Neuer Tisch, neues Glück

Verfasser: Günter Hölscher, Oliver H. Herde, Oliver Hohlstein, Volker Weinzheimer und andere

GH

Die Alte streckt ihre Glieder, dann richtet sie sich auf, faltet die Hände auf dem Tisch, fast als wolle sie die böse Stimmung fortbeten, und spricht für sich hin:
"Etwas, das alles und jeden verschlingt;
Baum, der rauscht, Vogel, der singt,
frisst Eisen, zermalmt den härtesten Stein,
zerbeißt jedes Schwert, zerbricht jeden Schrein,
schlägt Könige nieder, schleift ihren Palast,
trägt mächtigen Fels fort als leichte Last."
Sie nickt, wissend geworden. "Ja, so soll es sein".

OHH

Wie das alte Weiblein so sein Rätselgedicht aufsagt, scheint sich Widumir ein erster Zielpunkt für neue Abenteuer zu bieten. Irinio wurde geholfen, was Irinio zu helfen war, also tritt Widumir ein paar Schritte näher an den großen Tisch und die Guttli heran. Diesen Text kennt er doch woher! Hat er den nicht schon in Pertakis auf der Straße aufgeschnappt? Oder von dem Schuster seinerzeit in Kuslik? Oder dem ollen Käptn Hullheimer in der Hafenkneipe?
Vermutlich hat Widumir das Rätsel sogar schon mehmals gehört, jedenfalls kennt er die Lösung. Aber statt sie laut hervorzuplärren, schaut er lieber auf die Gesichter der anderen am Tisch, ob die sie wohl auch wissen oder gar selbst drauf kommen.

GH

"Ihr habt viel Musik in Euch", nickt sie dem Spielmann bewundernd zu, sobald dieser sich gesetzt hat. "Kennt Ihr das alte Rätselwort womöglich?"

OHH

Fast scheint es, als hätten die beiden Barden das Rätsel gar nicht mitbekommen, aber dann hakt das Muttchen dankenswerterweise noch einmal nach. Widumirs Neugier ist zwar etwas durch die vermeintliche Nichtreaktion etwas verkümmert, dennoch setzt er sich einfach mal ungefragt ans Kopfende zwischen die Alte und die Junge, wodurch er den Schankraum und insbesondere Familie Müller im Rücken hat, wofür er allerdings keinen gedanken verschwendet.
Statt dessen übt er sich auf seine Weise höflich mit einem beiläufig-fröhlichen "Hallo", wobei er sein Kinn auf die Handteller stützt und unschuldig vor sich hin schmunzelt.

RB

An der Tür angekommen, blickt Jana noch einmal kurz über die Schulter, um zu sehen, was sie angerichtet hat. Sie ist sehr enttäuscht, dass Irinio sich offenbar unbeeindruckt von ihrem Kuss zu seinem Vater gesetzt hat. Widumir und Posh, die eben noch mit nach draußen kommen wollten, haben sie auch im Stich gelassen. Lieber sitzen sie bei Schnaps und Kerzenschein, statt die Nacht zum Klingen zu bringen. 'Männer!'
Wutentbrannt dreht die Schauspielerin sich mit wehendem Haar wieder zur Tür. Sie setzt die Flöte an die Lippen und beginnt, ungeachtet der im Hintergrund zu hörenden Melodie, das Lied zu spielen, das sie vorhin gesungen hat. Entschlossen auf dem Instrument zum Valet blasend, geht die Frau Musikantin zur Tür hinaus.

VW

Posh grinst über das ganze Gesicht, während er zu der Alten hinsieht: "Gebt mir ein wenig Zeit für die Antwort."

OHH

Etwas entferntere Flötenmusik lässt Widumir zur Türe sehen. Wird jetzt doch noch draußen aufgespielt? Ohne Irinio? Man kann nicht behaupten, dass Jana ein immer verständliches Wesen sei, aber sie ist ja auch eine Frau. Das muss wohl der Grund sein, wie man hört.

OHo

"Ah, da ist er ja", ruft Twina erfreut aus, als der Schnaps vor sie hingestellt wird. Doch als sie dran riecht, verzieht sich ihr Gesicht. "Das ist ja gar nicht..." Hatte sie nicht ausdrücklich Premer Feuer bestellt? Oder wurde das mittlerweile von der Karte gestrichen?

