Familienzwist

Verfasser: Günter Hölscher, Lars Reißig, Oliver Baeck, Oliver H. Herde, Ralf Büngener und andere

GH

So rüstig, wie es eben geht, erhebt sich das Häuslersweib und klatscht laut in die Hände. "Welche Musik!" ruft sie hingerissen dem Jungen zu. "Und welch ein Müllersbursche! Da kann der Wassermüller stolz sein!"
Letztere Worte sind ganz in Richtung des Alten gesprochen, doch wirft sie in der Wendung des Kopfes dem Musikus ein unmerkliches Augenzwinkern zu.

VW

Noch ein kurzes Momentchen bewegen sich die Füße ganz von allein, obwohl doch die Musik bereits verklungen und aus ist. Dann, mit einem Juchzen, das irgendwo aus dem Bereich der großen Zehe kommt, streckt sich der Barde, hebt die in seinen Armen wiegende hoch in die Luft und lässt sie dann, sanft wie eine Feder, wieder zu Grunde gehen. Und dabei jubelt er, dass allein seine ausgebildete Gesangsstimme die Gastwirtschaft zu füllen vermöchte: "Bravo, Bravissimo!" Wie man es hierzulande wohl so zu tun pflegt, wenn ihn Angus nicht schon wieder genarrt hat. Und dabei verbeugt er sich tief vor dem Pfeifer im Besonderen und der Kunst im Allgemeinen.

RB

Unvermittelt setzt die Musik aus. Nein, nicht die Musik, nur die Flöte. Überrascht schaut Jana zum Dirigenten, den sie ob des Tanzes aus den Augen verloren hat.
Noch während die junge Frau grübelt, geht in ihrem Rücken das Spiel weiter. Wie im Traum lauscht sie, wie Irinio sich zu neuer Virtuosität aufschwingt, erlebt Aufbäumen, Höhepunkt und Schluss des Liedes. Im nächsten Moment fühlt sie sich aber ganz körperlich in die Luft gehoben. Gerade juchzt sie vor Überraschung, da sinkt sie schon wieder sanft zu Boden.
Dort angekommen, stimmt sie in den hinter ihr aufbrandenden Beifall ein. Dabei ist ihr Blick auf den Müllerssohn gerichtet, dem Blick des Müllers möchte sie nicht noch einmal begegnen.

OHH

Den Aussetzer des Flötisten hält Widumir zunächst für eine Kunstpause. Zu sehr ist er in Fahrt, um sie zu teilen, und das ist gweiss ganz gut und richtig so. Erst im Anschluss stutzt er und bekommt mühsam eine Ahnung, was da zwischen Vater und Sohn vorgehen mag. Empörend! Da ersetzen Ellenbogen und Handballen die Finger auf Tresen und Hocker. Da stampfen die Füße abwechselnd und zum Ende hin einmal gemeinsam. Man könnte meinen, hier wären nicht Boden und Thekenwand das eigentliche Ziel. Doch da man es körperlich nicht erwischt, soll es wenigstens optisch und akustisch nichts verpassen.
Immerhin kann Widumir dadurch seine Wut auf den Unterdrücker etwas abreagieren. Als dann alles geendet hat und der verdiente Beifall erschallt, stimmt Widumir auch hier aufs Eifrigste mit ein. "Ja, bravo! Das sollten wir bald wiederholen!"
Während er dem Freundgewordenen fast bittende Blicke zuwirft, bekommt der Vater zwischendurch eher ganz abfällige ab. Von dem ist Widumir sehr enttäuscht. Keine Frage also, wen er hier als die eigentliche armselige Maus empfinden muss.

