Märchenhaft

Verfasser: Günter Hölscher, Julia Richling, Oliver H. Herde, Ralf Büngener und andere

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"Dort drüben steht es", kündigt der Kapitän zum Kamintische blickend an, da bemerkt er, dass ja gar nicht sein künftiger Tischgefährte, sondern einstweilen nur der vermeintliche Hausknecht gefolgt ist. Selbigem wohnt eine gewisse Nachdenklichkeit inne, was jedoch allzu viele Erklärungsmöglihkeiten in sich birgt, um eine davon gedanklich weiterzuverfolgen.
So begnügt sich der Holzbeinige, noch einen oder zwei Schritte voranzugehen und somit nicht nur Platz zu geben, sondern auch den weiteren Kurs anzudeuten.

GH

Nur nicht sich ablenken lassen! Zwar hört der Türaufhaltende die Worte des Seekapitäns und verfolgt mit den Augen auch dessen zielgerichteten Kurs - allein, nun, da auch der Lastenträger an ihm vorbeigesegelt ist, naht der große Moment, auf den sich Herr Tellicherri während seiner Reise vorzubereiten versucht hat. Einmal abgesehen von den leider viel zu langen Zeiten, in denen er Butterbrote gegessen oder geschlafen hat. Aber solche Augenblicke braucht der Mensch ja nun einmal auch.
Nun allerdings steht seinem eigenen Eintreten niemand und nichts mehr entgegen. Er hat sich diesen Ort ausgesucht, um in sein eigenes Abenteuer hineinzuspazieren und um wirkliche Abenteurer zu treffen. Da wäre es unbedacht, nicht erst einmal diesen empfehlungs- und sagenumwobenen Ort wahrzunehmen, anstatt gleichsam in blinder Gefolgschaft in ihn hineinzustolpern.
Zunächst schließt er mit der freien Hand die Tür hinter sich und nimmt danach zwei Schitte in den Raum hinein, wo er stehen bleibt. Erneut andächtig faltet er darauf die Hände über dem rundlichen Bauch und spannt ein wenig dabei die Arme, damit ihm nicht erneut das Buch einen Strich durch die Rechnung macht. Dann schließt er kurz die Augen.

OHH

Na, was! Wie andächtig der kleine Kerl dem Schankraum zu lauschen scheint, als habe er das erste Mal in seinem Leben einen betreten! Aber es mag ja sein, dass er nur einen einzigen kennt - den seiner Wirtschaft ums Eck, direkt auf halbem Wege zwischen der Buchhalterei und der eigenen Wohnung.
Lächelnd gibt Kvalor dem Herrn Tellicherri seinen Moment der Besinnung und betrachtet ihn dabei.

GH

Feierlich und mit geschlossenen Augen zieht der Ankömmling die Luft ein. Ganz so wie er es an jedem Morgen seines Arbeitslebens getan hat, wenn er sich das erste Mal über seine Bücher beugte. Papier und Einband haben eine Menge zu berichten für den, der ihre stummen Mitteilungen entgegenzunehmen versteht. Wieviel mehr mag das gelten für einen ganzen Raum, der nicht allein mit Leblosem gefüllt ist, sondern so belebt ist, wie diese Gaststube.
Zwar ist es nicht direkt der Dunst eines Abenteuers, den Herr Tellicherri unmittelbar erspüren kann, doch dafür gelangen eine Anzahl anderer Düfte an die feinen Nerven seines Riechorganes. Gebratenes Fleisch und gebackenes Gemüse ziehen mit würziger Note dort vorbei, von irgendwoher mischt sich süßliches Backwerk darunter. Den herben Geruch frischgezapften Bieres kann er ausmachen, doch bei Weitem nicht in der Aufdringlichkeit, in dem er einem aus den Hafenkneipen seiner Heimatstadt entgegenschlägt. Dann ist da ganz klar der heimelige, ein ganz klein wenig kitzelnde Rauchdunst eines Herdfeuers und das trocken würzige Odeur von Gras oder Binsen.
Alles in guter Ausgewogenheit, keine penetranten Ausdünstungen, die plump die Vorherrschaft übernehmen wollen. Alles hier scheint nach dem ersten Hinschnuppern sauber und ordentlich zu sein. Ja, einen ganz leichten Hauch von frischen Frühlingsblumen meint er nun auch verorten zu können. Der bringt ihn zum Lächeln.
Der rundliche Mann seufzt wohlig auf und öffnet wieder die blanken blaugrauen Augen.