RB

Jana tritt zur Tür hinaus, hinein in Dunkelheit und Regen. Abrupt bleibt sie stehen, und auch das Flötenspiel bricht ab. Sie dreht sich um und blickt zurück in die helle, trockene Gaststube. Doch nach kurzem Zögern siegen Stolz und Wut über Geborgenheit und Gemütlichkeit. Lautstark zieht sie die Tür zu.

GH

"Das ist einmal eine gute Antwort", nickt die Alte dem Spielmann mit einem Augenzwinkern zu.
Eigentlich will sie gleich fortfahren, aber just in diesem Augenblick bemerkt sie Gesellschaft zu ihrer Seite. Wie der Herr Wimudir hier hingeschneit kommt, entzieht sich ihrer Kenntnis. Aber begrüßt muss solch ein Gast doch werden. "Willkommen!" sagt sie kurz und herzlich zu dem bunten Vogel, dann widmet sie sich wieder dem Rätsellöser.
"Wenn Ihr das Erste wisst, so wisst Ihr sicher auch, was dem Wassermüller das Herz verhärtet, und woraus die Ketten sind, die seinen Sohn an die Mühle binden - das kam nämlich auch in meinem Rätsel vor."
Dem angelieferten Getränk kann sie noch immer keinen ihrer Sinne zuwenden.

OHH

Ja, Türen knallen sie auch gern mal, die jungen Frauen. Die deutlich älteren sind da oft freundlicher. Drum lächelt Widumir der Guttli dankend zu.
Erst im Wiederanhören bereits gesagter Worte wird ihm dann auch klar, wie doppeldeutig sich der Barde eben ausgedrückt hat. Das gefällt ihm. Ein breites Grinsen wird spendiert.

OHo

"Das ist ja gar kein Feuer", grummelt die Skaldin vor sich hin, offensichtlich unaufmerksam gegenüber den sonstigen Dingen am Tisch. Das Glas gerät aber in die Nähe der Nase und schon entspannt sich der Gesichtsausdruck der Thorwalerin. Wenn es schon nicht echtes Feuer ist, dann scheint es wenigstens ein anständiges Gebräu zu sein. "Nun, dann will ich mal nicht so sein, das wohl..." Sie hebt kurz das Glas, um den anderen am Tisch zuzuprosten.

GH

Nun muss sie aber doch aufhorchen, denn was die Thorwalerin gerade von sich gibt, ist doch recht merkwürdig. "Natürlich ist das kein Feuer!" erklärt die Guttli der Empörten. "Wir hatten doch schließlich Schnaps bestellt!" Auf dem Markt hat die Alte einmal einem fahrenden Feuerschlucker zugeschaut. Doch die Skaldin will doch wohl keine solchen Kunststücke hier drinnen vorführen?
Ein Kopfschütteln wird unterdrückt, denn nun gilt es, der Trinkenden Wohlergehen zu wünschen. "Zu Eurem Besten in der Gütigen Namen!"

OHH

Für einen winzigen Moment hat Widumir ebenfalls darüber nachgedacht, den ollen Spaß über Feuer im Becher auszusprechen, aber dankenswerterweise hat Guttli ihm das abgenommen - und meint es so gar noch ernst! So ist das ja viel vergnüglicher.
Grinsend hebt er die Hand, als hätte er darin ein Getränkbehältnis. "Prost, prost!"

OHo

"Ja, Schnaps", will Twina gerade ansetzen, aber da kommt schon der Trinkspruch der anderen, und da ist es einfach nicht angemessen, sich über die Qualität des Gebräus auszulassen. Also hebt sie mit einem "Das wohl!" bestätigend ihren Becher und setzt dann zum Trinken an.
Nun, immerhin, das Zeug ist trinkbar und durchaus schmackhaft. Und... ein Feuer hier zu trinken wäre vermutlich eher eine traurige Erfahrung, weil man es zwangsläufig mit der heimischen Variante vergleichen würde, die doch immer so viel besser oder vertrauter schmeckt. So schaut die Thorwalerin dann doch versöhnt und zufrieden drein.

