Eine alte Geschichte
Verfasser: Astrid Brandt, Oliver H. Herde, Ralf Büngener und andere
RB
Kaum hat Jana sich entschieden, steht auch schon der Knecht hinter ihr, um die Bestellung aufzunehmen. Die Bedienung in diesem Haus ist wirklich vorzüglich. Sie schluckt den letzten Rest Honigkuchen und wendet sich Alrik zu: "Du kommst genau recht", begrüßt sie ihn lächelnd. "Ich hätte gerne eine Portion Hühnereintopf und einen großen Krug heißen Apfelmost. Wenn möglich mit Gewürzen: Zimt, Nelken und wenn Ihr habt eine Kapsel Kardamom." 'Wer ist denn Mokosch?' überlegt sie, während sie lächelnd wartet, ob Alrik noch eine Frage hat.
AB
Hühnereintopf, heißen Apfelmost, Gewürze... Der Knecht stutzt. Zimt kennt er, aber mag er nicht, Nelken sucht er zu vermeiden. Aber was ist Kardamom? Nun, Sarina wird es schon wissen.
"Ist recht", nickt er daher und schaut nun fragend auf die anderen Damen.
Zufrieden nickt die Freiin, als die Norbardin sowohl ihre derzeitige Zufriedenheit als auch zukünftige Bereitweilligkeit für einen längeren Aufenthalt in Bethana kundtut. Als der fragende Blick des Knechtes sie trifft, schüttelt sie den Kopf. "Danke, wir sind versorgt. Obwohl, eine neue Kanne Tee wäre schön. Und habt ihr Meskinnes? Wahrscheinlich nicht, aber dann doch sicher einen anderen Schnaps. Davon vier Gläschen und einen Honigtopf. Und Löffel, bitte."
Sie wirft Jana einen verschwörerischen Blick zu.
RB
Jana bemerkt das erwartete Stutzen des Knechtes, der sich aber schnell wieder fängt. Trotzdem fügt sie hinzu: "Wenn es nicht geht, nehme ich den heißen Most auch ohne Gewürze." Heiß und süß, ein schöner Gedanke.
Als sie Cashas Bestellung hört, muss sie ein Schütteln als Zittern tarnen. Schnaps ist so gar nicht nach ihrem Geschmack. Aber sie wird sich dem nicht entziehen, sondern Casha die Freude machen, nach allem, was sie für Jana getan hat. Offenbar hat die Bornländerin etwas Bestimmtes vor, weil sie noch nach Honig fragt. War nicht vorhin schon mit dem Tee ein Honigtopf auf den Tisch gekommen? Der Blick der Schwarzhaarigen irrt über den Tisch und verpasst so den verschwörerischen Blick der Blonden. Da ist ja der Honig.
Aus heiterem Himmel fällt Jana plötzlich eine Frage wieder ein, die sie schon den ganzen Abend stellen wollte. Eigentlich wollte sie Siona fragen, aber Alrik wird den Dorfklatsch ebenso kennen. Also wartet sie, bis die andere Bestellung abgeschlossen ist, und fragt dann Alrik: "Was ist eigentlich aus Irinio Wassermüller geworden? Als ich vor acht Jahren" - 'Ist das wirklich schon so lange her?' - "hier war, war er am Morgen verschwunden. Ist er wieder aufgetaucht?"
AB
Alrik stutzt erneut. Der Wassermüller? Im Augenblick weiß er so gar nicht, wovon die Dame spricht. Nachdenklich kratzt sich der Knecht den Kopf und zermartert sich das Hirn, was vor all den Jahren da wohl passiert sein mag.
Unbewusst folgt Urszula dem Blick der Schauspielerin und bemerkt dann selbst den bereits auf dem Tisch stehenden Honigtopf. Wie dumm von ihr; sie hatte ja bereits für das Würzbier danach verlangt. Doch als sie ihren Fehler eingestehen und den Knecht von der Lieferung des Honigs entbinden möchte, ist dieser bereits von Jana in ein Gespräch verwickelt. 'Ach, Jana war vor Jahren bereits einmal hier?' Interessiert lehnt sich die Freiin zurück und wartet auf die Antwort des Knechtes.
