - und das Zusammentreffen im Stall war nur ein Zufall. Doch jetzt führ endlich aus, was du vor dir herschiebst!'
Nach dieser inneren Gardinenpredigt weniger Sekunden Länge, während der der andere freundlicherweise leer in den Raum starrt, kann der Bruder ein zufriedenes Lächeln aufsetzen. Wieder einmal ist es ihm gelungen, sich selbst niederzuringen.
Und so kann er in friedlichem Tonfall erwidern: "Dann ist es ja gut - und ich bin beruhigt. Aber ich bitte Euch, mich vorerst zu entschuldigen, da ich noch ein wichtiges Gespräch zu dieser Stunde vor mir hertrage, das geführt werden will. Nach dessen Ende will es mir ein Vergnügen sein, weiter mit Euch Konversation zu pflegen - vielleicht gemeinsam mit diesem jungen Herrn" - er sucht den Avesjünger im Raum, findet ihn auch an einem Tisch nahe der Wand und deutet sogleich auf ihn - "der auch manche Geschichte aus fernen Landen weiß, wie er sagt.
Erlaubt Ihr mir nun, mich zu entfernen?" Das Haupt andeutungsweise kurz senkend wartet er auf die Antwort des Brabakers.

OHH

Wieder einmal recht verwundert, blickt Yashkir den für seinen Leibesumfang unsachgemäß zappeligen jungen Kerl an. Zu so später Stunde kann er kaum mit dessen davoneilenden Sinneswechseln mithalten. Sein Kopf insgesamt als solcher hingegen folgt der Weisung zwecks eines Blickes auf den zweifelsfrei voll besetzten Ecktisch. Dort will der arangenfarbene Wandelberg später noch hinzustoßen!?
Und überhaupt! Mitten in der Nacht noch irgendwelche Geschichten hören müssen! Selbst erzählen könnte er sicher noch, wenn man ihn nur lieb dazu nötigt. Das kann er fast immer.
Entfernen? "Äh, ja, sicher! Wer bin ich, dass ich das nicht erlauben dürfte!"

GH

Während der Brabaker antwortet, wird es zunehmend unruhiger in dem Bruder. Das Gespräch mit der Dame seines Herzens - wie konnte er es nur so lange verschieben? Ganz unbewusst hat er die die zweifelsohne schmerzhafte Aussprache verdrängt. Am Tempel mag so etwas helfen. Da ist es gut, wenn ein Manuskript des Abschreibens harrt, noch eine Praiostagsandacht vorzubereiten ist, oder noch besser ein meditativer Spaziergang gemacht werden muss, wenn eigentlich die Garten- oder Küchenarbeit ruft. Aber jetzt ist es anders. Um bestimmte Dinge kommt man der Aufrichtigkeit halber nicht herum.
`Ach, mir täte Sammlung not!' zieht es sich in dem Dicken zusammen - `Nur noch ein paar Augenblicke, in denen ich mich auf das Unvermeidliche einstellen kann.'
Unruhig geht sein Blick durch den Raum und bleibt neben der Tür hängen. Da lagern immer noch sein Gepäck und die Regenkleidung. Bei dem Auftrieb zu so später Stunde wäre es eigentlich angebracht, es noch zu versorgen, damit niemand darüber stolpert oder zu wenig Platz hat.
Weiter schaut er, die Treppe hinauf: Da oben scheinen die Schlafräume zu sein.
Also gut! Das Nötigste wird er nach oben bringen und sich noch einmal genau überlegen, wie er Sarina gegenübertreten will. Und wenn es dann zu spät ist, wird die ganze Sache eben morgen früh ausgesprochen. Für manche Dinge ist es sowieso besser, frisch und ausgeruht zu sein. Also, der Entschluss ist getroffen!
Über solchem Nachdenken sind allerdings die Worte des Südländers fast an ihm vorbeigegangen. Etwas aufgeschreckt blickt er hoch und dem anderen in die Augen: "Äh... wer Ihr seid? Ein hochrangiger Gelehrter, ein tapferer Seefahrer - das allein ist schon Grund, Euch respektvoll zu fragen. Und außerdem will es die Gütige, dass wir jedem, gleich Bettler oder Edelmann, mit der gebührenden Achtung begegnen, die Ihrer Barmherzigkeit über uns entspricht! Aber ich danke Euch einstweilen für Eure freundliche Entlassung!" Damit verbeugt er sich und steuert dann zielgerichtet auf sein Gepäck neben der Tür zu.

OHH

Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie wirkungsvoll dieser Phantasietitel bei den Laien eintrifft! Aber wenn er bedenkt, wie zweifellos hilfreich, ja geradezu lebensrettend Yashkir schon ganzen Rudeln von Magistern geworden ist, erscheint diese Würdigung nur angemessen - selbst wenn sie von jemandem kommt, der offenkundig nicht recht weiß, wovon er spricht.
Und das mit dem tapferen Seefahrer stimmt fraglos ebenso, da er - wenn auch mehr oder weniger erzwungenermaßen - schon viel Zeit auf dem Südmeer verbracht hat und dies wohl wieder wird tun müssen. Und in seiner unendlichen Tapferkeit wird er sich auch nur jeden zweiten Tag darüber beschweren.
Dem Verweihten nickt er bloß höflich zu, bevor auch er sich abwendet und umherschaut. Wo also soll er sich nun plazieren?
Der voll besetzte Ecktisch scheidet nun wirklich aus! Ganz bestimmt mag er sich nicht dazuquetschen, noch dazu mit der Berufung auf den Priester! Wohlmöglich ist das ganze nur ein Scherz, bei dem sich Yashkir lächerlich machen soll.
Andererseits sitzt dort doch tatsächlich noch eine Moha, was in Yashkir schon wieder etwas Heimweh wachruft. Vermutlich eine Freigelassene oder Entlaufene.
Wehmütig reißt der Verschleierte den Blick fort zum Nachbartisch, wo sich die drei Kollegen des dicken Komödianten schon wieder versammelt haben. Hier wäre ein Platz frei. Aber was an einer Akte so erfrischend lustig sein soll, will Yashkir noch immer nicht recht einleuchten.

Weiter...


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Redaktion und Lektorat: OHH