GH

Die Alte schaut genau, wie Twina es macht mit dem Trinken. Denn ein wenig verunsichert ist sie schon. Wird man womöglich sogleich berauscht, wenn man das Becherchen ausgetrunken hat? Zögerlich blickt die Guttli hinter und dann wieder vor sich und lupft dann ihr Gefäß ein wenig. Trinkt man nun alles auf einmal auf? Oder ist es erlaubt, zu nippen? Zu fragen wirkt, als ob man nichts von der Sache verstünde.
Doch Schnuppern - das wirkt unverbindlich, und da weiß man hinterher vielleicht auf welche Schärfe man sich einzustellen hat. Sie muss ein wenig lächeln.
Vorsichtig hebt sie das kleine Gefäß an die Nase und schnüffelt.

OHH

Breit schmunzelt Widumir über das Muttchen. Gewiss tut sie recht mit ihrer Behutsamkeit, aber mal wieder kann er sich das Scherzen nicht verkneifen: "Herunter damit!" ruft er aus. Es ist keine wirkliche Aufforderung an andere, vielmehr an sich selbst - wobei man berücksichtigen muss, dass das Gefäß, welches er nun in den Rachen stürzt, ebenso wie sein Inhalt vollkommen der Phantasie entspringen und somit in Erfrischung, Sättigung und Trunkenheit seiner Person keinerlei Veränderung erwarten lassen.

VW

Der Barde indes lässt sich Zeit, nippt am Gläschen und lässt das Getränk im Mundraum ein wenig Raum greifen. Süße und Früchte tanzen eng umschlungen auf seiner Zunge und die erwartete Schärfe... fehlt. Nein, an Alkohol mangelt es keinesfalls, aber das Sprittige, das solche Schnäpse mitunter aufweisen, wird ganz aufgesogen vom Schlehenaroma. Und das ist weitaus gefährlicher als alles Andere, wie der Barde weiß. Denn ein solches Stöffchen kann man ungeniert flaschenweise saufen und merkt es erst, wenn man auf den bescheuerten Gedanken kommt, aufzustehen.
Aber den Göttern sei dank ist beides in weiter Ferne. Mehr Schnaps wird es wohl erst einmal nicht geben und das Aufstehen ist im Augenblick auch nicht vonnöten, es sei denn, am Nebentische ergeben sich Notwendigkeiten zum schnellen Eingreifen. Bis dahin wandert der Schnaps Nipp für Nipp in den Barden, während dieser verzückt die Augen schließt und genießt.

GH

Wie macht man es nun? Kurz ist die Alte versucht, der Aufforderung des bunten Vogels Folge zu leisten und hebt bereits das Gemäss an die Lippen. Doch glücklicherweise sieht sie ja dem Spielmann aus dem Seenland dabei fast in die Augen - und der trinkt so, wie sie es am liebsten auch machen möchte. Offenbar darf man also nippen, ohne gleich als Hänfling zu gelten. Wer weiß - vielleicht entpuppt sie selbst sich ja als trinkfeste Braut?
Das Glas zu heben, wagt sie dennoch nicht - nur ganz ein wenig. Es genügt schon, das Gefühl zu haben, dass alle am Tisch einen anblicken. Da muss man nicht die Aufmerksamkeit noch anderer auf sich ziehen. Mit einem leichten und durchaus wohligen Schauder schliesst das Weib die Augen - und wagt es, zu kosten.

OHo

Mit sichtlichem Vergnügen nimmt Twina das Zögern der Alten beim Trinken des Schnapses zur Kenntnis. Soll sie halt ihren Weg finden. Und der Buntgekleidete hat sowieso einen möglichen Ausruf vorweggenommen. Die Thorwalerin wartet ab, ob sie noch etwas beisteuern kann oder nicht.

OHH

Auch Widumir tut nun das von Guttli Gefürchtete - schlicht, weil sie durch ihre Art geradezu dazu aufruft: Er schaut ihr erwartungsvoll feixend zu. Immerhin ist ihr Gesöff unfraglich gehaltvoller und geschmacksintensiver als das seine.

GH

Mit aller Vorsicht bewegt die Alte die ersten Tropfen auf der Zunge - schließlich möchte sie sich nicht gleich den Rachen verbrennen. Doch was sich da an Duft und Aroma ausbreitet, trifft sie völlig unvorbereitet und entlockt ihr bei geschlossenen Augen ein behagliches Lächeln.
Alle Wetter! Das ist mitnichten so scharf und stechend, wie man es hätte erwarten können. Stark schon - doch auch ungeahnt süß. Wie Früchte!