RB

Ruhig sitzend und seinen Gedanken nachhängend, hat Thorkar sich von der gemütlichen Umgebung einlullen lassen. Als ihn ein frischer Luftzug aus der offenen Tür aufschrecken lässt, hat diese sich schon fast wieder geschlossen.
Sein Tischnachbar ist wieder da und offenbar hat er draußen noch einen verspäteten Ankömmling aufgegabelt sowie den Jungen, der vorhin schon einmal hier war. Ruhig beobachtet der Thorwaler, wie der neue Gast sich in die Schankstube einschnüffelt. Offenbar wieder eine der seltsamen Gestalten, mit denen sich der Käpt'n gern umgibt. Aber ganz offensichtlich keins seiner Mädels.

OHH

Ein Schmunzeln begrüßt den gleichsam aus seinem Schnupperrundgang Erwachenden. "Nun, Herr Tellicherri? Seid Ihr bereit?"
Noch einmal wedelt der Kapitän mit seinem Haken in Richtung Kamintisch, um das Ziel anzuzeigen. "Ich hoffe, es stört Euch nicht, dass wir noch einen weiteren Herrn am Tische haben - einen aus dem hohen Norden!" Im niedrigen Norden ist man ja bereits hier.

GH

"Das hier ist ein ganz herrlicher Ort", lässt der noch ein wenig in Andacht Versunkene verlauten. "Ich will nicht sagen, dass ich ihn mir genauso vorgestellt habe, vielmehr habe ich versucht, mir möglichst wenig vorzustellen, um die Frische der Wahrnehmungen nicht zu sehr zu beeinträchtigen..."
Herr Tellicherri schüttelt ein wenig den Kopf, teilweise um sich selbst zu wecken, teilweise um sich selbst zu missbilligen, dass er die Geduld des freundlichen Seefahrers über das Gebührende in Anspruch nimmt. "Ach, verzeiht, dass ich daherrede und Euch warten lasse. Natürlich bin ich bereit. Und nicht nur das, sondern hocherfreut über das Kennenlernen weiterer Gesellschaft, aus welcher Himmelsrichtung sie nun auch herstammen mag!"
Respektvoll beugt er erneut Haupt und Schultern, den Hut mit der freien Hand in die angedeutete Richtung lüftend und zugleich dauerhaft abnehmend. Dabei kommt er nicht ganz umhin, kurz über den eindrucksvollen Haken verwundert zu sein, den der Kapitän statt einer Hand führt. Aber die Augen des Rundlichen leuchten dabei weiterhin so fröhlich und unternehmungslustig, dass man ihnen nichts weiter anmerken kann.

OHH

Welch liebenswerte Ausstrahlung dieser Mann hat! So staunen und träumen zu können - im Grunde einem Kinde nicht unähnlich - das ist eine besondere Gabe, eine Gnade geradezu.
Die Entschuldigung übergeht der Kapitän. Auf der Brücke muss er auch bisweilen lange stehen. Nur das Schwanken der Planken fehlt freilich ein wenig.
"Das freut mich, und es wird ihn freuen." Schwungvoll wendet sich der Seemann dem Kamintische zu und gelangt mit wenigen kraftvollen Schritten an seinen vormaligen Platz. "Thorkar, Kamerad, ich möchte dir Herrn Tellicherri vorstellen...!" Diesmal richtet sich der Haken auf den Angekündigten.

RB

"Moin", begrüßt der Nordländer den Herrn mit dem Namen, der noch komplizierter klingt als Winnisara. Dabei richtet er sich leicht auf und nickt mit dem Kopf, was ein leises Klingeln der Amulette auf der tätowierten Brust nach sich zieht. Aufstehen wird er wegen des eben erlebten Seegangs möglichst vermeiden. Ansonsten lässt er Käpt'n und Herrn erstmal in Ruhe ankommen.