OHH
Ein Schnäpschen, ja das wird nicht nur noch reinpassen, sondern guttun und bei der Verbrennung des Mageninhaltes helfen! Was das hingegen mit dem Wassermüller auf sich hat, entzieht sich zunächst Reskas Vorstellungskraft. Es muss wohl eine wichtige Begebenheit gewesen sein, wenn sich die Dame nach so langer Zeit noch nach ihm erkundigt. Vielleicht eine Liebesgeschichte noch vor ihrer Ehe? Jagt die Dame vielleicht auf beiden Seiten des Ufers? Zum Glück schmunzelt Reska ohnehin schon genüsslich ob der Aussicht auf einen Rachenputzer, auch wenn dies nun eine geringfügig andere Note bekommt.
RB
Jana sieht die Verwirrung des Knechtes und versucht, ihm etwas auf die Sprünge zu helfen: "Der Wassermüller war damals mit beiden Kindern hier und hat bekanntgegeben, dass er eine Braut für Irinio gefunden habe. Der war davon aber gar nicht begeistert und hat darüber geredet, wegzulaufen und Spielmann zu werden. Am nächsten Morgen war er dann verschwunden. Ich möchte nur wissen, ob er seinen Vorsatz in die Tat umgesetzt hat, oder wieder aufgetaucht ist. Ich hatte ihm damals Hilfe versprochen, wenn er nach Vinsalt kommt, aber dort ist Irinio nie vorstellig geworden."
AB
Braut... Hochzeit... Langsam dämmert es dem Knecht. "Ja richtig... Irinio und Sabetta... da wart Ihr auch hier?" Alrik kann sich beim besten Willen nicht an Jana erinnern, wohl aber an den Trubel und die Aufregung um Irinio und Sabetta. "Naja, Irinio ist nur zwei Tage weg gewesen. Aber dann hat er versucht, sich im Mühlenweiher zu ertränken, wo doch sein Vater so gar nicht von der Verlobung ablassen wollte. Travia sei Dank hat man ihn rechtzeitig gefunden. Und dann gab es wohl ein riesen Donnerwetter - also für den alten Müller, nicht für Irinio. Haben zumindest Siona und Sarina erzählt, die haben Irinio nämlich gerettet. Und nun wird eben Melida die neue Wassermüllerin. Wo Irinio ist, weiß ich nicht, der ist damals mit Vater Travicio nach Solstono gegangen. Irgendwas mit Musik lernen oder so... "
Beinahe hilfesuchend blickt Alrik zu Jana in der Hoffnung, dass ihr diese Bruchstüke an Information reichen. "Von Vinsalt weiß ich nichts", fügt er noch halbherzig hinzu.
Die Bornländerin lauscht interessiert.
RB
"Oh wunderbar!" freut sich Jana und klatscht in die Hände. "Dann hat sich ja alles zum Guten gewendet. Zumindest am Ende. Dass es auch erst so dramatisch werden musste... Das erinnert mich an die Geschichte, die die alte Guttli damals erzählt hat, da ging es auch irgendwie ums Ertrinken. Ob die den Jungen inspiriert hat?" Die letzten Worte waren mehr an sie selbst gerichtet, als an jemand anderen. "Danke Alrik, das freut mich sehr."
"Irinio ist der Sohn des Wassermüllers", erklärt sie Casha, "und sollte nach dem Wunsch seines Vaters die Mühle übernehmen. Er war aber überhaupt nicht zum Müller geboren, sondern hatte eine Liebe zur Musik. Sein Vater wollte nur das Beste für ihn und hat nie erkannt, dass was nach seinen Maßstäben das Beste war, nicht gut für seinen Sohn war." Sie zuckt mit den Schultern. "Offenbar musste es erst dramatisch werden, bevor er es einsehen konnte. Ich wünschte, ich könnte Irinio noch einmal spielen hören und herausfinden, ob er glücklich ist. Eigentlich war er nämlich zu introvertiert für einen Spielmann. Vielleicht kann ich in Solstono Station machen und mich nach ihm erkundigen, wenn ich auf dem Weg nach Bethana bin."
OHH
So ist nun also der Teil des Abends begonnen, zu welchem Geschichten erzählt werden, bevor man schlafen geht. Trotz all der exotischen Namen unbekannter Leute lässt auch Reska sich davon berieseln, bis Parallelen zum eigenen Leben immer deutlicher werden. Oh ja! Menschen, die anderen 'nur das Beste' wollen und damit das Schlimmste aufzwingen, gibt es wohl überall. Ein Charakterzug, der Reska entgegen aller schlechten Erfahrungen stets fremd und unverständlich geblieben ist.