OHo

Als die Alte lächelt, kommt auch von der Thorwalerin ein Lächeln. "Das Schnäpschen ist gut, das wohl!" meint sie über den Tisch und nickt Guttli zu, wie um Bestätigung von ihr zu erhalten.

GH

Nach einem ganz in Neugier, Erstaunen und nicht zuletzt Genuss versunkenen Moment kommt die Alte wieder zu sich und senkt das Becherchen ein wenig von ihren Lippen. Langsam öffnet die Häuslerin auch wieder die Augen - und stellt zu ihrer Beruhigung fest, dass das Trinkgefäß nur um ein Unwesentliches leerer ist, als zuvor. Da hat sie doch wirklich gut daran getan, nicht alles auf einmal herunterzustürzen!
Twina hat gerade etwas über den Schnaps verlauten lassen, das halbwegs an der Greisin vorübergegangen ist. Es wird wohl ein Lob gewesen sein. "Das wohl!" beeilt sie sich zuzustimmen. Denn das scheint ja immer zu passen.

OHo

Etwas irritiert ist Twina dann doch, als dieser Ausspruch, der doch so typisch für die Nordlande ist und den sie nicht erwartet hat, je aus einem Mund zu hören, dessen Besitzer nicht auf thorwalschem Gebiet geboren wurde, aus dem Mund der Alten erklingt. Dann aber fasst sie sich. Es war sicher nicht in der Absicht, sich über die Thorwaler damit lustig zu machen. Vielleicht will die Alte ihr da nur etwas Respekt zollen oder - und das bringt Twina dann doch zum Grinsen - vielleicht ist der Schnaps selbst ein Zaubermittel, das die Menschen hier einander näher bringt. Sie nickt Guttli zu.

RB

Jana öffnet die Tür und tritt schnell hindurch. Sie dreht sich um und schließt mittels Tür den Rest der Nässe aus.

OHH

"Wohl, wohl", kommentiert Widumir das allgemeine Bekunden von Wohlsein. Wenn alle so überwiegend zufrieden und satt sind, gibt es meist wenig zu sagen. Wobei sein Magen eigentlich nicht so voll ist, als dass er nicht noch irgendwelchen Unsinn verzapfen könnte. Doch auch mit solchem muss man mal Pause machen, wenn es nicht langweilig werden soll.
Die Hände vor dem Bauche faltend, lehnt er sich zurück, wodurch er etwas leichter die Bewegung im linken Blickwinkel bemerkt, welche Janas Rückkehr bedeutet. Kurz mustert er sie; es scheint alles in Ordnung zu sein. Immerhin ist er ja ihr höchstwichtiger Beschützer.

RB

Während die Schauspielerin sich auf den Weg zu ihrem Glas macht, läuft ihr ein Tropfen übers Gesicht und tropft von ihrer Nase auf den Boden. Wie sie wohl aussehen muss mit den nassen Haaren und der am Körper klebenden Kleidung? 'Mit der richtigen Haltung bestimmt verführerisch', macht sie sich gleichzeitig Mut und amüsiert sich. Aber sie hat keine Lust, sich schon wieder umzuziehen, außerdem geht ihr langsam die Kleidung aus, denn weder Nachthemd noch Festkleid erscheinen ihr adäquate Gewandung für die Gaststube zu sein. Als ein zweiter Tropfen die Nase hinunterrollt, ändert sie kurzerhand ihren Weg und strebt zunächst ihrem früheren Platz zu. Dort liegt noch immer ihr Handtuch, mit dem sie sich wenigstens das Gesicht abtrocknen kann.

GH

Es sind alle so still auf einmal. Nur der Herr Widumir ist munter, aber zwitschert eben, wie manche Vögel, ohne dabei etwas zu sagen.
Ob das Schweigen ringsum etwas mit ihr zu tun hat, fährt es der Häuslerin mit einem Mal durch die Gedanken und lässt sie die Schultern hochziehen. Schließlich ist es wohl nicht alltäglich, dass ein altes Weib sich dem Trunke hingibt! Und wolöglich erscheint es anderen hier im Raum gar verwerflich?
Vorsichtig wendet die Guttli den Kopf ein wenig in Richtung des Tisches, da Müllermeister samt Nachwuchs und Großbauer sitzen. Die gehören schließlich zu den Leuten, die im Dorfe etwas zu vermelden haben. Und sie könnten, wenn sie wollten, nun vermelden, dass das Holzweib seit neuestem im Wirtshaus sitzt und Schnaps in sich hineinschüttet.
Doch niemand hat offensichtlich ihrem Tun weitere Aufmerksamkeit geschenkt. Alle um Irinio und seinen Vater wirken mit sich selbst beschäftigt. Da darf sie vorerst erleichtert sein. Und es schmeckt ja auch gar zu gut! Rasch nippt die Alte ein weiteres Mal.