OB

Der Wassermüller stemmt seinen Arm von der Tischplatte hoch und klatscht dem Sohn Beifall. Allerdings ist das klatschende Geräusch eher hohltönend und erklingt nur dreimal - ganz so, als habe sich Horasio bei einem Gildenmagier abgeschaut, wie man eine Illusion zerplatzen lässt. Vielleicht ist es sogar umgekehrt - dass die Gildenmagier diese Zaubergeste wählten, weil sie auch im echten Leben diese Wirkung erzielt.
"Schön gespielt, mein Sohn", sagt der Vater mit vernehmlicher Stimme. Die lobenden Worte werden nicht von einem passenden Lächeln begleitet. Statt dessen setzt der Wassermüller nach einer Kunstpause die nächsten Worte: "Deiner Braut wird's auch gefallen."

OHH

Na sowas, heiraten muss Irinio auch noch!? Dass er dies vielleicht auch selbst wollen könnte, ist erst ein späterer Gedanke Widumirs. Möglicherweise ist es ja viel zu früh, sich bei diesen Leuten einzumischen. Unter Umständen sollte er es gar überhaupt nicht tun, denn so langsam wittert er hier mehr Verdruss als Spaß, auch wenn der Müller vordergründig eingelenkt zu haben scheint.
Jedenfalls schade, dass die Musik vorbei ist. Mit einem Male kommt sich Widumir leer und müde vor. Wo ist sie hin, die schöne Stimmung? Zur Türe hinaus vielleicht? Die Treppe hinauf und die Flure entlang? Zum Lachen in den Keller?
Unschlüssig schmatzt Widumir vor sich hin.

GH

Die Alte steht staunend starr, immer noch mit zum Klatschen bereiten Händen. Sie braucht ein wenig, um alle Fäden zusammenzudrehen; reglos verharrt sie im Nachsinnen. Mit sinkenden Händen sendet sie einen scharfen Blick gegen den Müllermeister. Dann schüttelt sie ihr altes Haupt. "Pfui", sagt sie für alle übrigen vernehmlich. Dann setzt sie sich wieder, langsam doch rüstig.

LR

Das hohle Lob des Vaters legt Mühlsteine auf Irinios Schultern. Fast sieht man den Pfeifer schrumpfen, an Substanz verlieren, schwinden, bis nur noch der Sohn für alle sichtbar übrig bleibt.
Doch Wassermüllers letzter Satz lässt den Kopf des Jungen hochrucken. Nein, diese Ankündigung ist, wenn auch vielleicht nicht gänzlich unerwartet, nichts, was die Familie hier von Anfang an zu feiern gedachte. 'Jetzt schon? So früh?' scheinen die großen Augen zu fragen - nicht den Vater, sondern die Götter und die ganze Welt, ein unbarmherziges Geschick und die Zeit selbst. "M... meine.. Braut?"
Irinios Blick hat jede Festigkeit verloren. Er irrt umher, als würde der Vater die Genannte im Schankraum versteckt haben oder unter seinem Wams hervorzaubern - als wüsste er nicht, dass der Vater es gegen alle Wahrscheinlichkeit ganz gut allein auszufüllen weiß.

NW

Auch Melidas Blick gleicht dem eines Kaninchens vor der Schlange, wie sie ihrem Vater zuhört. Blinzelnd sieht sie zu ihrem Bruder, der genauso vom Donner gerührt scheint. Langsam und fast wie ferngesteuert steht das Mädel auf und legt dem Wassermüller eine Hand sacht auf den Arm.

RB

Jana steht und applaudiert, als in ihrem Rücken wieder die Stimme des Vaters erklingt. Mit sich selbst beschäftigt, dauert es eine Weile, bis sie die Überraschung und den Mangel an Freude auf dem Gesicht des besagten Jungen bemerkt. Unwillkürlich tritt sie einen Schritt vor, als müsse sie ihn stützen.

OHH

Nein, das sieht gar nicht nach Freude aus bei Irinio! Entsprechend unbegeistert ist Widumir - allerdings auch gleichbleibend ratlos.
Für sich selbst hat er nie über eine Ehe nachgedacht. Mag dies einerseits am Mangel einer geeigneten zweiten Person liegen, so kam ihm das Konzept zugleich immer schon irgendwie unnatürlich vor. Kann man nicht einfach so bei jemandem bleiben, den man mag? Aber es ist wohl so, dass die normalen Menschen einen Vertrag brauchen, weil es in der Ehe eben nicht in erster Linie um Gefühle, sondern um Geschäftliches geht.
Wer will schon normal sein?! Na gut, die Normalen wohl. Nicht jedoch Widumir.