GH

Über das Hineinriechen und den herzlichen Wortwechsel mit dem Kapitän ist der Neuankömmling gar nicht zu den weiteren Vornehmungen gekommen, die er eigentlich im Sinne hatte, zum sich Einhören und Umschauen. Doch was soll man machen, wenn man gleichermaßen von Wogen derartiger Freundlichkeit mitten ins Schankraumgeschehen hineingespült wird! Dieses warme Gefühl von Nachhausekommen, ist Herrn Tellicherri den Verzicht auf vorerst weitere Sinneswahrnehmungen wert. Denn jene lassen sich sicher noch den ganzen Abend lang nachholen.
So folgt er dem trotz Holzbein sicher Voranschreitenden auf dem kurzen Weg bis zu dessen Tisch. Wo dann seine Augen vollen Ersatz für das bisher Verpasste bekommen und sich erstaunt weiten. Der kleine Mann hat sich abenteuerliche Begegnungen gewünscht, und hier erfährt er gleich eine. Welch ein Nordlandkrieger sitzt ihm hier gegenüber, wie er ihn schöner nicht gemalt in einem Almanach seiner alten Compagnie wiederfinden könnte!
Rechtzeitig besinnt sich der Rundliche, dass es unhöflich wäre, den Mund zu lange offen stehen zu lassen. Was ihm auch wiederum leichtfällt, denn der Gruß des Hühnen lautet durchaus vertraut in seinen Ohren. "Abraxas Tellicherri, zu Euren Diensten", verbeugt er sich kurz vor dem künftigen Tischgenossen und kann im Abschluss sein Interesse nicht länger zurückhalten. "Moin moin - so sagt man in Prem, nicht wahr? Ich glaube, das hat nichts mit dem Morgen zu tun, sondern bedeutet so viel wie: Einen schönen Tag?"

RB

'Der Name wird ja immer komplizierter! Na ja, wird auch ohne gehen.' Als der Fremde dann ohne Pause weiterplappert, weiß Thorkar nicht genau, ob er amüsiert, genervt oder geschmeichelt sein soll. Das Missverständnis mit dem Morgen kommt bei Südländern immer wieder und wird von ihm manchmal sogar ganz bewusst eingesetzt. Dieser hier scheint wenigstens ein bisschen Bescheid zu wissen, allerdings nur halb, wahrscheinlich aus Büchern.
"Thorkar Brogdansson", stellt er sich zunächst vor und beschließt, den Irrtum aufzuklären: "Dat snackn wohl de Schwätza ut Prem sou. Bei uns im Olporta Land sacht man nuä Moin. Dat heißt goud un dat wohl. Wat soll'n goud goud heißen?" Er zuckt mit den Schultern, grinst dabei aber, damit der andere sich nicht angegriffen fühlt. "Aba klapp dich ers ma to samm, dann bisse nich so lang." Er macht eine einladende Handbewegung zu den beiden freien Stühlen.

GH

"Suum cuique", antwortet der Kurzgewachsene dem Hühnen mit einem Lächeln, das kein Wässerchen trüben kann und in nichts darauf hinweist, dass er sich in irgendeiner Weise zu nahe getreten fühlt.
"Verzeiht einem alten Bücherwurm wie mir, dass er sich in Fragen lokaler sprachlicher Finessen im hohen Norden so gar nicht zu Hause fühlt. Ich habe nie den Vorzug genossen, dorthin reisen zu dürfen. Bin aber deswegen umso erfreuter, Euch nun heute abend hier treffen zu dürfen." 'Und dankbar für uns, dass Frau Knedsen das mit den Schwätzern nicht gehört hat.'
Dann blickt er auf das vorhandene Sitzmobiliar, um der Aufforderung des Olporters zügig nachzukommen. Denn was die Nordleute in ihren einzelnen Städten auch unterscheiden mag, lang schnacken oder fackeln tut man wohl hüben wie drüben nicht gern, wie er an seiner Zimmerwirtin gelernt hat.
"Welches war Euer Platz, Herr Hullheimer?" fragt er den neben ihm stehenden Kapitän.