OHH

Da Guttli so eifrig ihr Gesöff genießt und ansonsten wenig Trubel am Tische feilgeboten wird, dreht sich Widumir noch etwas mehr Jana zu, deren Nasentropfen und nasse Gewänder ein mehrschichtiges Gesamtbild vermitteln, welches zum Schmunzeln ebenso wie zum Bemitleiden einläd und auf Widumir zudem noch irgendwie anziehend wirkt. Vielleicht liegt es ja daran, dass sie sich mal ganz natürlich gibt? In jedem Falle steigt seine Sympathie für sie soeben wieder einmal.
Den Kopf in die Hand gestützt, lächelt er ihr entgegen.

RB

Jana beantwortet Widumirs Lächeln mit einem ebensolchen, während sie an ihm vorbei zu ihrem alten Platz geht. Trotz ihrer Nässe wirkt sie gar nicht bemitleidenswert, sondern erstaunlich gut gelaunt.
Am Platz angekommen, setzt sie sich nicht, sondern wünscht zunächst den Schnaps Trinkenden: "Prosit!" Dann wendet sie sich primär wieder ihrem becherlosen Beschützer zu: "Habe ich irgendetwas verpasst?" Ohne allerdings die Antwort abzuwarten, ergreift sie das Handtuch und verschwindet dahinter.

OHH

"'Das wohl!'" führt Widumir an, was ihm aufgrund des frischen Eindruckes als allererstes an Verpasstem einfällt. "Aber ansonsten..." Nachdenklich wimperklimpert er ein wenig vor sich hin und betrachtet die Schankraumdecke und das nächstgelegene Regal, wo sich vielleicht noch etwas anderes Berichtenswertes zeigt. Dem ist dann aber doch nicht so.
"Nö, das war es eigentlich schon."

VW

Der Rest des Brandes wird ein wenig außer Reichweite gestellt und das Instrument gezückt. Ein paar kurze Zupfer, dann will natürlich der Wirbel zu seinem Recht kommen. Unglaublich, wie sich so eine Laute in kürzester Zeit verstimmen kann, nur weil die Luft ein wenig dicker ist oder plötzlich dieselbe abkühlt. Obwohl, denkt sich der Barde mit einem Grinsen im Gesicht, warum soll so ein sensibles Instrument da anders ticken als die Menschen?

RB

Nur sanft tupft die Schauspielerin mit dem Handtuch ihr Gesicht und den Haaransatz trocken. Gesichtsfarbe hat sie bestimmt nach Wein, Regen und dem Abend an sich schon genug, so dass sie nicht noch extra rubbeln muss. So hört sie natürlich genau, was Widumir antwortet. Ebenso das Stimmen einer Laute und einen erstickten Laut, der vom Nebentisch stammen könnte.
So lange sollen die drüben schon zusammen sitzen und sich nur schweigend anstarren? Obwohl, beim Blick auf den Nebentisch, nachdem sie das Handtuch gesenkt hat, könnte sie es fast glauben. Dennoch fragt Jana schnell, bevor sie dafür das Spiel des Barden unterbrechen müsste, nach, als habe sie es unter dem Handtuch nicht verstanden: "Verzeihung, wie war das? Wer heiratet? Und wann?" Den Hals trocknet sie noch ab, wobei die Ohren frei bleiben.

GH

Eine dunkle Wolke des Ärgers schiebt sich in die süße des Augenblickes und verdirbt der Alten jeglichen weiteren Genuss, als sie die Frage hört. Die Häuslerin senkt ihr Becherchen mit einem harten Pochen auf die Tafel, das ihr ganzes Missfallen ausdrückt. Ohne aufzuschauen, wohl aber mit finster funkelnden Äuglein verkündet sie: "Wir haben hier nichts von einer Heirat gehört. Und es interessiert uns auch nicht weiter. Ein Vater, der seinen Sohn so wenig auf einen solchen Schritt vorbereitet, und ihn dann aufs Peinlichste damit am Biertisch überfällt - der handelt nicht in elterlicher Treue. Der hat kein Vertrauen zu seinem Kind. Und wie soll daraus Treue und Vertrauen in einer Ehe wachsen können? Nein, darauf kann die treue Herrin keinen Segen legen!"
Scharf zieht sie die Luft durch die Nase ein und lässt sie mit empörten Schnauben wieder entweichen.