JA

Tygrid rennt mit geducktem Kopf und eingezogenen Schultern zur Tür, reißt sie einen Spalt auf, schiebt sich hindurch und drückt sie schnell und so fest sie kann wieder zu.

GH

"Eine solch geschmacklose Hochzeitsankündigung habe ich all mein Lebtag nicht gehört", gibt Guttli so deutlich zu verstehen, dass man es auch am Tisch des Wassermüllers nicht überhören kann.

OHo

Auch Twina kann sich nicht mehr zurückhalten, zu ergänzen: "Nun, vielleicht sollte man das mit der Hochzeit erst einmal mit allen Beteiligten klären...!"

OB

Horasios Lächeln wird noch eine Spur breiter, genug Platz hat es im Gesicht schließlich. Freundlicher wird es dadurch nicht. Vielmehr zeigt es, dass der Wassermüller die Reaktion seines Erben genauso erwartet hat - und dass er sie genießt.
Nur von der Seite spuckt ihm die alte Guttli in die Suppe. Schon auf ihr 'Pfui' hin ruckt sein Kopf in ihre Richtung, die abrupte Geste wird durch die nachgeholte Bewegung in den Pausbacken verwässert. Als sich die Vettel dann noch erdreistet, ihn zu beschimpfen, da ist er schon drauf und dran, ihr ordentlich Kontra zu geben - was weiß sie denn schon von Hochzeitsankündigungen, wenn doch ihr Lebtag kein Mann etwas von ihr wissen wollte? Dass ihm sein Töchterlein die Hand auf den Arm legt - wenn auch vielleicht aus anderem Grund - beruhigt ihn ein wenig. Aber noch immer ist ein giftiger Ton in seiner Stimme, als er sagt: "Du brauchst ja nicht zu kommen, Guttli" und sie fortan keines weiteren Blickes würdigt.
"Ja, deine Braut!" ruft er stattdessen seinem Sohn zu und winkt ihn mit einladender - oder doch befehlender - Geste an den Tisch. "Das muss gefeiert werden", fährt er fort und wendet sich zu Tesden: "Bring doch bitte einen Krug vom Edelspatz an" - er muss kurz nach Luft schnappen - "diesen Tisch. Und setz dich dann dazu!"

RB

Mit einem Aufschrei und verzweifeltem Gesicht dreht die Schauspielerin sich um und tritt einige schnelle Schritte auf den Wassermüller zu. "Aber..." stammelt sie. Als sie sicher ist, die Aufmerksamkeit der Gäste zu haben, lamentiert sie mit ausgestreckten Armen: "Es sollte doch ein Geheimnis bleiben. Er sollte doch von selber darauf kommen. Und jetzt das", klagt die junge Frau den Vater des Bräutigams an. "Wie könnt Ihr mir das antun?" Sie deutet anklagend auf ihn. "Vor all den Leuten!" Fahrig deutet sie auf die Gäste, bevor sie die Hände vors Gesicht schlägt. Als sie sie wieder wegnimmt, ist tatsächlich eine Träne zu sehen.
Schnell wendet sie sich ab und geht auf Irinio zu. Als sie vor ihm stehen bleibt, scheint es, als wolle sie auf die Knie fallen. Stattdessen streckt sie ihm flehend die Arme entgegen. "Verzeih mir. So habe ich das nicht gewollt!" Nur der Müllersohn kann sehen, wie die Schauspielerin ihm mit dem tränenfreien Auge zuzwinkert.

LR

Jetzt ist der Müllerssohn endgültig verdattert. Er blinzelt seine mutmaßliche Versprochene an, als sei sie ein lebender, singender und tanzender Orgaleenstrauch, der Seifenblasen atmet. "W... was?" piepst die Maus.