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Lächelnd bewegt sich der Kapitän weiter auf seinen vormaligen Stuhl zu, ohne anzuhalten, ist dann aber doch etwas von dem schnellen Wortwechsel der beiden überrumpelt, dass er dadurch anscheinend langsam genug wird, um dem neuen Gast Gelegenheit zu seiner Frage zu geben.
Nachdem er hinreichend lange dumm geglotzt hat - im Grunde kann es nicht viel mehr als das sprichwörtliche Augenblickchen gewesen sein - tut er den letzten Schritt an seinen Platz hinan. "Der hier, mit dem besagten Biere." Ja, das hatte er schon erwähnt, aber der gute Mann war ja mit schnuppern beschäftigt. Belustigt schmunzelt der Kapitän in sich hinein.

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'Jetzt fängt der auch noch mit Bosparano an, als wäre der Name nicht kompliziert genug. Aber dafür habe ich nicht lange genug im Tempel gelebt.' Aber offenbar erwartet der Bosparanoschwätzer gar keine Antwort. Gut.
So kann Thorkar ungestört an ihm vorbei gucken zur Theke, wo offenbar die Gefühle schon wieder hochkochen. Hat seine zukünftige Bettgefährtin 'Winnisara' einen anderen gefunden, der sie in den Arm und möglicherweise auch mit ins Bett nimmt? Nicht dass er eifersüchtig wäre, aber so schnell wieder abserviert zu werden, würde ihn doch stören. Er beobachtet weiter, was da vor sich geht.

OHH

Einen Moment beobachtet der Kapitän den das Tresengeschehen beobachtenden Thorwaler. Hat er inzwischen ein Interesse an der Braut entwickelt? Eher wohl rätselt auch er noch, wessen Braut sie wohl sei.
Schmunzelnd wendet sich Kvalor wieder dem Buchträger zu. "Wählt nur unverzagt aus!" Im Grunde könnte jener auch den Sitz des Vielfachversehrten beanspruchen, wenn er wollte, aber eigentlich ist nach Herrn Tellicherris Frage ja nicht von einer hohen Bedeutungsbeimessung dieser Angelegenheit auszugehen. Dennoch hat der Kapitän den eigenen Stuhl mit in die Hakenbewegung eigeschlossen und bleibt noch ein Momentchen höflich stehen.

GH

Der starkgebaute Mann aus Olport antwortet nichts, und der kleine Herr bleibt abwartend stehen, bis ihm einfällt, dass er selbst ja auch gar nichts gesagt hat, das zwingend eine Erwiderung notwendig machte. Fast hätte er dies der umrüchteten Wortkargheit der Nordleute zugeschrieben. Aber offensichtlich ist der Dunkelbärtige auch gar nicht weiter an ihm interessiert, sondern hat an der Theke etwas entdeckt, das seine Aufmerksamkeit mehr gefangennimmt. Vielleicht etwas Hochgeistiges, denn auch von dieser Vorliebe hat er sagen gehört.
Auf jeden Fall möchte Herr Tellicherri den gütigen Herrn Kapitän nicht noch länger mit dem Niedersetzen warten lassen. "Ja, ganz und gar unverzagt will ich mich denn hier niederlassen. Ich danke", kommt er der Aufforderung fröhlich nach und macht mit seinem Buchgepäck noch ein paar weitere Schritte auf die Wand zu, wo er den dicken Band zunächst auf dem Schemel ablegt, den Hut obendrauf postiert, um sich dann an das Aufknöpfen seines Reiserocks zu machen.
Doch bevor er tatsächlich damit beginnt, richtet er noch einmal in höflichem Ton das Wort an den Seemann: "Aber bitte setzt Euch doch auch schon einmal. Ich mag mich nur eben meines Mantels entledigen!"

RB

Eine Weile schaut Thorkar dem Treiben an der Theke noch zu, bis es ihm zu intim wird und er sich abwendet, den Kopf nur innerlich schüttelnd.
Stattdessen sieht er zum ersten Mal den neuen Tischgefährten näher an. Das dicke Buch war ihm bis jetzt glatt entgangen. "'N ganz schöin Wälza tuse da mit diä rumschleppn", kommentiert er die Entdeckung.