OHH

Nur einen Moment lang erwägt Widumir ein 'Das wohl!' auf Guttlis Worte hin. Irgendwie ist ihm nicht danach. Es wäre weder besonders originell und lustig, noch erscheint es dem Schelm soeben passend. Heiraten kann eine unangenehme Angelegenheit sein. Fast kommt er sich ein wenig vor, als sei er an Irinios Stelle. Man braucht dringend ein anderes Thema!
Weil ihm so rasch keines einfällt, kippt er sich noch etwas von dem Phantasiegesöff in seiner leeren Hand den Hals hinab. Ah, das tut gut!

OHo

Da hat der bunt gekleidete sie doch eben nachgemacht, oder nicht? Nun sei's drum.
Mit einem seufzen nimmt Twina zur Kenntnis, dass der Barde neben ihr wieder mit spielen angefangen hat. Sie kann sich aber auch nicht zurückhalten, die Worte der alten mit einem "Wohl gesprochen Guttli!" zu kommentieren.

GH

"Danke, Twina", erwidert die Alte auf die beistimmenden Worte der Thorwalerin. Schon gleich fühlt sie sich ein bisschen weniger finster, und ein Anhauch der eben verflogenen Süßigkeit macht sich wieder auf ihrer Zunge bemerkbar. Doch bevor sie den unterbrochenen Trinkgenuss fortsetzt, legt sie in versöhnlicherem Tonfall hinzu: "Das muss doch mal gesagt werden. Der Junge kann einem ja leidtun."
Sie hebt das Glas und kostet mehr vom Beerenaroma. Und dieses zaubert mit sommerlicher Frische ein verschmitztes Lächeln in das Antlitz der Häuslerin. "Eines hat sein Vater wohl allerdings vergessen. Eine Ehe mag er verordnen können - aber ja sagen kann er doch nicht selbst. Das muss Irinio schon selber tun - oder lassen. Wird sich noch zeigen, wer da am längeren Hebel sitzt, meine ich." Die letzten Worte sind scheinbar ganz unabsichtlich so laut gesprochen, dass der Müllersbursche sie hören sollte - zumal es da drüben am Familientisch sehr still geworden ist.

OHH

Ganz langsam erkennt Widumir, dass er doch zustimmen hätte sollen wie die Thorwalerin. Wenn mal jemand das Maul aufbekommt, ist es doch so wichtig, mit welchen Worten auch immer. Wie oft hat er das nicht selbst schon missen müssen!
So beginnt er immerhin mit dem zunehmend kräftig nickenden Haupte Unterstützung auszudrücken - um so mehr, als Irinio vom Nachbartische herüberspäht. Dem gilt ein aufmunterndes Lächeln. Falls der nur mit der Wimper zuckend ausdrücken sollte, dass er Hilfe möchte, wird er sie bekommen, soviel steht mal fest!

RB

Jana holt tief Luft, um entsprechend zu antworten. Aber noch bevor sie spricht, merkt sie, dass die Alte gar nicht auf sie böse ist, sondern auf den Wassermüller. Da es im Augenblick sinnvoller erscheint, der Unterhaltung zu lauschen, als selber etwas zu sagen, legt Jana schweigend das Handtuch auf dem Tisch ab. Dann nutzt sie den Umstand, dass sie gerade steht und alle Herren in der Umgebung sitzen. Sie zieht mit einem Finger das auf der Haut klebende Leibchen nach vorne und greift sich mit der anderen Hand in den Ausschnitt. Fast bis zum Ellenbogen muss sie den Arm hineinschieben, während die Finger nach der Flöte tasten. Das ist eine ziemliche Verrenkung und sieht bestimmt extrem dumm aus. Und ausgerechnet jetzt schaut Irinio herüber.