GH

"Macht das draußen mit dem Wassermüller ab, junge Frau", bricht es barsch und entschieden aus der Alten heraus, wobei sie beide Fäuste auf den Tisch stemmt. "Doch hier drinnen haltet Ruhe und Frieden - alle beide - in Travias Namen!"

NW

Der Eberwirt blickt von Siona zu Wassermüller zu Jana, wobei sich sein Mund öffnet und schließt, ohne dass ein Ton entweicht - was ein wenig an einen Karpfen auf dem Trockenen erinnert. Sein Blick ruckt wieder zu Horasio, während er einen Schritt nach hinten macht.

OHH

Immer mehr erinnert der Müller Widumir an einen Zauber, den ihm leider nie jemand beigebracht hat. Jener würde jetzt wirklich schön passen und die Situation für alle außer freilich dem Stimmungstöter selbst gewiss etwas entspannen oder doch zumindest ganz neue Aspekte wachrufen.
Was Jana da aber feilbietet, ist ja viel, viel besser! Diese subtile Art würde er auch gern noch irgendwann mal lernen. Eistweilen hat er jedoch genug zu tun, sein Lachen zu unterdrücken und hinter den Händen zu verstecken. Welch Glück, dass gerade wohl niemand und vor allem nicht der Fleischberg auf ihn achtet!
Eine tolle Vorstellung, die man zu diesem Zeitpunkt auf keinen Fall stören sollte!

OB

"Ich bin's ja nicht, der hier herumkeift", pflichtet der Wassermüller Guttli bei, auch wenn es gleichermaßen - in Inhalt und Lautstärke - ein Widerspruch ist und zudem der Alten noch einen Hieb mit Worten versetzen sollte. "Und ich treib auch keine Spielchen mit dem Traviabund", setzt er hinzu. Unzweifelhaft, wem dieser Satz gewidmet ist. Die hübsche Fahrende kann ja gerne seinem Sohn für den Abend schöne Augen machen. Vielleicht kann er sich bei ihr auch noch die Hörner abstoßen - aber was zu weit geht, geht zu weit. Der Wassermüller holt Luft, damit er den folgenden Satz auch ganz bestimmt in einem Rutsch hervorbringen kann: "Für meinen Sohn hab ich eine anständige Braut gesucht."

OW

Irritiert huscht Odils Blick von Horasio über die zornige Guttli, zum schrumpfenden Irinio, zurück zum alten Wassermüller, dann zu Jana, zu Melida, zu Tesden, Horasio, Guttli, IrinioJana, WidumirHorasioIrinio...
"Whoa!" mit den Fingerspitzen von Daumen und Mittelfinger der rechten Hand beginnt er sich die Schläfen zu reiben, als wolle er einen Dumpfschädel vertreiben, während er sich mit der linken am Tisch festhält, als habe er einen über den Durst getrunken.

RB

"So. Ein anständiges Mädchen wollt Ihr also unglücklich machen, indem Ihr sie mit einem Mann verbindet, der mit seinem Leben nie zufrieden sein wird?" Die Schauspielerin hat sich wieder umgedreht und funkelt den Müller wütend an. "Die Arme tut mir jetzt schon leid. Travia vergelt's." Sie wischt sich die eine Träne aus dem Auge.
"Ja, dann feiert ihr Alten" - dabei schwenkt der Blick der jungen Frau zur Guttli - "mal schön hier drinnen in Ruhe und Travias Namen." Sie ergreift eine Kerze von einem nahen Tisch. "Wie wär's wenn wir Jungen" - dabei blickt sie deutlich von Posh zu Widumir und schließt sogar Melida ein, aber nicht deren Vater - "lieber noch eine wenig draußen musizieren, in Frieden und Rahjas Namen?"
Jana hakt Irinio unter und dreht ihn sanft Richung Tür. Plötzlich hat sie den Eindruck, dass das ein wichtiger Moment ist. Wenn der Junge sich jetzt zu seinem Vater setzt, dann wird er auch das Mädchen heiraten und mit ihr unglücklich werden. Wenn er mit ihr kommt, ist alles offen.