AB
Alrik nickt. Ja, das hat ihn damals auch gefreut. Nachdem die Damen anscheinend keine weiteren Wünsche mehr haben, wendet er sich dem letzten besetzten Tisch zu.
Auf dem Weg nach Bethana. Die Worte erfüllen Urszula, nein, Casha mit Freude. Seltsam, sie hat Jana erst heute Abend kennengelernt und doch hat sie das Gefühl, die andere viel länger zu kennen. Nun, geteilte Träume und Erinnerungen mögen diesen Effekt haben. Aber was es auch sei, Casha ist froh über diese Wendung. Derweil zupft sie ein wenig an dem wollenen Tuch, welches noch immer um Janas Schultern liegt und meint: "Du musst mir dann ausführlich von deinen Erkundigungen berichten.
Apropos berichten; ich habe da eine Frage." Sie rückt sich ein bisschen auf dem Stuhl zurecht und wirft dabei den anderen beiden am Tisch Sitzenden einen raschen Blick zu. "Dieser junge Mann im Theater, dieser Pierrot... war das reines Wunschdenken oder gibt es eventuell eine Version die ich pesönlich kennenlernen könnte? Und falls es Wunschdenken war" - sie senkt die Stimme - "ich sage es nicht weiter."
NW
Tesden steuert den Tisch mit den Damen an, um dort die zweite Teekanne abzusetzen.
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'Oje, was habe ich da wieder angerichtet', seufzt Jana innerlich. Sie wollte Casha doch nur die passende Antwort auf ihr aufreizendes Kleid geben und ist dabei wohl zu weit gegangen.
"Ja und nein", antwortet sie nach kurzem Überlegen: "Pierrot als Person gibt es nicht, den habe ich mir tatsächlich spontan ausgedacht. Allerdings, und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr glaube ich es, habe ich ihn aus mehreren Personen zusammengesetzt, die ich im realen Leben kenne. Ich habe von allen das Beste genommen und zusammengesetzt. Die kräftigen Arme stammen von einem ehemaligen Freund von mir, die modische Kleidung von einem Bekannten, der allerdings ansonsten völlig hohl ist, die salbungsvollen Worte von einem Poeten, der optisch nichts her macht. Einige davon lernst du vielleicht in Vinsalt kennen.
Aber was ich zu Irinio noch erzählen wollte" - die Schauspielerin vergewissert sich kurz, dass Alrik schon und der Wirt noch zu weit entfernt sind, um mitzuhören - "wir haben am Abend für seinen Vater ein Hörspiel aufgeführt. Er hatte für seine Familie das Zimmer neben meinem gebucht." Bei der Erinnerung muss sie schon grinsen: "Wir sind auf meinem Bett herumgesprungen, damit es schön laut knarzt und haben ihm etwas vorgestöhnt." Sie erinnert sich, dass Irinio einigen Anstoß brauchte, aber dann voll dabei war und gibt eine Kostprobe, allerdings so leise, dass sie nur hier am Tisch zu hören ist: "Oh! Ja! Oh, Irinio, du Hengst!" Hier bricht sie ab, weil sie das Lachen nicht länger unterdrücken kann.
AB
Für einen Augenblick zieht Casha einen Schmollmund, doch dann blitzen ihre Augen auf. "Ich glaube, ich kann am einfachsten auf die salbungsvollen Worte verzichten. Alles andere - nun, wir werden sehen."
Als Jana dann von dem 'Hörspiel' mit Irino berichtet, wird die Laune immer besser. Mit einem leise-anzüglichen "Ohoho..." kommentiert sie die Erzählung, nur um dann mit Jana zusammen
loszuprusten.
"Oioioi, das hätte ich hören wollen... Meine liebe Jana, du bist mir ja ein gerissenes Früchtchen." In ihrer Begeisterung schlägt sie der Freundin ganz undamenhaft leicht auf den Oberschenkel.
OHH
Reska zieht immer mehr die Brauen wie leidend zusammen, derweil die Hände unschlüssig miteinander im Schoße ringen. Was die Damen da so von sich geben, ist kein unbedingt angenehmes Thema - zumindest nicht für Reska. Etwas hilflos schweifen die Blicke ab und suchend durch den Schankraum.