VW

"Freu dich, dann kriegst du ein Weiblein ins Bett.
Freu dich, dann wirst wie dein Vater du fett.
Freu dich und achte der Älteren Rat.
Morgen schon ist es fürs Leben zu spat.
Denn Morgen, wenn einsam die Lerche erwacht,
ihr Sang schallt heraus in die finstere Nacht,
ihr Sang, der die Tiefe des Herzens erspäht:
Zu spät, zu spät, zu spät."
So klingt es vom Barden über den Tisch. Halblaut, ein wenig ungelenk, immerhin ersinnt der Sänger die Verse gerade erst, und doch nach altvertrauter Weise.

GH

"Ja ja", sinniert die Alte weitß in der gleichen Lautstärke, durch die der Müllerssohn weiterhin nicht umhin kommen sollte, ihre Worte zu hören. Es mag wohl sein, dass der starke Trunk ihrer Stimme mehr Kraft einflößt, als sie normalerweise anwenden würde; oder dass das trotzige Lied des bunten Spielmanns ihren Mut beflügelt, noch deutlicher zu werden. "Das geht ganz schnell. Einmal ja gesagt, und es ist zu spät. Dann bist du für den Rest deines Lebens gefangen in einem Versprechen, das du nicht brechen kannst, ohne dir selber untreu zu werden."
Sie nimmt erneut einen Schluck, der das Becherlein um die Hälfte leert.

VW

Ein kurzer Triller und schon tönt die Laute wieder melancholisch.
"Denn Morgen, hörst draußen der Mühle du zu,
ihr Klappern ertönt ohne Rast, ohne Ruh,
das Klappern, das tief in die Seele sich prägt:
Zu spät, zu spät, zu spät."

RB

Während Jana vor dem Bauch nach der Flöte fingert, winkt ihr in ihrer unvorteilhaften Position auch noch der Wirt zu. Hastig nickt die Verrenkte ihm zu. Dann zieht sie endlich den Arm mitsamt der Flöte wieder aus dem Ausschnitt. Kritisch betrachtet sie das Instrument.
Erst nimmt die junge Frau das Tuch wieder zur Hand und reibt die Flöte vorsichtig, fast zärtlich aber gründlich ab. Dann setzt sie das Instrument an die Lippen und bläst. Ein paar leise Töne bezeugen, dass es ihm gut geht.

OHH

Schon schick, was Jana da so unter ihrem Hemde treibt, denkt sich ein verträumt dreinblickender Widumir. Was Irinio nicht alles verpasst! Der lässt sich lieber von seinem Vater knuffen - scheint es. Bekommt er denn nicht mal des Barden warnendes Lied mit?
Wie tragisch kann das Leben sein! Und wie gemütlich. Widumir lehnt sich zurück und betrachtet Jana. Die sollte häufiger nass herumlaufen.

VW

Da hätte der gute Posh doch fast vor lauter Gucken das Spielen vergessen. Gerade noch sann er über eine weitere Strophe nach, da wurde er des 'Flötenspiels' ansichtig und ihm ganz blümerant zumute. Doch. Da möchte man wirklich aus anderem Holze geschnitzt sein. Denkts, verlagert das Gewicht ein wenig, holt kurz tief Luft und ist froh, als ihn die Melodie vorerst vom Singen abhält. Der Text hätte wohl so gar nicht zur Situation gepasst. Dann soll ihm die gute Jana erst einmal die Flötentöne beibringen, und dann soll es auch eine weitere Strophe geben, so sich der alte Mehlsack nicht doch noch mit ein bisschen Hirn und Verstand ausrüsten lässt. Wie hat der Kerl es überhaupt geschafft, dass ihm nicht Frau und Kinder kurz nach der Hochzeit aus der Mühle auf und davon sind?

RB

Da Posh sie scheinbar auffordernd ansieht, spielt die junge Frau etwas länger auf der Flöte als geplant. Nach ein paar Flötentönen passt sie sich ihm an und begleitet seine Melodie ein paar Takte lang. Offenbar gefällt es ihm, obwohl sein Blick ein wenig nachdenklich oder verträumt scheint. Ebenso wie der Widumirs.
Aber leider muss Jana schon wieder los. Also steigt sie bald aus der Musik aus und deutet eine Verbeugung vor ihren beiden Bewunderern an. Sodann wirft sie sich das Handtuch über die Schulter, steckt die Gürteltasche unter den Arm und macht sich auf den Weg Richtung Tresen, wo der Wirt sie erwartet.
Als sie an Widumir vorbeigeht, legt sie ihm kurz die flötenfreie Hand auf die Schulter und sagt leise, um die Musik nicht zu stören: "Vielleicht solltest du dir einen echten Schnaps bestellen."