GH

"Ja, geht nur hinaus!" ruft Guttli den beiden jungen Leuten zu und winkt sie aus dem Raum. "Lasst uns Alte in Ruhe feiern und den Müllermeister den Takt dazu bellen. Denn Hunde, die bellen, beissen nicht, was Wassermüller?"
Jetzt ist sie ordentlich in Fahrt, da macht es ihr wenig aus, sich eine Hochzeitseinladung gründlich zu verscherzen. Ade, Käsekuchen, Würzwurst, Apfelkrapfen und Süßmost! Wenn es ihr nur gelingt, den Ärger des gekränkten Vaters erst einmal auf sich zu ziehen, dann bietet sich vielleicht für den Sohn eine Möglichkeit, unauffällig so lange zu verschwinden, bis die ärgsten Wogen sich geglättet haben.

OHH

Derart von Jana eingeladen, kann Widumir nicht widerstehen, wofür es ja auch keinen Grund gäbe. Ihm wird die Wahl gelassen, draußen Spaß zu haben oder sich drinnen mit dem Spielverderber zu plagen. Denn Widumir hat es immer als unspaßig, ja, geradezu mühselig empfunden, auf Kosten Einzelner die Allgemeinheit zu erheitern - mögen sie es auch noch so verdient haben. Manchmal muss es sein, stimmt schon. Aber jetzt gerade ja nun nicht.
So drückt er sich von der Theke fort - oder fast wirkt es, als zöge ihn ein unsichtbares Band. Dabei ist noch genügend Zeit, dem Muttchen anerkennend lächelnd zuzunicken.

OB

"Ha, ha", lässt der Wassermüller hören. Nein, es ist kein Lachen - es zeigt vielmehr nur der Guttli und der Fahrenden gleichermaßen, was er von ihren Worten hält. Nämlich gar nichts. Und vor allem nichts, was einer weiteren Antwort wert wäre. Als hätte er die Reden der beiden gar nicht gehört, deutet er nur auf den freien Stuhl am Tisch und schaut seinen Sohn auffordernd an: "Setz dich, mein Junge." Das ist keine freundliche Einladung.

GH

"Lach er nur, Müller", sagt sie laut und deutlich, doch schon weniger zornig als bedauernd. "Ihm wird das Lachen schon vergehen, wenn er sich's mit seinem Sohn verdorben hat. Und wenn einst keiner mehr da ist, der ihm beim Sterben die Augen zudrückt." Ihr Zorn ist vorerst verraucht, und so setzt sie sich wieder.

LR

Irinio brennt in der Kälte der Niederhöllen - so kommt es ihm wenigstens vor. Ankündigung und Weisung des Vaters, Posse und Angebot der Fahrenden, Beistand der Häuslerin - und er zwischen allen Stühlen, inmitten einer ganz anderen Aufmerksamkeit, als sie ihm die Musik beschert hatte.
Gehen? Setzen? Widersetzen?
Er setzt sich nicht. Er geht nicht mit hinaus. Bleibt stehen.
"Welche Braut?" fragt er nur leise in des Vaters Richtung.

OHH

Wimperklimpernd bleibt Widumir stehen, da sich Irinio so unzureichend in Bewegung setzt. Aber die Frage ist gar nicht mal so uninteressant. Zumal es wenig Sinn ergeben dürfte, ganz allein hinauszugehen, tut Widumir noch ein paar Schritte bis neben den verschüchterten Jüngling, um ihm ein klein wenig den Rücken zu stärken und schaut dann zu dessen Vater, als hätte er sich soeben selbst danach erkundigt.

OB

Der Wassermüller antwortet nicht auf die Frage seines Sohnes. Das wäre ja noch schöner, dem Erben das Heft des Handelns zu überlassen. Bevor er Fragen stellt, soll er erst einmal tun, was sein Vater ihm sagt. Und so schwebt nicht nur eine Frage mitten in der Schankstube, sondern eine Müllershand über der Tischplatte. Ungerührt weist Horasio weiterhin auf den freien Platz.