RB
Durch das Lachen und die anzügliche Erinnerung hat Janas Gesicht wieder etwas Farbe gewonnen und sie sieht nicht mehr so kränklich aus. "Das war wahrscheinlich das einzige Mal, dass der Wassermüller an dem Tag stolz auf seinen Sohn war. Wie der mich schon angeglotzt hatte, als ich das Gasthaus betrat..." Die Dame schüttelt den Kopf. Damals trug sie die Haare frei, so dass sie wie eine Wolke um ihren Kopf flogen, als sie ihn schüttelte, nachdem sie den Hut abgenommen hatte.
"Eigentlich hatte ich Irinio in mein Zimmer gelockt, um ihm anzubieten, dass ich ihm helfen könne, wenn er als Musiker nach Vinsalt käme. Und am nächsten Morgen war der Junge dann weg. Aber da er in Vinsalt nie auftauchte, wusste ich nicht, was passiert war und habe mir Sorgen und auch ein bisschen Vorwürfe gemacht, dass ich ihn angestiftet hätte."
AB
"Auf jeden Fall hast du ihn dazu inspiriert, sein Leben selber in die Hand zu nehmen." Casha stutzt kurz, als ihr bewusst wird, wie unpassend das in Anbetracht der Sache mit dem Mühlenweiher klingen mag. "Ich meine, du hast ihn dazu gebracht, für das, was ihn wirklich bewegt, einzustehen. Gegen seinen Vater aufzubegehren. Und wie wir gerade gehört haben, ist es doch am Ende gut ausgegangen.
Wer weiß, jetzt wo du weißt, dass er wirklich Musiker ist, kannst du ihn ja vielleicht viel besser wiederfinden. Vielleicht... vielleicht kannst du ja für die Eröffnung deines Theaters oder für die Premiere deines Stückes ein Musikstück in Auftrag geben, eins mit viel Flöten dabei... und dann muss man ja die Musiker probespielen lassen, um die richtigen zu finden..." Mit leicht emporgezogenen Augenbrauen wirft Casha einen fragenden Blick auf Jana.
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Da ist sie wieder, die stets planende - unter den richtigen Umständen bestimmt auch intrigante - Urszula, die Teil der mitfühlenden, kreativen Casha ist. "Das ist eine interessante Idee", stimmt Jana zu, und je länger sie darüber nachdenkt, desto breiter wird ihr Lächeln. In Gedanken geht sie schon die ihr bekannten Komponisten durch, wer dafür wohl in Frage käme.
"Allerdings wird das ja jetzt noch etwas länger dauern, als ich bislang dachte. Aber ich könnte ein paar meiner Freunde aus der Gauklerszene darauf ansetzen, sich nach ihm umzuhören. Schließlich muss die Nachricht von der Premiere ihn erreichen, damit das klappt. Nicht dass ich seine Dienste dafür in Anspruche nehmen wollte, aber ist das nicht ungefähr die Branche, in der dein Onkel tätig ist?"
AB
"Mein Onkel ein Gaukler?" Die Bornländerin verzieht den Mund zu einem breiten Lächeln. "Das lass Charlon mal lieber nicht hören; und glaub' mir, er hört und sieht vieles. Oder lässt hören und sehen... Aber vielleicht hast du Glück, und er hat wirklich schon von diesem Irinio und der Wassermühlengeschichte gehört. Frag ihn doch, falls er uns in Bethana besucht."
Urszula lehnt sich ein wenig zurück und betrachtet Jana mit leicht zusammengekniffenen Augen. Das Nicken, welches darauf folgt, scheint ausdrücken zu wollen, dass ihr gefällt, was sie sieht - oder denkt. "Jemand wie du, die leicht unter Leute kommt und auch weiß, wie man sich in Gesellschaft verhält, die in Vinsalt beinahe jeden kennt, würde er bestimmt gern kennenlernen.
Dich sicherlich auch, Reska", schließt sie die schweigsame Norbardin in das Gespräch mit ein. "Charlon schätzt schweigsame Beobachter sehr."
