Auf und Ab II

Autor: Oliver H. Herde
Etwas verwundert nimmt Yashkir zur Kenntnis, dass gerade jemand am Tresen seine beiden Gesprächspartnerinnen mit seinem Getränk vollgeprustet hat. Gerade bei dem jungen Mädel, das so einen schüchternen Gesamteindruck macht, tut ihm das sehr leid. Bei der anderen Frau natürlich prinzipiell auch, doch geht Yashkir nun endlich auf, was ihn vorhin unterschwellig so unruhig machte. Möglicherweise hat der Mann dieser Quasselstrippe einfach nur auf eine höchst unkonventionelle und zugegebenermaßen übertrieben unfreundliche Weise zum Ausdruck gebracht, was er von ihrem unendlichen und zermürbenden Redeschwall hält.
Unschlüssig, ob er schmunzeln oder weiter bedauern soll, rafft Yashkir ein wenig seinen weiten, langen Lederrock und erklimmt die Stiegen hinauf zum Obergeschoss.
Halthalt! Ohne Licht könnte das schwierig werden. Mittlerweile dürfte es draußen längst dunkel sein, und so gut kennt sich Yashkir in diesem Hause ja noch nicht aus.
So macht er auf halber Höhe kehrt, um sich eine der Kerzen zu holen, die überall verteilt stehen. Dem menschenförmigen Wildschwein am kleinen Tisch möchte er allerdings lieber keine entwenden. Doch auf der Theke gibt es sie ja in genügender Zahl, von denen er sich eine nach kurzem, stummen Wechselblickgespräch mit der Köchin eine entleiht, mit der er nun wiederum nach oben zu entschwinden trachtet.
Oben angekommen, schreitet er vorsichtig den Gang entlang, damit die Kerzenflamme nicht verlöschen möge. Nachdem er den Vorhang passiert hat, schaut er kurz noch einmal auf sein Bett, als müsse er sich dessen Zustandes vergewissern, dann macht er sich über die zugehörige Truhe her.
Zuerst wird das Halstuch wieder umgebunden und der Turbanschleier sorgsam darübergedeckt. Dann wird das Paar seidig feiner Fingerhandschuhe übergestreift, welches jedoch sogleich seinerseits unter den großen Fäustlingen verschwindet. Zuletzt der weite Mantel, und Yashkir ist wieder so vollends verhüllt, wie er des nachmittags dies Gasthaus erreichte.
Nachdem er sich davon vergewissert hat, dass alles sitzt und nichts vergessen wurde, nimmt er wieder Stab und Kerze und begibt sich auf den Rückweg nach unten.
Etwas verwundert nimmt Yashkir beim Weg nach unten zur Kenntnis, wie der behende der doppellinksfüßig geglaubte Sprachmörder an ihm vorbeisaust und seinerseits im Schlafsaal entschwindet, ohne ihn recht zur Kenntnis zu nehmen.
Doch einerlei! Der Spaziergang ruft herzzerreißend, und Yashkir möchte ihn nicht noch länger allein in der Kälte warten lassen.
Ein Seitenblick trifft das junge bierbespuckte Mädel, welches mitleiderregender Weise noch dazu nun gänzlich in die Fänge der Quasselfurie geraten scheint. Dann schlendert er zur Türe.

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Redaktion und Lektorat: OHH