OB

Die junge Frau wirft einen hilfesuchenden Blick zu Widumir, der wie ein Sekundant auf der anderen Seite des Beinahe-Bräutigams steht. Sie lockert ihren eingehakten Arm ein wenig, bietet Irinio so die Gelegenheit zu gehen oder mitzukommen. "Wenn du wissen willst, wer dich an die Mühle binden soll", raunt sie ihm zu. Trotz der Resignation, die sich in ihr ausbreitet, versucht sie ein wenig Aufstachelung in ihre Stimme zu legen.

OHH

Den neuesten Entwicklungen entsprechend, richtet Widumir nun den fragenden Blick auf Irinio. Will der sich etwa weiter herumstoßen lassen, nachdem er so viel Hilfe bekommen hat? Dann wäre er ein verlorener Fall. Entsprechend keck und auffordernd ist Widumirs Ausdruck.

LR

An die Mühle binden...
Irinio bleibt stehen, wo er steht. Unfähig, hinauszugehen. Unwillig, sich zu setzen. Beides wird ihm unerträglich. Und doch kann er sich nicht rühren.

OHH

Ob der wohl auch frische Luft und etwas Nieselregen im Gesicht braucht wie der Bauer vorhin? Widumirs Brauen wippen in beiderlei Hinsicht abwechselnd auf und ab. Dann wandern Mund und Nase hin und her.
"Entschuldige die Störung, aber... lebst du eigentlich noch?" Dabei stupst er das Bürschlein ganz sanft an die Schulter.

RB

Quälend lange lässt sich Irinio Zeit. 'Soll ich bleiben oder soll ich gehen?' Eigentlich doch eine ganz einfache Frage. Unter normalen Umständen. Unter normalen Umständen hätte sich die Schauspielerin auch gefreut, endlich mal wieder von ihrem Bad zu hören. Im Augenblick aber stört sie der Gedanke eher. Dafür hat sie gerade wirklich keinen Nerv.
Zum Glück kommt ihr dann ihr Reisegefährte zu Hilfe. Wie die Luft aus einer Schwimmblase, die einen Seeigel getroffen hat, scheint die Spannung zu entweichen. Und unwillkürlich muss Jana kichern.

LR

Etwas unwillig schüttelt Irinio Widumirs Berührung ab. Warum wollen ihn alle nur drängen? Der Vater, und nun auch die Fahrenden. Dabei ist es sein Leben, über das gerade zu Gericht gesessen wird. Das in Scherben gehen könnte, auf die eine oder andere Art.
Er macht einen Schritt auf den Vater zu, nur einen. "Welche Braut?" wiederholt er, mit viel zu wenig Kraft oder gar Trotz in der Stimme.

OB

Auch auf die wiederholte Frage hin zuckt sich der Wassermüller nicht. Sein Söhnchen mag sich zieren - aber solange Irinio die Füße unter seinen Tisch streckt, hat er zu gehorchen. Wie eine Statue verharrt Horasio in seiner Pose, die Hand immer noch auf den freien Stuhl gerichtet. Wenn es überhaupt noch möglich ist, verfinstert sich der Blick noch ein wenig mehr angesichts der Eskapaden von Gaukler und Tänzerin. Aber kein einziges Wort.

OHH

Beschwichtigend hebt Widumir die Hände, dann lässt er sie sinken und tritt etwas zurück, obwohl er das wegen Irinios eigenem Schritt ja nicht tun müsste. Allerdings erkennt selbst der Kindskopf, dass er hier im Moment wenig helfen kann. Immerhin: Irinio lässt sich nicht gar so leicht einfangen. Der wird schon seinen Weg machen - manche brauchen nur eben etwas länger.

RB

Als Irinio den Schritt nach vorne macht, fällt auch Ianas untergehakter Arm von ihm ab. Langsam verebbt ihr Kichern und der Verstand setzt ein. So schaut die Schauspielerin erst einmal zu, wie das Ringen zwischen Vater und Sohn weitergeht.