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Abermals hüpfen die Brauen und strafft sich Reskas bereits wieder beinahe etwas gelangweilte Haltung. Schweigsame Beobachter, wohl um sie eben all jenes hören und sehen zu lassen, was zuvor angedeutet wurde. Klingt dies nicht nach einem Netz von Informanten? Sollte dieser Charlon ein Händler mit Informationen statt Töpfen und Schnürbändern in der Auslage sein? Unschlüssig zuckt zuerst ein Mundwinkel und gleich darauf wird doch noch ein ebensolches Lächeln daraus.
RB
'Das klingt ja fast wie ein Angebot, oder sogar zwei...' Janas Wunsch, diesen Charlon kennenzulernen, wird stärker. Jemanden zu kennen, der hören und sehen lässt, kann ein großer Vorteil sein. Sie hätte nichts dagegen, gelegentlich eines seiner Ohren zu sein, um dafür später etwas bei ihm gut zu haben.
"Dass er Gaukler sei, meinte ich nicht" - 'das sind eher die Leute, die ich fragen würde' - "sondern dass er Informationen beschaffen könnte. Da scheine ich ja nicht ganz falsch gelegen zu haben", erklärt sie.
"Wie gesagt, würde ich mich sehr freuen, ihn kennenzulernen und mehr darüber zu reden. Es wundert mich nur, mit Verlaub gesagt, wie offen du mit Informationen über ihn umgehst. In meiner kindlichen Vorstellung agiert jemand wie er eher im Geheimen und ist schwer zu finden." Oder ist er vielleicht auch nur Fassade für etwas anderes? "Aber vielleicht habe ich auch einfach zu viele Geschichten gelesen."
AB
"Wie gesagt, der Onkel hört und sieht so manches; das bringt der Woll- und Tuchhandel eben so mit sich. Und Onkel Charlon steht einem der größten, ach, was sag ich - dem größten Stoffhandelshaus in Norburg und wahrscheinlich im ganzen Bornland vor. Mit" - sie betont das Wort - "Dependenzen zum Beispiel auch in Bethana. Das Tantchen, du weißt schon. Und er sagt immer: 'Halt Augen und Ohren offen, man weiß nie, wofür es einmal gut sein kann. Und jemanden kennenzuzlernen, der für ihn die Mode in Vinsalt im Auge behält, da sehe ich ihn förmlich sich schon die Hände reiben. Wieso sollte ich darüber nicht reden dürfen?" Die Frage klingt vollkommen unschuldig, doch der Blick, der den von Jana und auch Reska sucht, ist ernst und vielsagend.
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"Die Mode in Vinsalt im Auge zu behalten, ist offensichtlich" - hier streicht die Lavendelgewandete über den edlen Stoff ihres Kleides - "etwas, das mich sehr interessiert. Und es wäre nicht einmal zusätzliche Arbeit", erklärt sie lächelnd. "Aber weil Vinsalt in der Modewelt so wichtig ist, hat dein Onkel dort bestimmt schon eine Dependence?" Die Schauspielerin spricht das letzte Wort mehr Horathi aus, ihr Blick spiegelt währenddessen genau die Aussage von Cashas Blick.
AB
Urszula schenkt der Garderobe einen bewundernden Blick. "Ja, in der Tat, und ich beneide dich darum. Bei mir muss immer das Alltagstaugliche im Vordergrund stehen. Der Onkel schickt mich gern auf Reisen, um nach seinen" - sie hält kurz inne und versucht dann, die Aussprache Janas zu imitieren - "Dependonzen zu sehen. Da ist man viel unterwegs und in den meisten Gasthäusern ist kein Bedarf für wirklich hübsche Kleider so wie deins.
So habe ich ja auch Reska kennengelernt. Weil es doch so eine weite Reise ist bis nach Bethana zum Tantchen und als Frau allein auf Reisen... Wer weiß, was da alles passieren kann. Oder was die Leute von einem denken. Und Reska ist eine wirklich gute und treue Seele. Ich hoffe sehr, dass sie es sich überlegt und auch weiterhin meine Begleitung bleibt. Der Onkel hat sicherlich nichts dagegen." Während dieser Worte hat die Bornländerin die Norbardin direkt angesehen und in ihrem Blick kann man das Vertrauen, ja vieleicht sogar mehr als das lesen, welches sie in Reska hat.