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Sich zu setzen, wollte Kvalor nach Entscheidung des Gastes eh nicht weiter aufschieben, was ihn nicht von einem höflichen "Danke" an selbigen abhält. Dann lässt er sich niederplumpsen, die Krücke wird an die nahe Außenwand gelehnt.
Dabei achtet er ihrer kaum, sondern mustert seinerseits den Folianten des anderen. Da ist es ihm sehr gelegen, als der Dritte darauf zu sprechen kommt. Ein beifälliges Nicken soll aber genügen, will man ja nicht gar zu neugierig erscheinen.

GH

Während er gemächlich Knopf um Knopf seiner Außenbekleidung öffnet, lächelt der gepflegte Herr in sich hinein. Die kurzangebundene Art des Dunkelbärtigen beginnt ihm Freude zu bereiten. Ein kältegeprüfter Krieger, vom täglichen Überlebenskampf des eisigen Nordens an Körper und Seele gestählt, wird keine großen Worte machen. Im rauen Klima da oben bedeutet es sicher einen Wärmeverlust, zu lange den Mund offenzuhalten. Und ein echter Abenteurer wird sich immer hüten, zu viel von sich preiszugeben.
Die Augen des gemütlichen Mannes strahlen die reinste Arglosigkeit zu dem Hünen hinüber. "Ja, der ist schön, nicht wahr? Sind ja auch viele schöne Bilder drin", weiß er weiterknöpfend seinen beiden Tischgenossen zu verraten. "Und praktisch ist er auch."

OHH

Dies klingt beinahe nach der Brabaker Bilderpostille. Wobei zu hinterfragen wäre, worin diese praktisch sein sollte. Eine Erörterung, für welche auch hier Bedarf besteht. "Praktisch? Inwiefern?" möchte der Kapitän gern erfahren.

RB

"Da kannste beigehn unnem Ork 'n Brägn mit einschlachn", schlägt der praktisch orientierte Nordmann vor, "wennsde grad ma keine Axt baie Hand has. Dat is wohl dat einziche, watn Orkbrägn mim Buch anfang kann."
Viel mehr kann Thorkar mit einem Buch auch nicht anfangen. Zwar kann er leidlich lesen und genug schreiben, um eine Schmiedearbeit mit einer Widmung zu verzieren, aber warum jemand sich die Mühe machen sollte, ein ganzes Buch zu lesen oder gar zu schreiben, geht ihm völlig ab. Was hat er davon, dass sein Name im Tempelbuch in Punin steht? Geschichten und Lieder wollen erzählt und gesungen werden. Am besten abends am Feuer mit einem guten Getränk in der Hand. Er blickt sich um und sieht die Voraussetzungen erfüllt.

GH

"Ja", antwortet der behagliche kleine Herr, den Mantel ablegend und zugleich auf die Frage des Kapitäns und die Erklärung des Thorwalers eingehend, in ganz gemütlichem Ton, "praktisch in eben der Hinsicht, die Euer Kamerad benennt, Herr Hullheimer. Ich hatte dabei allerdings mehr an die Funktion eines Schildes oder einer Rüstung gedacht." Auch solche hat er in Abbildungen des Schlachtgetümmels in seinem Buche schon gesehen. "Da geht kein feindlicher Pfeil durch!"
Welch vorzügliche Alliteration, schmunzelt er in Gedanken in sich hinein. Und fährt in der vorherigen Weise hörbar fort: "Ich dachte aber auch an ganz alltägliche hilfreiche Anwendungen. Wenn nun, wie jetzt, mein Hut auf ihm liegt" - dabei weist er mit der Hand auf den eben so belegten Schemel - "sehe ich diesen besser und setze mich nicht so leicht darauf, was fraglos besser für den Hut ist - und für meine Börse auch."
Nun nimmt er selbige Kopfbedeckung und den über den Arm gehängten Rock und legt letzteren auf den Boden hinter sich und den Zylinder obendrauf. "Und wegen meiner Leibeskürze kann es ebenfalls für mich gut sein, mich auf diesen Wälzer zu wälzen. Dann werde ich besser gesehen und habe besseren Überblick."
Statt selbiges jedoch zu tun, nimmt er den Folianten von seinem Platz und postiert ihn auf dem Rock und neben dem Hut. Endlich ist er selbst bereit dazu, sich niederzulassen.