GH

"Lass klappern dahin", stellt die Alte mit einer wegwerfenden Handbewegung in den Raum, ganz in sich vertieft, und doch immer weiter hörbar, zumal der Spielmann gerade eine kleine Pause einlegt. "Zwischen Eltern und Kindern muss es bisweilen klappern, bis es bricht. Das wächst sich wieder aus und wird verziehen, wenn die Eltern nicht von Sinnen sind. Aber den Bruch mit dir selbst - all das, was du nie gelebt hast..." Oh ja, sie weiss, wovon sie redet. "Wer verzeiht dir den?"

OHo

Da muss Twina nun doch schlucken. Nur, um irgendwie die Alte aus ihrer Fahrt zu reißen, versucht sie ein: "So, damit hat dann wohl jeder gehört, was er hören sollte!"

GH

"Jaja", gibt die Alte maulend klein bei. "Ich bin ja schon still."
Dennoch beugt sie sich zu der Skaldin und setzt so leise hinzu, dass es am Nachbartisch nicht gehört werden kann: "Doch ich finde, der alte Mehlsack hat es schon verdient, ein bisschen ausgeklopft zu werden, so wie er mit dem Jungen umspringt. Das gehört sich nicht. So etwas regelt man zu Hause, hinter verschlossenen Türen, und nicht hier vor allen, die's nichts angeht. Außerdem weiß der Müller genau, was passiert, wenn er den Bolzen überdreht. Wenn er sich mit seinem Sohn und Erben überwirft, gibt's hier landauf, landunter ein Gerede, welches ihm all sein Lebtag nachhängt. Und das kommt der Familie des Mädchens nicht zu pass, und der Mühle damit auch nicht."
Sie lehnt sich ein wenig zurück und seufzt. "Und zuletzt, was habe ich altes Weib schon zu befürchten. Den Wassermüller kenne ich, seit er ein Bübchen war. Der weiß, wie er mich zu nehmen hat. Und wenn nicht, und wenn er mir kein Mehl mehr geben mag - Ida Gänsebauer, mein Gevatterkind, holt es ohnehin schon oft genug für mich von der Mühle. Da kann ichs dann in Zukunft auch gleich von dem ihren kaufen, die kurze Zeit, die ich noch habe."

VW

Und wieder erhebt der Barde halblaut die Stimme, etwas nachdenklicher aber immer noch aufrichtig.
"Denk dran, wie lieblich der Nachtvogel singt,
denk dran, wie wunderbar Flötenklang klingt.
Denk dran, wie fröhlich das klappernde Rad,
denk dran, wie tönet des Mühlrades Schlag.
Denn bald schon wirst du einen Weg vor dir seh'n
den musst du, egal wie er aussieht, auch geh'n.
Mit Höhen und Tiefen, mäandernd und weit
S'ist deine und niemandes Anderen Zeit!
Und langsam verweht die Melodie und macht einer anderen Platz, schwebend noch und lockend und doch gleichsam fordernd.

OHH

So viele bedenkenswerte Dinge am Tisch! Im Grunde ist Widumir recht stolz auf diese kluge Gesellschaft. Aber irgendwie scheinen sie es alle schon gesagt zu haben: Alles weitere ist nun Irinios Sache.
Das eigene Problem hat Widumir mal wieder durch Jana erhalten: Einen echten Schnaps? Soll er? Sie bezahlt ja wohl wie immer, so lange er es nicht übertreibt. Aber eigentlich stünde ihm mehr der Sinn nach Süßem. Wie auf der Suche nach solchem tastet die Zunge aus dem Dunkel heraus über die Lippen.

RB

Widumir antwortet nicht sofort, aber er hat die Frage gehört und die Einladung sicher verstanden. Zu gegebener Zeit wird er reagieren, zum Beispiel, wenn eine Bedienung in der Nähe ist. So hebt Jana ihre Hand von seiner Schulter und legt sie auf die Schulter Irinios, der praktischerweise gleich dahinter sitzt.

Weiter...


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Redaktion und Lektorat: OHH 2014