Dann wendet sich Urszula wieder Jana zu. "Ich nehme stark an, dass Onkel Charlon über die Mode in Vinsalt informiert ist, aber soviel ich weiß, konzentriert er sich mit seinen... Niederlassungen auf die Heimat. Sewerien, das Bornland... Weißt du, es ist ein himmelweiter Unterschied zwischen Vinsalt und Norburg. Andere Leute, andere Sitten, anderes Essen, anderes Wetter... Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen oder aufhören soll. Aber ich denke, er wäre sehr interessiert, hin und wieder über die neuesten Entwicklungen der Vinsalter Mode informiert zu werden. Und wer weiß, vielleicht ergibt sich dadurch die Gelegenheit, dass wir uns öfter wiedersehen?"
NW
Auf einem Tablett bringt Tesden die Getränke hinüber zum Tisch der Damen. Er nickt ihnen zu, während er vor jede ein Becherchen stellt. "Wohl bekomm's."
OHH
Immer mehr gewinnt Reska den Eindruck, dass es hier keineswegs noch um Tuche und Kleidung geht - auch wenn Wörter wie Depong-irgendwas den Durchblick zusätzlich verschleiern. Die nachfolgenden Komplimente lassen Reska wiederum geschmeichelt-verschämt lächeln, wenn Urszula auch offenbar nicht recht mitbekommen hat, dass die Entscheidung doch eigentlich längst getroffen ist. Auch nicht weiter schlimm. Auf die Anerkennung kommt es an.
Als dann der Wirt erscheint, wird ihm freundlich dankend zugenickt.
AB
Das Erscheinen des Wirtes und der Schnäpse unterbricht die Diskussion um Mode und weitere Bekanntschaften für einen kurzen Augenblick. "Ach, danke sehr. Was bringt Ihr denn Gutes?" fragt Urszula, während sie die kleinen Stamperl neugierig beäugt.
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Jana will gerade die wunderbare Unterhaltung fortführen, die überhaupt nicht von Kleidung handelt, als der Wirt auftaucht und den angedrohten Schnaps bringt. Ein ungutes Gefühl überkommt sie, als ihr der Geruch in die Nase steigt und ihre Augen zum Tränen bringt. 'Was für ein namenloses Zeug ist das denn?' Das ist kein Branntwein; den hat die junge Dame schon einige Male ertragen müssen und überstanden. Aber das hier riecht eher wie das Zeug, das die Zwerge im Norden getrunken haben, das selbst gestandene Mannsbilder in die Büsche gejagt hat. Und das auf nüchternen Magen. Misstrauisch beäugt sie die kleinen Stamperl und erwartet die Antwort des Wirtes.
NW
"Nun, es wurde nach Schnäpsen verlangt", erläutert Tesden und fährt mit einem Wink zur Speisetafel fort: "Da haben wir nur Premer Feuer im Angebot. Ist das nicht recht?" setzt er mit einem Blick auf Janas skeptisches Gesicht fort.
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Premer Feuer. Das ist so legendär, dass sogar Jana schon davon gehört hat. In Havena erzählte man sich, die Thorwaler würden es auf ihren Schiffen verbrennen, um sich vor der Kälte des nordischen Winters zu schützen. Also ungefähr in der gleichen Klasse wie das Gift der Zwerge.
Den Blick des Wirtes auf sich bemerkend, wendet Jana ihren Blick fragend gen Casha, schließlich hat sie diese Bestellung getätigt. Dabei konzentriert sie sich darauf, einen neutralen Gesichtsausdruck zu zeigen.
AB
Die Bornländerin - die inzwischen immer mehr das Getue von Urszula abzulegen scheint und damit auch hier im Schankraum zu Casha wird - reibt sich voller Vorfreude die Hände. "Wunderbar, das Feuer wollte ich immer schon mal probieren. Danke." Sie schenkt Tesden ein begeistertes Lächeln und wendet sich dann ihren beiden Gefährtinnen zu.
"Keine Angst, ich will euch nicht vergiften. Ich dachte nur - wer mag, kann sich damit den Most oder Tee ein wenig verstärken. Das macht man im Bronland im Winter gern. Ein heißes Getränk, ein guter Schluck Meskinnes und Honig, um das ganze zu versüßen."