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Dass der Thorwaler kein Literat ist, überrascht den Kapitän nicht. Wie nun aber auch der kleine Mann sich als Possenreißer betätigt, hebt sich allem voran doch erst einmal die sichtbare Braue und dem Emporzucken der Augenklappe auch die unsichtbare, bevor die Mundwinkel folgen. Humor ist gut, steht er doch jedem Menschen wohl an.
"Tatsächlich, tatsächlich!" gibt Kvalor im Plaudertone zurück. "Und vermag der Innenteil auch etwas?"

GH

"Oh ja", bestätigt der kleine Herr dem Seemann, während er sich mit leuchtenden Augen niedersetzt und dann erst einmal kurz durchschnaufen muss.
Schließlich nimmt er eine gerade Haltung an und legt die rechte Hand auf seine linke Brust. "So wie die äußere Hülle dem Körper nützlich ist, vermag der Innenteil das Herz und die Sinne zu erfreuen", spricht er mit ehrlicher Begisterung.

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Geduldig erwartet der Kapitän die Antwort und lächelt nachsichtig, gar belustigt über deren wenig konkret werdenden Charakter. Jener kleine Kerl hält gern hinter dem Berge und möchte es spannend machen - oder er ist einfach so verliebt in seine Gemächlichkeit. Letzteres würde man von einem Beamten wohl erwarten, aber an dieser Stelle erscheint solches Vorgehen ganz unüblich einmal liebenswert, zumal ja wirklich kein Grund zur Eile besteht.
"Tatsächlich!" kommt es noch einmal. "Und womit denn wohl?"

RB

Thorkar lehnt sich gemütlich zurück und lauscht dem Gespräch der alten Männer. Eingelullt von Bier und Kamin fehlt zum vollkommenen Glück jetzt nur noch ein nach Nordvindr schreiender Papagei, Verzeihung: Obermaatvogel. Und vielleicht noch Tjölfengrimm, dessen Hausmensch. Und Skaldira, die er im Herzen liebt wie eine Mutter.

GH

"Nun", antwortet Herr Tellicherri und fühlt sich weiterhin wie die Ruhe selbst, denn schließlich ist er gerade erst angekommen, der Abend ist lang, und er wünscht sich, ihn zu genießen, "in diesem Fall mit 'Geschichten aus tausendundeinem Rausch'. Eine Ausgabe mit handkolorierten Holzschnitten, die ich unter den vielen Büchern meines Hauses fand und die mir Lesestoff genug für eine längere Reise zu bieten schien."
Er schlägt die Augen nieder und hebt sie wieder, um treuherzig den Kapitän anzublicken. "Ihr müsst wissen, so lange bin ich noch kein Buchbesitzer. Es sind so viele - und sie brauchen Muße, um entdeckt zu werden."

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Ja, diese weitverbreiteten Geschichten kennt auch der weitgereiste Seefahrer. "Trefflich, das macht auf die Bilder neugierig!" bekundet er offenherzig, wenn auch das Tageslicht schon etwas länger verschwunden ist und damit manches Detail von ihm bei etwaiger Betrachtung übersehen werden mag.
Aber ein Buchhalter ohne Bücher? Nun, es gibt solche und solche, und Herr Tellicherri meint soeben nun einmal nicht solche, sondern solche. "Ja, da habt Ihr wohl recht. Als Kapitän schafft man es bisweilen, sich solchen" - eine weisende Bewegung diesmal nicht des Hakens, sondern der halbwegs vollständigen Hand - "zu widmen, sofern es die Mannschaft und das Wetter zulassen. Beide neigen ja dazu, allerlei anzustellen, wenn man nicht aufpasst." Wahrlich, ein vergnüglicher Abend! Dieser neue Mensch inspiriert Kvalor ungeahnt zu einer schönen Sprache, welche den Matrosen allzu oft abgeht und sie überfordern würde.

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Redaktion und Lektorat: Oliver H. Herde im Jahre 2018