LR

Irinio atmet tief ein und aus. So viele Blicke sind auf ihn gerichtet, und auch wenn der des Vaters der schrecklichste von ihnen sein mag, spürt er doch jeden einzelnen schwer auf sich. Die neugierigen. Die erwartungsvollen. Die wissenden. Die fragenden. Die mitleidigen. Hat die Musik den Schankraum des Ebers eben zu seiner Bühne werden lassen, wird ihm diese Bühne nun unter all diesen Blicken zum Schafott.
Irinio atmet tief ein und aus. Dann trifft er statt einer gleich mehrere Entscheidungen. Er nickt zu sich selbst, fasst Mut und ergibt sich zu gleichen Teilen. Als er seinen Blick hebt und den Janas sucht, liegt eine gewisse Stärke darin, ein Vorsatz vielleicht, oder etwas anderes, stilleres, tieferes - etwas, das in diesem Moment Irinio ganz allein gehört.

RB

Lächelnd tritt Jana auf Irinio zu: "Dann... brauchst du die ja so lange nicht", sagt sie mit leichtem Zögern und deutet zaghaft auf die Flöte in seinen Händen. "Würdest du sie mir eine Weile leihen?" Dann beißt sie sich auf die Unterlippe, als habe sie etwas Ungehöriges gesagt.

OHH

Da Widumir sich zunehmend überflüssig vorkommt, schaut er etwas suchend umher, bis ihn die Regung Irinios und um so mehr Janas Antwort darauf wieder zum Geschehen lenkt. Nunmehr ist es keine Unschlüssigkeit darüber, was er als nächstes anstellen soll, als vielmehr über die ihm unverständlichen Worte. Hat sich Irinio denn nun entschieden?
Eine prima Gelegenheit, sich mal wieder am wirrhaarigen Haupte zu kratzen!

LR

"Oh ähm... ja... nein... natürlich." Irinio schaut auf die Flöte in seinen Händen.
Widerstrebend reicht er sie der Fahrenden. Einen mulmigen Moment fühlt er sich wie der Held eines tragischen Theaterstücks, der seine Tochter der fliehenden Gattin anvertraut, während er selbst bleibt, um bei der Verteidigung der Stadt zu helfen.
Dann ist es Zeit, sich dem Feind vor den Toren zu stellen. Wenn er sich nur etwas heldenhafter fühlen würde!

OB

Nun, da Irinio auf den ihm zugewiesenen Platz zusteuert, kann Horasio den deutenden Arm sinken lassen. Der Vater setzt sich etwas bequemer hin und erwartet die letzten Schritte seines Sohnes.

RB

Die junge Frau nimmt die Flöte vorsichtig entgegen und hält sie wie eine heilige Reliquie in beiden Händen. Sie fühlt sich geehrt, dass er ihr das geliebte Instrument anvertraut. Einer spontanen Eingebung folgend senkt sie verlegen den Blick, wie ein Backfisch, der einem Jungen seine Liebe gesteht. "Ich wollte mich noch bei dir bedanken, dass du für mich musiziert hast. Das bedeutet mir sehr viel und es war wirklich wunderschön."
Sie macht eine Pause, gerade lange genug, um tief Luft zu holen. Dann richtet Jana sich auf und gibt Irinio einen schnellen Kuss auf die Wange. Weder drückt sie ihn, noch haucht sie ihn, es ist eine sanfte, sehr kurze Berührung. Dann dreht sie sich um und flieht Richtung Tür.

OHH

Ach, so ist das! Aber wie eigentlich? So recht wird Widumir aus dem Fortgang der Ereignisse, welcher den Fortgang Janas und wohl gleich auch Irinios beinhaltet, nicht schlau. Allerdings wirkt Jana nicht gerade, als wolle sie immer noch zahlreiche Gesellschaft haben. Die Gesellschaft des Wassermüllers hingegen möchte wiederum vorerst Widumir nicht haben.
An dieser Stelle bietet sich ein überaus bedächtiges Reiben des Kinns an.

Weiter...


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Redaktion und Lektorat: OHH 2014