Sie berührt die Teekanne und nickt zufrieden. "Gerade noch heiß genug, aber nicht zu heiß. Sonst verfliegt ja der Alkohol, und wo bleibt dann der Spaß? Jana, Reska - wer will probieren?" Jetzt schaut Casha fragend in die Runde.
NW
Tesden schmunzelt leicht. So ein Gewese wird selten um Schnäpse gemacht. Es ist drollig anzuhören, also bleibt er noch am Tisch stehen, auch wenn er hier nicht mehr wirklich gebraucht wird.
OHH
In der Tat zählt Premer Feuer nicht zu den allerleckersten Schnäpsen; hierzu mangelt es für Reskas Geschmack allzu sehr an Süße und kommt das Zeug ein klein wenig zu sehr seinem Namen nach. Als Beigabe zum Tee hingegen lässt es sich sehr gut vorstellen, zumal mit einem weiteren Tröpflein Honigs.
So gießt Reska folglich vom Tee ein und kippt hernach einen guten Schluck vom Feuer hinzu.
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Wie üblich ist Reska ganz Frau der Tat und bedient sich selbst. Jana scheint noch unschlüssig zu sein, deshalb beschließt Chasha, ihr die Entschiedung abzunehmen. "Ich mach dir eine kleine Portion, ganz mild." Während sie zwei Bescher mit Tee füllt, plaudert Casha weiter. "Schau, nur ein halbes Gläschen von dem Feuer... sooo... den Rest nehme ich." Schnell hintereinander entleert die Bornländerin den Rest und ein weiteres Gläschen Premer Feuer in ihren eigenen Teebecher. "Jetzt noch Honig dazu... viel oder wenig, Jana?"
RB
Obwohl der Schnaps auf dem Tisch einen gewissen Abstand von ihr hat, kitzelt der Alkohol doch unangenehm in Janas wohlgeformter Nase. Sie ist sich ziemlich sicher, dass sie dieses Feuer nicht trinken möchte. Gleichzeitig wird sie von Casha und Tesden beobachtet, sitzt also wie auf dem Präsentierteller - eine Situation, in der sie sich normalerweise wohlfühlt, die ihr aber jetzt etwas unangenehm ist. Sie beobachtet, wie Reska einen Teil ihres Schnapses im Tee versenkt. Das könnte eine Möglichkeit sein, aber dann schmeckt ja der ganze Tee danach
Da Casha momentan sehr ehrlich wirkt, schließt sich Jana ihr an: "Nichts gegen Euren Schnaps, Dom Tesden", spricht sie zuerst den Wirt an, wendet sich dann aber ihrer Freundin zu, "aber ich fühle mich noch nicht wieder ganz bei Kräften und würde deshalb lieber zunächst aussetzen. Vielleicht probiere ich einen Schluck, wenn ich gegessen habe und mich stärker fühle. Doch lasst euch von mir nicht aufhalten." Beim letzten Satz wandert ihr Blick mit einem aufmunterndem Lächeln zwischen den anderen Damen hin und her.
NW
Tesden hebt bei Janas Worten abwehrend die Hände. "Travia ist mein Zeuge, hier wurde noch nie ein Gast zum Trinken gezwungen - jedenfalls nicht von mir", antwortet er mit einem Schmunzeln. Damit sieht er nun auch die Zeit gekommen, sich vom Tisch zurückzuziehen.
AB
Die Freiin zwinkert dem Wirt bei seinen beruhigenden Worten zu. "Ich wusste, dass wir hier bei Euch in guten Händen sind, Herr Tesden. Wenn Ihr dann doch so gut wäret und uns rasch eine Kleinigkeit zum Knabbern bringen könntet, dann muss Frau D'Aminovitch nicht warten, bis der Tee mit Schuss vollkommen kalt geworden ist. Das mit dem leeren Magen ist nämlich eine sehr guter Einwand, den ich leider nicht bedacht hatte. Also, falls die Suppe noch ein bischen dauert, tun es auch Brot und Butter - nicht wahr?" Die letzten Worte sind an Jana gerichtet.
RB
Jana unterdrückt einen Seufzer bei Cashas Worten; da muss sie wohl deutlicher werden. Sie lächelt zunächst den Wirt dankbar an: "Ich habe keinen Zweifel an Euch. Doch sind die Zwänge oft nicht direkter, sondern eher gesellschaftlicher Natur. Man möchte ja niemanden beleidigen."
Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, sich Casha zuzuwenden: "Ich weiß, du willst mir etwas Gutes tun, und ich danke dir. Ohne dich beleidigen zu wollen, würde ich dir aber noch mehr danken, wenn ich diesen Schnaps jetzt nicht trinken müsste. Ich würde es tun, um der Form zu entsprechen, aber ich hoffe, dass wir über den Punkt hinaus sind. Eigentlich hätte ich das eben schon sagen sollen, als du bestellt hast; es tut mir leid, dass ich so langsam gedacht habe. Vielleicht habe ich auch gedacht, ich könnte ihn trinken. Aber ganz ehrlich: Ich möchte es nicht." Der ehrliche, entschuldigende Blick kommt ganz ohne Schauspielerei aus.
AB
Gerade macht sich die Bornländerin daran, den Becher mit der Tee-Feuer-Mischung zu Jana zu schieben, als diese sie mit ihren ehrlichen Worten davon abhält. Die Ablehnung, welche Casha ohne weiteres akzeptieren kann und selbst Urszula nach wortreichem Hin und Her akzeptiert hätte, nimmt sie dabei fast nur am Rande wahr. Es sind die Ehrlichkeit und Offenheit sowie der Ausdruck von Vertrautheit, welche Casha so viel mehr wärmen, als es das Premer Feuer je tun könnte.
"Ganz, wie du willst", erwidert sie ebenfalls lächelnd und löst die Hand von dem Becher, welcher somit in der Mitte des Tisches stehen bleibt.
Mit gedämpfter Stimme setzt sie hinzu: "Es ist niemand da, für den wir die Form wahren müssen. Der Capitano hat seinen Eindruck von uns oder zumindest von mir gefestigt, da brauche ich nicht mehr viel zu tun. Und Dom Avessandro verlangt es nicht nach meiner Gesellschaft - also brauche ich mir um ihn auch keine Gedanken mehr zu machen. Der Geweihte" - sie wirft einen möglichst unauffälligen Blick hinüber an den Kamintisch und senkt die Stimme noch ein bisschen weiter - "ist beschäftigt. Und solange wir nicht zu laut sprechen, sollte auch die müde Kriegerin nicht in ihrem Schlummer gestört werden. Wir sind also ganz unter uns, nur wir drei."
Der verschwörerische Blick umfasst sowohl die Schauspielerin als auch die Norbardin.
"Wo waren wir stehengeblieben?"
NW
Tesden bremst noch einmal ab und fragt vorsichtshalber nach: "Was fehlt denn jetzt noch an Essen?"
RB
Jana ist erleichtert, dass ihre Ehrlichkeit so gut wirkt und so offen aufgenommen wird. Damit kann sie die Signora für den Rest des Abends ablegen. Interessiert folgt sie Cashas Blick und Erklärungen rund um den Schankraum und muss leise lachen, als die Bornländerin zu der Erkenntnis kommt, dass sie ganz unter sich sind.
Sie hebt kurz die Hand, um anzudeuten, dass sie gleich antworten wird, aber zunächst wartet der Wirt auf eine Antwort: "Ich hatte eben einen Hühnereintopf und einen Apfelmost bestellt, aber darum kümmert sich Alrik schon. Ich denke, das ist im Moment alles." Sie strahlt den Wirt zum Abschied noch einmal an, bevor sie sich wieder Casha zuwendet.
"Du hast erzählt, dass dein Onkel hauptsächlich im Bornland tätig ist. Ich kann verstehen, dass die Vinsalter Mode bis dorthin ausstrahlt. Aber ist das wirklich der einzige Grund für sein Interesse, oder ist er in irgendeiner, vielleicht indirekten Weise auch im Lieblichen Feld tätig? Oder hat er hier Geschäftspartner?" In Janas Kopf wirbeln schon Ideen durcheinander, wie sie durch eine erfolgreiche Kooperation ihr Netzwerk in einen Teil des Kontinents ausdehnen kann, in dem sie bis jetzt noch nicht tätig ist.
NW
Mit dieser Antwort zufrieden, verlässt Tesden nun endgültig den Tisch der Damen und begibt sich wieder hinter die Theke.
Weiter...
Ausschnittliste / anwesende Gäste / Lageplan
Redaktion und Lektorat: Oliver H. Herde im Jahre 2020